Mit seinem Vorschlag, auch auf Kapitalerträge Sozialabgaben zu erheben, hat Wirtschaftsminister Robert Habeck viele Sparer und Kleinanleger verunsichert. Dabei ist das System schon jetzt teurer als es auf den ersten Blick scheint.
Wie werden Zinsen, Dividenden und Kursgewinne im Moment besteuert?
Bis zu einem Freibetrag von 1000 Euro im Jahr sind Kapitalerträge steuerfrei, bei verheirateten oder verpartnerten Paaren sind es 2000 Euro. Was darüber hinaus geht, wird gleich dreifach besteuert: 25 Prozent Abgeltungssteuer, dazu 5,5 Prozent Solidaritätszuschlag auf diese Steuerschuld, und für die Mitglieder einer Kirche kommt obenauf noch die Kirchensteuer - alles zusammen sind das dann knapp 28 Prozent. Tatsächlich ist die steuerliche Belastung sogar noch höher: Ehe ein Unternehmen eine Dividende ausschüttet, hat es schließlich schon Körperschaftssteuer, den Soli und Gewerbesteuer gezahlt. Grob geschätzt kommen damit von einem Gewinn-Euro beim Aktionär nur 50 Cent an. Außerdem handelt es sich bei dem Geld, das ein Anleger in ein Zinspapier, einen Fonds, eine Anleihe oder eine Aktie investiert, ja schon um bereits versteuertes Geld. Selbst bei thesaurierenden Fonds, das sind Fonds, die einen Gewinn nicht ausschütten, sondern sofort wieder anlegen, greift das Finanzamt zu. Über die sogenannte Zukunftsfiktion muss die Fondsgesellschaft einen fiktiven Gewinn errechnen und die entsprechenden Steuern dafür automatisch abführen.
Sozialabgaben auf Kapitalerträge: Was will Habeck genau?
Angesichts der kräftig steigenden Krankenkassenbeiträge will er auch Kapitalerträge der Abgabenpflicht unterwerfen und die Einnahmen daraus zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung nutzen. Das hieße, dass ein Sparer auf Kurs- oder Zinsgewinne zusätzlich zur Steuer noch Beiträge für Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung bezahlen müsste. Arbeit werde in Deutschland höher belastet als Kapitaleinkünfte, argumentiert Habeck. Er wünsche sich „mehr Solidarität im System.“ Konkreter ist der grüne Kanzlerkandidat bisher nicht geworden. Völlig unklar ist auch, wie er mit Gold, Kryptowährungen oder Gewinnen aus Immobiliengeschäften verfahren will.
Grünen-Chef Felix Banaszak behauptet, für Kleinsparer ändere sich nichts. Stimmt das?
Im Ziel haben die Grünen vor allem Anleger mit hohen Einkommen. Tatsächlich blieben diese aber nach allem, was bisher bekannt ist, weitgehend außen vor. Schwerreiche lagern ihre Vermögensverwaltung häufig in eigens dafür gegründeten Gesellschaften aus, die nicht sozialabgabenpflichtig sind. Außerdem gelten in den Sozialversicherungen die sogenannten Beitragsbemessungsgrenzen. In der Rente sind das rund 90.000 Euro im Jahr, in der gesetzlichen Krankenversicherung rund 62.000 Euro. Das heißt: Nur bis zu diesen Gehaltsgrenzen werden Sozialabgaben fällig, was darüber hinaus geht, ist abgabenfrei. Das nutzt vor allem den Gut-, Besser- und Spitzenverdienern Um gezielt sie zu treffen und Kleinanleger zu verschonen, müsste eine Koalition mit grüner Beteiligung also die Sparerfreibeträge und die Bemessungsgrenzen kräftig anheben.
Politisch war es lange Konsens, dass Beschäftigte stärker selbst fürs Alter vorsorgen müssen - im Idealfall, indem sie langfristig in Aktien, Fonds oder Anleihen investieren. Die FDP will langfristiges Sparen sogar entsteuern. Gefährdet Habecks Plan dieses Ziel?
Würde die Beitragsbemessungsgrenze nicht stark verändert oder gar ganz abgeschafft, warnt das Fachmagazin Capital, „würde dieser Vorstoß voraussichtlich vor allem kleinere und mittlere Einkommen belasten, die sich etwa mit ihrem Depot ihre private Altersvorsorge aufbauen.“ Ähnlich argumentiert auch die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre. Nach Berechnungen des Bundes der Steuerzahler hat ein durchschnittlicher Arbeitnehmer-Haushalt in Deutschland im vergangenen Jahr bereits 52,6 Prozent seines Einkommens an den Staat gezahlt. Von einem Euro an Arbeitseinkommen bleiben demnach 47,4 Cent übrig. 31,7 Cent entfallen auf Sozialabgaben, der Rest auf Steuern und Umlagen.

Linke Politik funktioniert solange wie man das Geld von den "Rechten" ausgeben kann...................................
Statt Polemik: Machen Sie doch einen Vorschlag, wie Arbeitslosen-, Renten- Kranken-,Pflegeversicherung bei immer draengenderen Luecken finanziert werden kann. Die "linke" Schweiz macht das schon a la Habeck's Idee.
