Oman: Arabien auf Nummer Sicher
Das Sultanat Oman begeistert Touristen, weil es ursprünglich wirkt und zugleich als ungefährlich gilt. Nun will das Land von der Krise in Tunesien und Ägypten profitieren.
Der Fluss schlängelt sich in den schönsten Blau- und Grüntönen durch das breite Tal. An seinen Ufern liegen große, weiße Steine. In der Ferne gleiten kleine, bunte Tret- und Motorboote über das klare Wasser. Am Rande des Tals stehen Laubbäume dicht an dicht. Man könnte meinen, man befindet sich in Deutschland, vielleicht im Bayerischen Wald oder im Harz. Dabei liegt dieses Bilderbuch-Tal in demselben Land, in dem es die größte Sandwüste der Welt gibt – im Sultanat Oman. Das Tal heißt Wadi Darbat. Als „Wadi“ bezeichnet man normalerweise einen ausgetrockneten Flusslauf, der sich nur nach starken Regenfällen in ein grünes Tal mit Wasser verwandelt, gleich einer Oase. Das Wadi Darbat ist allerdings das einzige im Sultanat, das nie ganz versiegt, und dessen Fluss nach nicht einmal fünf Kilometern zum größten Wasserfall der arabischen Welt wird – zumindest in der Monsunzeit.
Der Oman bewältigt einen Spagat zwischen Tradition und Moderne, er befindet sich in einem Wandel. Zum Beispiel beim Thema Rolle der Frau. Ein Leben, wie es Gamila Belhaf führt, wäre früher unvorstellbar gewesen. Denn Belhaf ist Geschäftsfrau, vertreibt Parfüm sowie selbst hergestellte Körbe und Töpferwaren. Derzeit schreibt sie nebenbei an einem Buch. Wie sich die Rechte der Frau im Oman entwickelt haben, darum soll es sich drehen. In den kleinen getöpferten Tonschälchen, die sie dabeihat, wird traditionell Weihrauch verbrannt. Es gibt sie in verschiedenen Ausführungen, mal klassisch in Rot mit goldenen Ornamenten, mal in fast schon grell glitzernder Silberfarbe. 2003 hat sie angefangen, die Töpferei professionell zu betreiben. „Das Töpfern habe ich von meiner Oma gelernt“, erzählt sie. Beziehungsweise erzählt das ihr Übersetzer, den sie dabeihat. Er ist nicht ihr einziger Begleiter: Neben Belhaf sitzt einer ihrer Söhne, daneben eine Freundin von ihr. Im Oman ist es nicht üblich, dass Frauen allein in der Öffentlichkeit unterwegs sind. Belhaf kann kein Englisch und wirkt angesichts der vielen Fragen zu ihrer Person etwas verschüchtert. Immer wieder zupft sie an ihrem Schleier, versucht Augenkontakt mit den Fremden zu vermeiden. Europäer stellen sich eine Geschäftsfrau anders vor. Es stört Belhaf auch nicht, wenn der Übersetzer manchmal gleich in ihrem Namen antwortet, ohne ihr die Frage überhaupt zu nennen. Das geplante Buch über die Entwicklung der Frauenrolle, es wirkt auf einmal paradox.
Frauen erkämpfen sich im Oman allmählich ihre Rechte
Später wird Elia Gad, FTI Group Head of Destination Middle East, versuchen, das Paradoxon aufzulösen. Es sei eine vollkommen ungewohnte Situation für Frauen, so im Mittelpunkt des Interesses zu stehen, vor allem bei Europäern. Eine Leuchtfigur unter den Geschäftsfrauen im Oman ist Aisha Al Hajri. Die Omani ist die Gründerin des Unternehmens Salma’s Chocolates und hat sich 2012 mit einer Schokoladenmanufaktur in Muscat, der Hauptstadt des Landes, selbstständig gemacht. Das Geschäft floriert: Für ihre Pralinenkreationen mit Weihrauch und Rosenwasser ist Hajri weit über die Grenzen ihres Heimatlandes bekannt, bald eröffnet sie ein neues Geschäft in der Provinzhauptstadt Salalah. Hajri weiß, wie man ein modernes Unternehmen führt. Das Geschäft ist auf Twitter, Facebook und Instagram vertreten, auf Youtube gibt es einen Unternehmensfilm. Wie durch und durch sie Unternehmerin ist, zeigt sich auch daran, warum sie das Gespräch an jenem Abend absagen muss: Eine wichtige Geschäftsreise ist ihr dazwischengekommen.
Obwohl es immer mehr Akademikerinnen, Politikerinnen und Unternehmerinnen im Oman gibt und sich der amtierende Sultan Qabus für Frauenrechte einsetzt, sind öffentliche Plätze noch heute größtenteils eine Männerdomäne. Auch der historische Hafen von Mirbat, eine Autostunde von der Provinzhauptstadt Salalah entfernt, ist eine fast frauenfreie Zone: Auf größeren, aus dunklem Holz gefertigten Booten, den sogenannten Dhaus, sitzen vereinzelt Fischer zusammen und nähen Netze, um die Markthalle stehen Händler und Verkäufer zusammen, dazwischen schlendern vereinzelt Touristen mit Fotoapparaten entlang. Die einzigen arabischen Frauen, die man diesem Tag dort sieht, sitzen gemeinsam in einem der am Hafen kreuz und quer geparkten Jeeps. Geländewagen sind eine große Leidenschaft der Omanis.
Yousef Al Shanfari ist dagegen meistens mit einem Pick-up unterwegs – schon allein, weil er auf der Ladefläche am besten die ganzen Schnorchel, Taucherflossen und Schwimmwesten transportieren kann. Der 31-jährige Omani ist Geschäftsführer des Unternehmens „Around The Ocean“, das verschiedene Wasseraktivitäten anbietet. Mit der Unterwasser- und Meereswelt kennt sich Al Shanfari aus – früher hat er Meereswissenschaften in Italien studiert. Danach ist er in den Oman zurückgekommen und hat „Around The Ocean“ aufgebaut. Das Unternehmen startete mit gerade einmal einem Boot, mittlerweile steht eine kleine Flotte von acht Stück zur Verfügung. Der Renner: Delfine beobachten. „Das ist vor allem bei älteren Touristen beliebt“, erzählt er in fließendem Englisch.
Geheimtipp im Oman: Einmal mit Delfinen schwimmen
Al Shanfari verkörpert die Mischung aus Tradition und Moderne auch äußerlich perfekt. Vor dem Ausflug an den Strand trägt er traditionelle Kleidung: Eine Dishdasha, das ist ein weites, knöchellanges Kleid mit einer kleinen Quaste am Kragen. Dazu hat er ein geschickt gewickeltes Kaschmirtuch auf dem Kopf, Massar genannt. Nach dem Bad im Meer ähnelt er dagegen einem typischen Surfer wie man ihn in Florida oder Australien sieht: knielange Jeans, dazu ein bedrucktes T-Shirt, die nassen, schwarzen Locken kleben am Kopf.
Al Shanfari muss sich in Zukunft entscheiden, wie kommerziell er mit seinen Angeboten werden will. An diesem Tag hat er der kleinen Gruppe von Journalisten einen Geheimtipp gezeigt: eine Bucht, in der sich oft Delfine tummeln, mit denen man schwimmen gehen kann. Es ist kein Programmpunkt, den man derzeit bei „Around The Ocean“ buchen kann. Falls Al Shanfari ihn ins Repertoire aufnimmt, braucht es nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass die Nachfrage dafür schnell durch die Decke gehen wird. Doch je mehr Menschen die Bucht besuchen, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Delfine irgendwann ausbleiben. Es ist ein Dilemma zwischen Quantität und Qualität.
Doch der Oman steckt noch in einem viel grundlegenderen Dilemma: Erdöl sicherte ihm jahrzehntelang den Wohlstand, allerdings wird der Rohstoff immer günstiger. Der Weihrauchhandel, für den das Land einst berühmt war, hat seine besten Zeiten schon lange hinter sich. Der Tourismus soll es also richten. Weit vorangetrieben hat den Oman in diesem Punkt der ägyptische Milliardär und Investor Samih Sawiris. Der Milliardär ist der wohl größte Tourismusförderer des Landes, er arbeitet eng mit dem Tourismusministerium des Oman zusammen.
Der Oman will kein zweites Abu Dhabi werden
Es ist eine recht neue Branche, bis in die 1980er Jahre gab es keinen einzigen Urlauber – damals wurden einfach keine Touristenvisa ausgestellt. Heute ist die Lage eine andere: Arabische Touristen kommen mittlerweile seit Jahrzehnten in den Oman – zur Monsunzeit. Während der Regenperiode zwischen Juni bis September wird das Sultanat zum Lieblingsurlaubsziel des Nahen Ostens. Hier genießen die Araber ein paar Tage lang ausgiebig den Regen. Vor nicht ganz zehn Jahren begann der europäische Tourismus im Land. Doch Massentourismus oder monströse Hotelanlagen wie in Dubai soll es im Oman nicht geben. „Die Omani fürchten, dass sie ihre Identität verlieren“, sagt Nassa Emara, Reiseleiter beim Meeting Point Oman, ein Tochterunternehmen der FTI Group.
Ob das gelingen wird, unklar. Schließlich ist schon mit Salalah Beach eine riesige Urlaubsstadt entstanden – mit mehreren Hotels, Restaurants, Cafés künstlichen Kanälen und Lagunen sowie zwei Golfplätzen. Und bereits jetzt laufen Planungen für einen riesigen Aquapark, der Ende 2017 eröffnet werden soll. In der Nähe soll eine große Strandpromenade gebaut werden.
Gute Voraussetzungen für den Tourismus hat der Oman allemal: Die Temperaturen sind genau so, wie sie sich europäische Strandurlauber gerne wünschen, die Flugzeit liegt mit etwa sieben Stunden noch im angenehmen Bereich, die beste Reisezeit ist mit Oktober bis April außerhalb der typischen Urlaubsreisezeiten und den damit verbundenen Touristenanstürmen. Der wohl größte Pluspunkt: es gilt als sicherstes Land des Mittleren Ostens.
In Zeiten, in denen der Markt in Tunesien komplett eingebrochen ist und auch in Ägypten – außer am Badeort Hurghada – keine Besserung in Sicht scheint, kann das Sultanat hier Kunden gewinnen. Es wird spannend sein zu beobachten, wie das Land zukünftig den Spagat zwischen Tradition und Moderne meistern wird.
Die Diskussion ist geschlossen.