
Richtige Auwälder sind selten geworden

Professor Jörg Hemmer über den Spagat zwischen Nutzung und Naturschutz an der Donau
Leipheim Als die Volkshochschule Günzburg-Leipheim zusammen mit Professor Dr. Jörg Hemmer, Biologe an der Uni Ulm, den Vortrag „Die Auwälder der Donau“ plante, da ahnte noch niemand etwas von dem bevorstehenden Jahrhunderthochwasser in diesem Sommer. Welche Brisanz in diesem Thema steckt, das wurde an den zahlreichen Zuhörern deutlich, die zu dem Vortrag in den Leipheimer Zehntstadel kamen. Noch vor wenigen Monaten hatten die Leipheimer die Hochwasserfolgen zu spüren bekommen, als der Wasserhahn zeitweise trocken blieb und das Leitungswasser abgekocht werden musste – verglichen mit den Hochwasserschäden an der unteren Donau eine noch relativ kleine Einschränkung.
Der Referent Jörg Hemmer, Wissenschaftler und begeisterter Naturfotograf, wohnt in Nersingen. In einer eindrucksvollen Kartenabbildung von Nersingen aus dem Jahr 1651 konnte er belegen, dass die Menschen früherer Jahrhunderte die Siedlung an den Flussläufen der Donau mieden und lieber die Hochterrassen bevorzugten – ein natürlicher Hochwasserschutz. Dies galt auch für die Donaustädte Leipheim und Günzburg, die heute noch ihre Siedlungsschwerpunkte in der Oberstadt haben.
Mit einer Kartenabbildung von 1830 präsentierte Hemmer die damals noch gewundene Donau mit ihren Mäanderschleifen, durchzogen von der geplanten Begradigungslinie. Was war das Ziel dieser Planung? Man wollte zusätzliches Ackerland gewinnen und die Donau schiffbar machen, was jedoch der zeitnahe Eisenbahnbau verhinderte. Die Konsequenzen: Stauwehre entstanden, um die Fließgeschwindigkeit der Donau zu reduzieren. Sie wurde in ein Bett zwischen Staudämmen gezwängt – mit dramatischen Folgen für den Auwald.
Hemmer konnte an noch vorhandenen Beispielen demonstrieren, wie ein richtiger Auwald auszusehen hat: ein Auwald mit einer direkten Verbindung zwischen Wasser und Uferzonen, die aus Kiesbänken, aus Weichholzstreifen mit Weiden und aus Hartholzzonen mit Eichen und Eschen gebildet werden und – das ist wesentlich – die regelmäßig geflutet werden. Er sagte: „Natürliche Flüsse verbinden Wasser und Land, Dämme trennen.“ Was wir also landläufig als Donauwald oder Donau-Aue bezeichnen, ist im rein biologischen Sinn gar keine richtige Aue mehr. Hemmer bezeichnet die Donau sogar als „ökologische Leiche“. Dennoch wollte der Referent den Zuhörern nicht die Freude an ihrer Heimatlandschaft nehmen und präsentierte brillante Aufnahmen der Fauna und Flora in den noch existenten Donauwaldbereichen.
Hemmer stimmte durchaus der wirtschaftlichen Nutzung des Donauwalds zu, die es immer schon gab. Er weiß aber um den Konflikt zwischen Ökonomie und Naturschutz und wünscht sich neben der ökonomischen Nutzung mehr und vor allem größere Naturschutzbereiche mit alten Bäumen und Totholz, um die noch vorhandene Artenvielfalt zu sichern. (zg)
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