
Sind Faszienrollen hilfreich oder riskant?

Was eine Massage mit Faszienrollen im Körper genau bewirkt, ist unklar. Bei manchen Erkrankungen kann die Anwendung riskant sein.
Welche Gerätschaften wurden nicht schon auf den Markt gebracht, um uns von Rückenschmerzen zu erlösen: Stehpulte, Spezialmatratzen, Sitzbälle, Rückenstrecker und vieles mehr. Sogar „Geradehalter“ zur Haltungskorrektur gibt es in unterschiedlichsten Ausführungen und finden mal mehr, mal weniger begeisterte Anhänger. Kaum ein Zubehör hat sich allerdings so erfolgreich durchgesetzt wie die Faszienrolle: Vor gut 15 Jahren wurde die sogenannte „Blackroll“, der Klassiker unter den Rollen, erfunden und ist heute kaum noch aus Physiotherapiepraxen, Gymnastikstudios und privaten Fitnesskellern wegzu-denken.
Die Faszienmassage mit der Hartschaumrolle verspricht Schmerzlinderung und obendrein zahlreiche weitere positive Effekte. Handelt es sich bloß um eine Trendwelle?
Die Rolle für den Rücken ist nicht ganz neu
Zunächst einmal: So ganz neu war die Blackroll nicht, als sie in den 2000ern vom Band lief. „Schon in den 1980er Jahren wurden bei der Feldenkrais-Methode Holzrollen verwendet“, sagt Chuck Tholl, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Deutschen Sporthochschule Köln. „Auch bei Pilates und Yoga benutzt man seit langem Rollen.“ Den Vätern der Blackroll kam zugute, dass in den letzten Jahrzehnten die Faszien immer stärker in den Blickpunkt des Interesses rückten. „Anfang der 80er Jahre betrachtete man Fasziengewebe noch als reines Füllmaterial, das bei Operationen manchmal großzügig weggeschnitten wurde“, berichtet Tholl.
Dabei ahnten Mediziner damals nicht, welche wichtige Aufgabe die Fasern erfüllten. Das dichte Gewebe, das Muskeln und Organe umhüllt und wie ein Netzwerk den ganzen Körper durchzieht, ist mit zahllosen Sinneszellen ausgestattet. „Rezeptoren im Fasziengewebe sind zum Beispiel wichtig für die Körperwahrnehmung“, erklärt der Wissenschaftler. Sie können auch Schmerzinformationen weiterleiten.
Was eine Faszienrolle genau bewirkt, ist unklar
Bis hierhin sind sich Experten weitgehend einig. Inwieweit das „Foam Rolling“ Beschwerden lindert und sich auch sonst positiv auswirkt, ist dagegen weit weniger klar. Schwammig wird es schon bei der Frage, was im Körper eigentlich passiert, wenn man sich mit der Rolle bearbeitet. „Dazu gibt es viel Theorie, aber wenig davon ist bewiesen“, sagt Tholl. Relativ klar sei, dass durch den Druck die Hydration verbessert wird: Wie ein Nudelholz, mit dem man Teig glatt walkt, bearbeitet die Rolle das Gewebe, sodass sich die Flüssigkeit darin besser verteilt. Außerdem stimuliert die Massage Rezeptoren in Bändern, Sehnen und Faszien – „aber auch das ist nicht zu 100 Prozent klar“, meint Tholl. Der Schmerzexperte Prof. Hermann Locher von der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie beschreibt den Haupteffekt der Faszienmassage so: „Die verschiedenen Faszienschichten werden gegeneinanderbewegt, sodass sich ihre Gleiteigenschaften verbessern.“ Davon profitierten etwa Leistungssportler, deren Muskulatur beweglicher wird. Auch Tholl geht davon aus, dass sich die Beweglichkeit durch das Rollern kurzfristig verbessert. Allerdings braucht man dazu das Gerät nicht: Durch dynamisches Dehnen, sagt er, erreiche man denselben Effekt.
Und wie gut wird man mit der Rolle Schmerzen los? Vorübergehend kann die Massage schon Linderung bringen, sagt Tholl, aber: „Es kommt immer auf die Art der Beschwerden an.“ Andere Aussagen über die Wirkung der Schaumstoffrollen klingen wesentlich euphorischer. So schreiben Roland Liebscher-Bracht und Petra Bracht in ihrem Ratgeber „Rolle dich schmerzfrei“ der Massage etliche positive Effekte zu: Sie reichen vom Auflösen von Spannungsknoten in der Muskulatur über eine bessere Durchblutung der Kapillargefäße bis hin zu Schmerzreduktion oder gar -beseitigung. Das funktioniert ihrer Theorie nach vor allem dadurch, dass das Rollern zum einen den Stoffwechsel im Bindegewebe anregt, zum anderen Rezeptoren in den Faszien sowie Spannungspunkte in den Muskeln aktiviert.
Experte rät von einer unüberlegten Benutzung ab
Der wissenschaftliche Boden für solche Thesen ist dünn. „Es gibt noch sehr wenige Studien dazu“, sagt der Orthopäde Hermann Locher. Den Effekt führt Locher vor allem auf die „schmerzlindernde Propriozeption“ zurück. Damit gemeint ist in etwa: Durch Stimulierung der zahlreichen Bewegungsfühler, die auf den Faszien sitzen, werden Schmerzen weniger stark wahrgenommen. „Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Kopfnuss bekommen. Das tut sehr weh. Wenn Sie die Stelle dann mit der Handfläche reiben, verflüchtigt sich der Schmerz.“
Dennoch rät der Experte entschieden davon ab, bei Problemen blindlings draufloszurollern. Wer Rückenschmerzen hat, sollte die Ursache erst vom Arzt klären lassen. „Bei einer Muskelentzündung oder einem Bandscheibenvorfall hilft Faszientraining nur begrenzt“, sagt Locher. Wenn tatsächlich ein „muskulo-fasziales Problem“ die Beschwerden verursacht, sollten sich die Patienten die Anwendung der Faszienrolle zeigen lassen – etwa von einer Physiotherapeutin. Aber auch dann ist die Massage nur eine ergänzende Maßnahme. Experten sind sich einig: Um langfristig schmerzfrei zu sein, ist ein ganzheitliches körperliches Training nötig. So betont Chuck Tholl: „Eine Rollmassage kann Bewegung nicht ersetzen.“
Faszienrollen sind nicht frei von Risiken und Nebenwirkungen
Wer sich eine Rolle anschafft, sollte sie mit Bedacht einsetzen. Völlig frei von Risiken und Nebenwirkungen sind Blackroll & Co nämlich nicht, wie Locher erklärt: Zum Beispiel können Venenklappen beschädigt werden. Daher sollten vor allem Menschen mit Krampfadern darauf achten, nur in Richtung des Blutrückflusses – also zum Herzen hin – zu rollern. Auch bei Geschwüren, starker Osteoporose, frischen Verletzungen oder Entzündungen können Faszienrollen schaden, ebenso, wenn man Blutverdünner einnimmt. Und auch für rundum gesunde Menschen gilt: Nicht über knöcherne Strukturen rollern, da auf Dauer sonst die Knochenhaut gereizt werden könnte.
„Der häufigste Fehler, den Leute machen, ist allerdings, sich gleich mit vollem Gewicht auf die Blackroll zu legen“, sagt Locher. Dadurch kann zu starker Druck ausgeübt werden. Daher gilt gerade für Anfänger: Behutsam mit einer weicheren Rolle beginnen und auf die Signale des Körpers achten. „Man sollte nicht übertreiben. Etwa fünf Minuten pro Tag reichen“, rät der Arzt.
Es gibt einfache Alternativen
Mit kleinen Rollen und Bällen, die sich zum Beispiel für die Fußmassage eignen, kann man dagegen nicht viel falsch machen. Obendrein kosten sie wenig bis gar nichts: Ein Spezial-Faszienball lässt sich einfach durch einen Tennisball ersetzen, verrät Chuck Tholl. Wer das Modell noch tunen will, gibt zwei Tennisbälle in eine Tennissocke und verknotet diese – fertig ist der „Duoball“.
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