Wenn die Igel im Garten tanzen
Igel sind eigentlich Einzelgänger. Bei der Paarung finden sie zusammen, was aber dauert. Damit das ohne Verletzungen abläuft, treffen sie Vorsichtsmaßnahmen.
Freunde luden Anfang August zum Abendessen im Garten ein. Unterm Zwetschgenbaum hatten sie eine schöne Tafel hergerichtet, es gab selbst geernteten Salat und außerdem viel zu lachen, was in Zeiten wie diesen durchaus erwähnenswert ist. Es war gegen 22 Uhr, als ich aus der Wiese hinterm Tisch eine Art Grunzen und Schmatzen hörte. Mit der Handy-Taschenlampe durchleuchtete ich das hohe Gras und das verwilderte Beet daneben.
Plötzlich erkannte ich das Wesen mit den schlechten Tischmanieren im Lichtkegel: Ein großer, kugelrunder Igel streckte mir sein Schnäuzchen entgegen und nahm meine Witterung auf. Igel können besonders gut riechen und orten Futterquellen oder Artgenossen vorwiegend über die Nase. Ihre Sehleistung ist hingegen nicht besonders gut. Ich freute mich über die Begegnung, wollte den stacheligen Gartenbewohner gleich wieder in Ruhe lassen, als es neben mir erneut raschelte: ein zweiter, noch größerer runder Igel!
Die meisten Igel werden im September geboren
Da Igel strenge Einzelgänger sind, konnte das nur eines bedeuten: Hier musste ein Hochzeitstanz im Gange sein. Ich rechnete schnell nach: Die meisten Igelkinder kommen im September auf die Welt. Zieht man die Trächtigkeitsdauer von 35 Tagen ab, passt die Paarung im August. Ein schneller Schnappschuss, dann verzog ich mich wieder. Man will ja in so einer privaten Angelegenheit nicht stören.
Bevor es zur Sache geht, muss sich das Igelmännchen ordentlich um die Angebetete bemühen. Es umkreist das Igelweibchen oft stundenlang. Fachleute nennen die Show „das Igel-Karussell“. Das Weibchen ziert sich lange, es stößt das Männchen mit aufgestellten Stirnstacheln immer wieder von sich weg. Ist Frau Igel überzeugt, dass der Bewerber der Richtige für sie ist, bringt sie sich für die Paarung in Stellung. Aber wie schafft das Männchen die Begattung, ohne nachher mit schweren, blutenden Stichverletzungen am Bauch dazustehen? Frau Igel trifft Sicherheitsmaßnahmen und legt ihre Stacheln ganz eng an den Körper an.
Igel fressen Insekten – aber auf keinen Fall Obst
Apropos Stacheln: Es sind beim ausgewachsenen Igel 6000 bis 8000 Stück und jeder verfügt über einen eigenen Muskel in der Haut, mit dem er bewegt werden kann. Forscher im 19. Jahrhundert waren davon überzeugt, die Stacheln hätten den Zweck, am Boden liegende Früchte aufzuspießen. Sie dachten, Igel würden das Obst sammeln und ins Nest nehmen, um es dort in Ruhe zu verspeisen. Man stelle sich einen Igel vor, der mit einem Obstsalat im Stachelkleid durch den Garten spaziert! Heute sind wir klüger. Igel fressen Insekten, Schnecken und gerne Ohrenschlürfer, auf keinen Fall aber Obst. Knabbern sie an einem Apfel, dann nur, weil darin Insekten versteckt sind. Hier ein Tipp für eine stärkende Igel-Mahlzeit: 50 g Katzendosenfutter, 25 g Rührei und 25 g angebratenes Rinderhack.
Zur Person: Tanja Warter ist Tierärztin und verknüpft seit Jahren die Leidenschaft für die Tiermedizin mit dem Spaß am Schreiben.
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