Nächstes Reiseziel: Game of Thrones oder Mittelerde
Immer mehr Menschen reisen an Drehorte. Die Filmexpertin Andrea David über ein Phänomen unserer Zeit und die besondere Karriere einer Treppe in Philadelphia.
Sie bereisen seit 15 Jahren Filmschauplätze auf der ganzen Welt, haben sogar ihre Diplomarbeit über Filmtourismus geschrieben. Die Leute lieben es, Drehorte zu besuchen. Welchen Einfluss hat Filmtourismus eigentlich?
Andrea David: Es gibt etliche Beispiele von Orten, die aufgrund ihrer Rolle als Filmschauplatz einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebten, durch die Produktion selbst sowie durch die Touristen. So hat beispielsweise ausgerechnet die Zombie-Serie „The Walking Dead“ der Region um Senoia südlich von Atlanta viele Arbeitsplätze beschert. Ganz in der Nähe befindet sich der Ort Juliette, den es ohne die „Grüne Tomaten“-Touristen vermutlich längst schon gar nicht mehr gäbe.
Mit welchem Film hat das Pilgern an Originalschauplätze begonnen?
David: Vor dem Filmtourismus gab es ja schon den Literaturtourismus. Die Sehnsucht, Orte bekannter Geschichten aufzusuchen, ist vermutlich schon so sehr alt. Den ersten großen Hype gab es aber Anfang der Neunziger in den USA nach dem Film „Jurassic Park“, der viele Filmtouristen zu den Drehorten in Hawaii gebracht hat. Weltweit haben die Herr-der-Ringe-Filme und Neuseelands Rolle als Mittelerde das Thema richtig befeuert. Da haben sich plötzlich nicht nur Filmnerds auf die Reise gemacht, sondern auch die breite Masse, die die Landschaft, die sie auf der Kinoleinwand gesehen haben, auch einmal in echt erleben wollten.
Die Italiener reisen wegen Terence Hill an den Pragser Wildsee in Südtirol, Amerikaner noch immer wegen der Trapp-Familie nach Salzburg: Was sind die beliebtesten Filmfan-Ziele?
David: Die beliebtesten Ziele sind Klassiker wie Los Angeles, New York, London und Paris. Dort wurde ja praktisch schon an jeder Ecke gedreht und man bewegt sich durch eine einzige große Filmkulisse. Aktuell spielen jedoch die Serien eine fast noch größere Rolle im Filmtourismus. Produktionen wie „Game of Thrones“, „Outlander“ oder „Downton Abbey“ bescheren auch Regionen abseits der großen Filmstädte viele Besucher.
War ein Film in den Kinos, dauert es nicht lange, bis Touren auf den Spuren von … oder Reiseführer zu den Originalschauplätzen aufgelegt werden. Welcher Ort vermarktet sich am besten?
David: Neuseeland hat das mit der Vermarktung als Mittelerde schon sehr professionell gemacht, bei Game of Thrones ist es derzeit vor allem Nordirland, das sich mit unterschiedlichsten Aktionen und Produkten auf die Serientouristen einstellt. Ich persönlich finde auch, das Visit Britain, das englische Tourismusbüro, das Filmthema immer wieder sehr gut in die Vermarktung integriert. Da pickt man sich im Jahr eine große Produktion heraus, die dann in sämtliche Maßnahmen einfließt.
Unterstützen die Tourismusorganisationen die Produktionsgesellschaften eigentlich finanziell?
David: In der Regel sind es die Filmförderungen, die Produktionen unterstützen, aber es gibt auch Orte, gerade in den USA, in denen die Film Commissions und Tourism Boards eng zusammenarbeiten, da man ja ein gemeinsames Ziel verfolgt.
Können Sie ein Beispiel nennen, oder auch gerne einige, für Orte, die vorher niemand kannte und die durch einen Film plötzlich überrannt wurden? Etwa die Treppe in Brooklyn, auf der Carrie Bradshaw in der Serie Sex and the City übers Leben nachdachte?
David: Oh ja, das gibt es natürlich eine Fülle an Beispielen. Die Rocky-Treppe in Philadelphia, den James-Bond-Felsen in Thailand, den Star-Wars-Canyon in Tunesien … Manche Länder kamen sogar erst durch einen Film überhaupt auf die touristische Landkarte, wie zum Beispiel Kambodscha mit dem ersten „Tomb Raider“-Film und Angelina Jolie.
Dubrovnik wird seit Jahren überrannt von Game-of-Thrones-Fans. Welche Orte verzweifeln bereits an den Geistern, die sie riefen?
David: Der Filmtourismus ist für ohnehin schon touristische Gebiete auch eine Herausforderung. Dubrovnik hat nicht erst seit Game of Thrones ein Problem mit Overtourism, vor allem die Kreuzfahrtschiffe bringen viele Besucher gleichzeitig in die Altstadt, die dort jedoch selten ein Restaurant besuchen und natürlich auch kein Hotel benötigen. Die Stadt hat hier schon erste Maßnahmen ergriffen. Da Filmtouristen recht saisonunabhängig sind, kann man aber auch gut in der Nebensaison dorthin kommen. In Thailand hat der Maya-Strand aus „The Beach“ große Berühmtheit erlangt und lange konnte jeder, der eine Bootstour dorthin anbieten wollte, das auch tun. So wurde nicht nur das Erlebnis der Touristen im Gedränge geschmälert, sondern auch die Natur ist zu Schaden gekommen. Ich finde es sehr gut, dass man im letzten Jahr endlich die Reißleine gezogen und den Strand nun erst einmal komplett gesperrt hat, damit sich vor allem die Korallenriffe erholen können.
Was ist der für Sie beeindruckendste Filmort, an den Sie gereist sind?
David: Es ist sehr schwer, sich für einen Ort zu entscheiden. Aber definitiv einer der beeindruckendsten Orte war für mich Wadi Rum in Jordanien. Die Wüste war schon als Drehort in „Lawrence von Arabien“ zu sehen, diente aber in jüngerer Zeit auch als Kulisse für Filmstoffe, die gar nicht auf der Erde spielen wie „Der Marsianer“ oder „Rogue One: A Star Wars Story“. Es ist wirklich überwältigend, diesen surrealen Ort einmal selbst zu besuchen. Ich empfehle aber immer, die Drehorte seiner eigenen Lieblingsfilme und -serien zu besuchen. Das sind meist die Reisen, die am meisten Gänsehaut verursachen, gerade wenn dann noch etwas Nostalgie mitschwingt. Bei mir ist das beispielsweise bei „Dirty Dancing“, „Forrest Gump“ und „Zurück in die Zukunft“ der Fall.
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