So lange die sogenannten 'Rechten' immer gieriger werden auf das nicht vorhandene Geld in den Taschen der Bürgergeldempfänger, gute Frau Reissler ...............
Wie hieß es auch bei Corona so schön: Kann man nicht vergleichen. Die durchschnittliche Steuern- und Abgabenlast einer 4köpfigen Familie mit zwei Erwerbstätigen liegt in D bei rund 40 %, in der CH bei unter 20 %. Das heißt entweder, das eigentlich genug Geld da sein müsste oder dass es eine grundlegende Reform des Systems geben muss, dass deutlich über Symbolpolitik hinausgehen muss.
Nehmen wir mal an, die OECD hat recht, dann liegt Deutschland auf Platz 2 von 38 untersuchten Staaten. Siehe auch: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/oecd-studie-nur-dieses-eine-land-hat-hoehere-steuern-und-sozialabgaben-als-deutschland/100033375.html Da ist doch noch Luft nach oben.
Platz 2 bei Abgaben und Steuern betrifft nur Single. Bei Familien mit 2 Kindern sieht es schon wieder anders aus. Letztlich kommt noch dazu, dass sich bei uns für besonders gut Verdienende weitere Möglichkeiten ergeben um Steuern einzusparen. Im Übrigen wird sich die Steuerlast und Abgaben weiter erhöhen um die notwendigsten Investitionen in Infrastruktur, Bildung, Wohnen, Gesundheit, Klima- und Umweltschutz durchzuführen. Es glaubt keiner, dass dies mit Bürgergeldeinschränkungen und Asylfantasien zu meistern ist.
Ja - hätte ich der Deutlichkeit halber dazu schreiben müssen. Es ist jetzt müssig zu diskutieren ob Ehepaare mit 2 Kindern als Noprmalfall/Standardfall gesehen werden können... =:) Auf alle Fälle liegt Deiutschland so zwischen 8% und 13% über dem OECD-Schnitt.
Jeder freiwillig gesetzlich Versicherte zahlt schon immer Kranken- und Pflegekassenbeiträge auf alle Einkunftsarten, z.B. damit auch auf Kapitaleinkünfte oder Mieteinnahmen. Sogar dann, wenn er seit seinem ersten Arbeitstag, immer solidarisch, 40 Jahre lange ununterbrochen Mitglied der gesetzlichen Krankenkasse war. Das fehlt in diesem Artikel, liebe Redaktion!
Danke Herr Weidel, zudem möchte ich noch hinzufügen, dass es selbst bei normalen Rentnern zu Zuzahlungen in der GKV kommen kann sollten sie zusätzliche Einnahmen, egal woher, haben. Es ist in Teilen also schon Normalität. Ich zahle extra ca. 1,50 pro Monat an die GKV für eine durch Arbeitgeberwechsel liegen gebliebene betrieblich Altersvorsorge in Form einer Lebensversicherung, bei der kamen deshalb nur ca. 900,- zur Auszahlung bei Renteneintritt. Da greift die Kasse sofort für 10 Jahre zu.
Die Anpassung der Rente an die Demografie ist eine "Jahrhundertaufgabe". Zu deren Lösung tragen Schnellschüsse im Wahlkampf gewiss nicht bei. Eines aber ist meines Erachtens schon richtig: Auf Dauer kann die Rente nicht in erster Linie durch die Arbeit finanziert werden. Das hat Kurt Biedenkopf als einer der ersten erkannt. Sein Vorschlag: eine Grundrente. Sie sah vor, eine auskömmliche Alterssicherung aus Steuern zu finanzieren, und alles, was darüber hinausgeht, dem Einzelnen selbst zu überlassen. Anders als bei Beiträgen, wo man kleine Leute heranzieht und große ausklammert, hätten so auch starke Schultern zu tragen gehabt, ohne überfordert zu werden. Biedenkopf hatte einen klaren Kompass. Und der fehlt heute oft. Leider!
Sehr geehrter Herr Thürmer - Die Rente wird schon lange nicht mehr „in erster Linie aus Arbeit“ finanziert. 2023 flossen der Rente aus dem Bundeshaushalt 112.4 Mrd€ zu. Damit werden schon Heute vor allem die „starken Schultern“ zur Finanzierung der Rente herangezogen. Und wie kommen Sie darauf, dass die „Großen Leute“‚ausgeklammert werden? Wer nicht einzahlt, bekommt auch nix raus. Wer nicht einzahlt muss privat vorsorgen. Aber denen will die Grüne Jugend ja auch schon ans Portmonee.
Rund ein Viertel der Rente kommt aus dem Bundeshaushalt. (Vor langer Zeit habe ich mal grob nachgerechnet und festgestellt, dass das damals in etwa den sogenannten versicherungsfremden Leistungen entsprach.) Rund drei Viertel der Rente werden über Beiträge finanziert. Mein Punkt war: Sozialversicherungsbeiträge sind die "Steuern des kleinen Mannes" (neben der Mehrwertsteuer). Geringverdiener zahlen häufig keine Einkommensteuer. Wichtig ist auch: Die Grundrente liegt im eher niedrigen Bereich. Die Höhe des Finanzierungsvolumens wäre deshalb niedriger als heute. Thema ist sehr komplex. Eignet sich nicht für Wahlkampf. Im Übrigen gehöre ich nicht zur Grünen Jugend.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden