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Welche Leistungen gibt es bei welchem Pflegegrad: So arbeiten die Gutachter

Pflege

So bekommen Pflegebedürftige Leistungen von der Pflegekasse

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    Wer Hilfe braucht, sollte sich nicht scheuen, einen Pflegegrad zu beantragen.
    Wer Hilfe braucht, sollte sich nicht scheuen, einen Pflegegrad zu beantragen. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    Ein Sturz, ein Schlaganfall, ein Unfall – Pflegebedürftigkeit kann von heute auf morgen da sein. Meist kommt sie aber schleichend, und Betroffene oder ihre Angehörigen merken, dass immer mehr Unterstützung im Alltag nötig ist. Dann ist ein guter Zeitpunkt, um sich Hilfe zu holen. Wie man einen Pflegegrad beantragt und welche Fallstricke es gibt:

    Was ist ein Pflegegrad und wie beantragt man ihn?

    Nur wer einen Pflegegrad hat, bekommt von der Pflegekasse auch Leistungen. Ein Beispiel dafür ist das Pflegegeld. Das bekommen alle mit Pflegegrad 2 bis 5, die sich dafür entscheiden, sich statt von einem ambulanten Pflegedienst von Angehörigen versorgen zu lassen. Die Höhe variiert je nach Pflegegrad und liegt zwischen 347 Euro und 990 Euro im Monat. Um in das System zu kommen, müssen Patientinnen und Patienten zunächst bei ihrer Pflegekasse einen Antrag auf Pflegeleistungen stellen. Die zuständige Pflegekasse ist grundsätzlich bei der jeweiligen Krankenversicherung angesiedelt.

    Wie wird der Pflegegrad festgelegt und welche Stufen gibt es?

    Sobald der Pflegeantrag gestellt ist, beauftragt die Pflegekasse den Medizinischen Dienst der Krankenkassen mit einer Pflegebegutachtung. Bei Privatversicherten ist dafür der Gutachterdienst Medicproof zuständig. In beiden Fällen werden sich dann eine Pflegefachkraft beziehungsweise eine Ärztin oder ein Arzt zu einem Hausbesuch anmelden. Deren Aufgabe ist es einzuschätzen, ob und in welchem Umfang die Person, die den Pflegeantrag gestellt hat, in ihrer Selbstständigkeit beeinträchtigt ist. Das entscheidet über die Einstufung in einen von fünf Pflegegraden. Die Pflegekasse muss eine Pflegeberatung innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Antragsstellung ermöglichen.

    Wie läuft der Hausbesuch der Gutachter ab?

    Die Experten gehen mit den Betroffenen einen festgelegten Fragenkatalog mit 64 Fragen durch. Felizitas Bellendorf von der Verbraucherzentrale NRW in Düsseldorf erklärt die Hintergründe so: „Damit wollen die Expertinnen und Experten herausfinden, inwieweit Betroffene körperlich, psychisch oder geistig eingeschränkt sind und welchen Unterstützungsbedarf sie in ihrem Alltag haben.“ Der Gutachter oder die Gutachterin vergibt abhängig vom Ergebnis der Fragen jeweils Punkte. Aus ihnen wird dann der Pflegegrad berechnet.

    Was wird vom Gutachter oder von der Gutachterin genau geprüft?

    Ulrike Kempchen von der Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen in Bonn sagt, worauf es den Experten ankommt: „Die Fachleute nehmen sechs Lebensbereiche, auch Module genannt, ins Visier und erfassen dabei erkennbare körperliche, geistige und psychische Einschränkungen.“ Um diese sechs Bereiche geht es dabei:

    • Mobilität: Kann die Person etwa allein von einem Stuhl aufstehen, sich selbstständig im Liegen drehen, sich allein fortbewegen?
    • Kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Hier geht es darum, ob eine Person geistig in der Lage ist, etwas zu verstehen - und auch zu sprechen. Kann sie ihre Wünsche und Bedürfnisse verständlich äußern? Kann sie sich etwa selbstständig und dem Wetter angepasst anziehen?
    • Verhalten und psychische Probleme: Ist die Person aggressiv, läuft sie ziellos herum? Beleidigt sie andere oder schlägt sie? Ist sie depressiv?
    • Sich selbst versorgen: Ist die Person in der Lage, sich selbst zu versorgen - also etwa zu duschen oder zu essen?
    • Umgang mit Krankheiten: Kann die Person ärztlich verordnete Maßnahmen, etwa das Einnehmen von Medikamenten, selbstständig umsetzen?
    • Alltagsleben und soziale Kontakte: Kann die Person ihren Alltag selbstständig gestalten - etwa Einkäufe erledigen, Kontakte zu Bekannten und Nachbarn pflegen?

    Kann man sich auf die Pflegebegutachtung vorbereiten?

    „Man sollte sich im Vorfeld genau überlegen, wo genau man eingeschränkt ist und wobei man Hilfe braucht“, rät Kempchen. Hilfreich kann sein, vorab ein Pflegetagebuch zu führen, in dem man den Pflegeaufwand im Alltag festhält. Vorlagen dafür gibt es im Internet. Für eine erste Einschätzung, auf welchen Pflegegrad die Pflegebegutachtung hinauslaufen könnte, können Betroffene einen Rechner der Verbraucherzentralen nutzen: www.verbraucherzentrale.de/pflegegradrechner.

    Bei dem Termin selbst sollte man laut Bellendorf einige weitere Unterlagen parat haben. Dazu zählen etwa, falls vorhanden, aktuelle Arztbriefe, ein Entlassungsbericht vom Krankenhaus beziehungsweise von der Reha-Einrichtung, Pflegedokumentation (wenn die Person bereits von einem ambulanten Pflegedienst versorgt wird), Medikamentenplan, Schwerbehindertenausweis und eine Liste mit schon genutzten Hilfsmitteln wie Hörgerät oder Rollator.

    Wie offen sollte man mit den Gutachtern reden?

    „Bei der Pflegebegutachtung sollten unbedingt Angehörige dabei sein“, rät Ulrike Kempchen. Sie könnten oft klarer und sachlicher Auskunft über die Pflegebedürftigkeit geben als der oder die Betroffene selbst. „Hinzu kommt, dass der Patient oder die Patientin beim Begutachtungstermin oft aufgeregt ist“, sagt auch Bellendorf. Da tut es gut, mindestens eine vertraute Person an seiner Seite zu wissen. Sonst steige die Gefahr einer fehlerhaften Selbsteinschätzung. „Betroffene versuchen nicht selten, aus Scham heraus sich so perfekt wie möglich darzustellen“, sagt Kempchen. Dann werde womöglich etwa verschwiegen, dass der Toilettengang ohne Hilfe nicht mehr klappt. Andere wiederum neigten dazu, „den sterbenden Schwan zu mimen, obwohl dies nicht unbedingt den Tatsachen entspricht“, so Bellendorf. Am besten bleibe man auf dem Mittelweg und schildere seine Situation ehrlich - und ohne falsche Scham.

    Die Pflegekasse hat 25 Arbeitstage Zeit, um über den Pflegegrad zu entscheiden. Auf Wunsch erhalten Betroffene das Gutachten zugeschickt. Wenn man mit der Einstufung nicht einverstanden ist, kann man gegen den Bescheid Widerspruch einlegen. „Dann erfolgt eine sogenannte Zweitbegutachtung durch eine andere Gutachterin oder durch einen anderen Gutachter“, sagt Kempchen. Am besten begründet man schon in seinem Widerspruch schlüssig, warum das Gutachten die Pflegesituation falsch einschätzt und ein anderer Pflegegrad angemessen wäre. (Sabine Meuter/dpa, maz)

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