Wie gut lassen sich Instrumente online lernen?
Die Digitalisierung ermöglicht sogar Fern-Musikunterricht oder die Teilnahme an Chorproben daheim. Welche Chancen und welche Grenzen die Technik hat.
Viel Zeit zu Hause: Seit Beginn der Pandemie ist das die neue Normalität. Hobby-Musizierende stellt das vor neue Herausforderungen, eröffnet aber auch Chancen. Musizieren auf Distanz ist das neue Ding, mit Online-Unterricht, Lernvideos oder auch auf Online-Plattformen. „Ich habe seit über zehn Jahren einen Schüler, der in der Schweiz lebt, dem ich noch nie real begegnet bin“, berichtet Konstantin Gutmann, Gründer einer Online-Musikschule. Durch die Pandemie seien deutlich mehr Schüler auf diese Art des Lernens aufmerksam geworden.
„Wir haben bereits 2011 mit unserem Online-Unterricht begonnen. Viele haben das damals skeptisch betrachtet und gefragt, wie das denn gehen soll. Aber es funktioniert und das Internet und die Technologien dafür werden immer besser.“ Für den Instrumenten-Unterricht auf Distanz benötigt man lediglich einen Rechner mit Webcam und eine stabile Internetverbindung via LAN-Kabel. Per Videokonferenz-Software findet dann der wöchentliche Unterricht statt. Wichtig sei dabei die richtige Platzierung der Kamera beziehungsweise der Lernenden zur Kamera hin, sagt Gutmann. So ist nachvollziehbar, wie das Instrument gehalten und ob der Ton richtig getroffen wird.
Die Verzögerung wird beim gemeinsamen Musizieren zum Problem
Theoretisch funktioniert Online-Unterricht mit allen Instrumenten. Laut Gutmann gibt es jedoch Instrumente, bei denen man etwas näher an die Webcam heranmuss, damit die Hände am richtigen Platz und damit gut sichtbar sind. Ein großer Nachteil ist die akustische Verzögerung, die es praktisch unmöglich macht, gemeinsam zu spielen oder zu singen. „Ich löse das dadurch, dass ich viele Backtracks mache“, sagt Gutmann. „Ich nehme viel auf und dann schicke ich es als MP3 zu meinen Schülern. Die können dann mit dieser Aufnahme von mir gemeinsam spielen.“
Der Musikwissenschaftler Matthias Krebs wiederum weiß, dass in der Pandemie viele Musiker, Blaskapellen und Laien-Chöre gute Erfahrungen mit den Plattformen Jamulus oder Sonobus gemacht haben. Dort kann man verzögerungsarm über Distanz zusammen musizieren, weil durch den Verzicht auf Video weniger Daten ausgetauscht werden. „Im Unterschied zu Zoom oder WhatsApp können lokale Server eingerichtet werden, was den Datenaustausch deutlich verbessert“, sagt Krebs. „Zusätzlich sind Jamulus und Co eben einfach auf Klang- und Soundübertragung optimiert.“
Online-Unterricht wurde im Musikbereich vor der Pandemie nur wenig genutzt
Seit dem Beginn der Pandemie haben sich neben Profi-Musikern und Musikpädagogen auch viele Musik-Laien aus der Not heraus mit digitalen Technologien auseinandergesetzt. „Auch weniger technikbegeisterte Menschen haben Wege gefunden, um etwa durch Internet-Tutorials oder themenfokussierte Zoom-Treffen zu lernen, wie man diese Plattformen nutzen kann und welche Zusatzgeräte hilfreich sind, um diesen virtuellen Raum zum Singen oder Musikmachen nutzbar zu machen“, sagt Krebs. Für viele Pädagogen war diese Erfahrung ein Impuls, diese Ressourcen und Methoden weiter zu nutzen. So gab es vor der Pandemie relativ wenige Instrumentenlehrkräfte, die Erfahrung mit Online-Unterricht hatten.
„Plattformen wie Jamulus sind schon über zehn Jahre alt, aber früher war es den meisten Leuten egal, da man einfach gewohnt war, sich zu einer bestimmten Uhrzeit an einem bestimmten Ort, also in einem Unterrichts- oder Proberaum, zu treffen“, schildert Krebs. Nun nutzen manche Musiker die Online-Möglichkeiten, „um zum Beispiel mal spontan eine Zusatzprobe zu machen oder wenn lange Fahrtwege regelmäßige Treffen erschweren“.
Daneben gibt es auch die Möglichkeit, ein Instrument durch das Anschauen von Youtube-Videos zu erlernen. Das Spektrum unterschiedlicher Ansätze ist groß. Beim Klavier kann man in Videos relativ leicht visualisieren, welche Tasten gedrückt werden müssen. Auch für Ukulele, Schlagzeug oder Gesang gibt es spannende Visualisierungen. Krebs gibt jedoch zu bedenken, dass es vielen Schülern schwerfalle, den körperlichen Aspekt des Musizierens zu verstehen. Der eigene Musiklehrer könne darauf ganz anders eingehen. „Er kann Feedback zum Spiel des Lernenden geben und auch problembezogen Optionen vormachen, wie man Spielbewegungen besser ausführen kann.“
Musikunterricht vor Ort hat einige Vorteile
Auch wenn sich im Online-Bereich immer neue Lehrmethoden entwickeln, sei es natürlich etwas ganz anderes, wenn man sich persönlich beim Unterricht treffen könne, erklärt Katrin Bock, Pädagogin und Programmleiterin des Lugert Musikverlags: „In Vermittlungsprozessen hilft es sehr, wenn der Lehrer eine direkte Reaktion vom Schüler sehen kann.“
Einige Lehrer werden laut Bock für ihre Schüler inzwischen selbst praktisch zu Youtubern: „Sie setzen sich dann zu Hause extra hin und erklären in 45 Minuten, wie das etwa mit den Viertelnoten funktioniert. Es ist natürlich etwas anderes, wenn der eigene Musiklehrer in einem Video zu sehen ist, als wenn das ein Youtube-Video von einem Fremden ist.“ (Eva Boller, dpa)
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