Den „Oh-mein-Gott!!!“-Schrei von Praktikantin Patricia werde ich wohl nie vergessen. Eine Dame war soeben mit einem jungen Pomeranian auf dem Arm zur Tür hereingekommen – und um Patricia war es geschehen. Sie konnte gar nicht mehr aufhören, den Winzling zu streicheln und zu knuddeln. „Schockverliebt“, so nannte sie ihren Zustand. Aber was für eine Rasse ist das eigentlich genau mit den dunklen Knopfaugen, dem scheinbar lächelndem Schnauzerl und dem wuschelig-kuscheligem Fell?
„Pomeranian“, so tauften die Briten diese Rasse, weil die kleinen Hunde ursprünglich aus der Region Pommern im heutigen Polen stammen. Die englische Bezeichnung hat sich inzwischen auch bei uns eingebürgert. Der deutsche Name für den Pomeranian ist „Zwergspitz“.
Spitze dienten früher vor allem als Wachhunde. Um Haus und Hof zu beschützen und Fremde zu verbellen gab und gibt es Groß-, Mittel- und Kleinspitze. Erst später kam mit dem Wunsch nach Mini-Hunden der Zwergspitz dazu. Die ersten von ihnen tauchten in Deutschland in den 1960er Jahren auf. Damals stießen sie aber allgemein auf wenig Zuneigung.
Hunde sollten plötzlich in die Handtasche passen
Das hat sich grundlegend verändert. Vor fast 20 Jahren wurde es immer mehr Mode, kleine Hunde nicht mehr an der Leine auszuführen, sondern sie einfach in die Handtasche zu stecken. Das war schick und führte in der Folge zu Züchtungen, die immer kleiner und leichter wurden. Ein Zwergspitz vor 20 Jahren brachte immerhin noch drei bis vier Kilogramm auf die Waage, was etwa dem Gewicht einer Katze entspricht. Heute sind Hunde mit einem Gewicht von 1,5 bis zwei Kilogramm keine Seltenheit mehr. Inzwischen spricht man bei den kleinsten Exemplaren von „Teacup“-Hunden. Also von Hunden, die in eine Teetasse passen.
Auch, wenn das (noch) nicht Realität ist, so beschreibt es den Trend zur Winzigkeit. Die Beinchen ganz kleiner Chihuahuas sind schmal wie ein menschlicher Zeigefinger, auf den Rippen haben sie so gut wie gar nichts und wenn sie aus der Handtasche genommen werden, zittern die oft wie Espenlaub. Solche Super-Miniaturzüchtungen werden in Expertenkreisen längst als Tierquälerei eingestuft, denn Größe hat massive Folgen für das Sozialleben der Tiere. Längst können die winzigen Hündchen nicht mehr mit anderen Hunden spielen. Ein Stupser mit der Pfote eines Golden Retrievers kann für einen 1,5 Kilogramm-Winzling tödlich sein. Darum gelten extrem kleine Hunde als „Qualzucht“. Sie können kein hundegerechtes Leben mehr führen.
Die Tiere müssen leiden
Noch mehr ist im Zuge der Überzüchtung passiert: Es gibt Minihunde, die so viel Fell haben (je mehr, desto kuscheliger), dass ihnen schon bei normalen Innenraumtemperaturen zu heiß wird und sie zum Ausgleich ständig hecheln müssen, um nicht zu kollabieren. Es gibt solche, bei denen die Kniescheiben immer herausspringen, solche, die genetisch bedingten Haarausfall bekommen und wirklich viele, die heftige Zahnprobleme haben.
Dass hervorstehende Augen, die für Menschen so putzig aussehen, anfällig für Verletzungen und Entzündungen sind, dürfte jeder nachvollziehen können. Und weil die Ultrakleinen populär und deswegen teuer sind - Anschaffungspreis um die 2000 Euro -, kommen trotz Verbots viele genetisch kranke, aber günstigere Hunde aus dem Ausland zu uns.
Wegen ihres putzigen Gesichts, das dem eines Fuchsbabys ähnelt, erobern Pomeranians so viele Herzen im Sturm. Chihuahuas der etwas größeren Gewichtsklasse sind aufgeweckte und teils sogar recht wehrhafte Hündchen, doch durch ihre Schrumpfung zum lebenden Modeaccessoire sind die Zwergerl in vielerlei Hinsicht arm dran. Ein Boom, der oft zu Leid bei den Tieren und zu großem Kummer bei Menschen führt. Ein Gewicht von drei Kilogramm sollte die absolute Untergrenze sein.
Zur Person: Tanja Warter ist Tierärztin und verknüpft seit Jahren die Leidenschaft für die Tiermedizin mit dem Spaß am Schreiben.
Ich nenn das ganz einfach Zwangszüchtungen; eigentlich nicht richtig lebensfähig gegen alle Naturgesetze. Oft nur kleine nervige Kläffer. Derweil in Tierheimen viele robuste oft leicht zu handhabende Hundemischlinge auf ein neues Zuhause warten.
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