
Ein Günzburger lässt aus Menschenhaar Kunstwerke entstehen

Plus Der Günzburger Rudolf Kombosch beherrscht eine fast vergessene Technik: Er kann Bilder aus echtem Menschenhaar anfertigen. Wo seine Anfertigungen zu sehen sind.
Auf dem Tisch liegt eine kunstvoll gefertigte antike Uhrkette. Aus welchem Material sie hergestellt ist, fällt zunächst nicht auf. Rudolf Kombosch, unter anderem auch leidenschaftlicher Sammler von religiöser Volkskunst und Klosterarbeiten, klärt auf: „Aus Haaren.“ Eine Uhrkette aus Haaren? Das klingt skurril, fast gruselig. Das Herstellen von Schmuckstücken aus Menschenhaar ist ein alter Brauch, der im 19. Jahrhundert seinen Höhepunkt erlebte.
Beliebt waren auch Ringe, Armbänder oder Ohrschmuck, beispielsweise als Geschenk zur Verlobung oder zur Hochzeit, aber auch als Freundschaftsgeschenk. „Haare sind unglaublich stabil, elastisch und sie verlieren ihre Spannkraft nicht“, fährt der Günzburger fort. Haare symbolisierten Lebenskraft.
Rudolf Kombosch hat Haarbilder gesammelt
Er erinnert an die Geschichte von Samson, der sämtliche Kraft verlor, als man ihm die Haare abgeschnitten hatte, nachdem Dalila ihn verraten hatte. Manche glaubten sogar, die Haare würden nach dem Tod noch weiterwachsen, so der 58-Jährige.
Rudolf Kombosch hat eine Zeit lang nicht nur Schmuck aus Haaren gesammelt, sondern auch Haarbilder. Einige davon hat er sogar selbst hergestellt. Auslöser sei die Begegnung mit einer Frau gewesen, die dieses Handwerk beherrscht und ihm die Grundtechnik gezeigt habe. „Mich hat das fasziniert“, sagt er.
Die Haare werden mit einer Nadel zu Schlaufen gelegt
Als Handwerkszeug dient eine gleichmäßig glatte Nadel, am besten eine Sockennadel. Die Haare werden dabei zu Schlaufen gelegt und mit einem dünnen braunen Draht fixiert. „Durch die verschiedenen Nadelstärken, von extrem dünn bis extrem dick, lässt sich vieles gestalten“, erklärt Kombosch. Das sind vor allem florale Bildelemente, wie Blumen oder Blüten.

In einem der hinter Glas gerahmten Haarbilder aus seiner Sammlung befindet sich in der Mitte eine alte Schwarz-Weiß-Fotografie, umrahmt von kunstvoll gefertigten Gebilden aus Haaren. Auf diese Weise war eine verstorbene Person in zweifacher Hinsicht präsent: zum einen auf dem Foto, zum anderen mit den Haaren als Teil von ihr. Andere Bilder zeigen zusätzlich eine Trauerweide oder einen Grabstein mit einer Jahreszahl.
Einem Verstorbenen wurden nie die Haare abgeschnitten
Ein weiteres Haarbild wirkt besonders aufwendig hergestellt, auch die Technik ist eine andere: Die Haare darin sind geklebt, in Form von Palmwedeln umrahmen sie ein Medaillon. Man sehe, wie die Leute, versucht hätten, sich gegenseitig zu übertreffen, so Kombosch. „Aber es wurden nie einem Verstorbenem Haare abgeschnitten.“
Eine Zeit lang fanden sich seine aus Haaren gefertigten Kunstwerke nicht hinter Glas, sondern in Ostereiern. Rudolf Kombosch verwendete dafür Enten- oder Gänseeier – auseinandergeschnitten und mit einem Scharnier versehen zum Aufklappen – und ging damit regelmäßig auf Ostereiermärkte.
Rudolf Komboschs Großeltern hatten ein Friseurgeschäft
Er lacht und sagt: „Nicht besonders lukrativ, aber es war schön herumzukommen und ich bin mit vielen Leuten zusammengekommen.“ Die Reaktionen aber seien sehr unterschiedlich gewesen und hätten von „Um Gottes willen“ bis hin zu anerkennender Faszination gereicht. Auf die Frage, wo er denn die ganzen Haare herbekommen habe, muss er wieder lachen. „Meine Großeltern mütterlicherseits hatten ein Friseurgeschäft in Memmingen.“

Haararbeiten hat Rudolf Kombosch seit Längerem nicht mehr angefertigt. Bei der Auftaktveranstaltung von „Bürger forschen“ im Oktober im Günzburger Forum am Hofgarten aber ließ er sich dabei über die Schulter schauen. Das Projekt soll wegen des Lockdowns verlängert werden und wenn das Forum wieder öffnen darf, kann vielleicht ein Teil seiner „haarigen Kunst“ in einer Vitrine dort besichtigt werden.
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