
Drei Musiker, vier Instrumente, eine Explosion

Ein Münchner Instrumentaltrio wertet im Leipheimer Zehntstadel Retrohits auf ganz besondere Weise auf.
Ganz schön heiß, dieser Donnerstag-Hammer bei den Tastentagen. Ohren- und augenscheinlich ein „magic evening“. Mit zentnerschwerem Instrumentalmaterial im Gepäck sind sie angereist, Hansi Enzensberger, der Keyborder, der trommelnde Wirbelwind Manfred Mildenberger und Ludwig Klöckner, Elektrobassist. „Vintage-Krassnomaten“ nennen sie sich, bezogen auf ihre Kultinstrumente aus längst vergangener Zeit.
Einer legendären Hammondorgel B3, aus den 60er-Jahren, mit rotierendem Lautsprechersystem, einem Keyboard nicht viel jüngeren Datums, dem Aussehen nach frisch vom Trödelmarkt, Bassgitarre und Drums sind zwar leichter, aber ebenso nostalgisch angekränkelt. Vor sieben Jahren haben sie zusammengefunden, als Studenten, im Umfeld der Münchner Musikhochschule, gründeten fix das Trio „Organ Explosion“, suchten leidenschaftlich in den Schatzkästchen musikalischer Retrobestände nach Grufties, die sich durch Jazz, Rock, Groove und Punk zu popkulturellem Sound mit Explosionspotenzial aufwerten ließen. Klingt gefährlich.
Ist es auch, wenn es, wie gehört und gesehen, zu zweistündiger Permanentexplosion wird, die solch faszinierende Avantgarde-Energie entwickelt und freisetzt, die das Publikum buchstäblich von den Sitzen reißt. Natürlich spielen sie zum höheren Zwecke der Musik, aber auch, und das ist durchaus gestattet, fürs Ego. Lassen Inspiration und Gefühlen freien Lauf. Ziehen jedes Stück so lange durch die Deutungsweise ausgefuchster Soul- und sonstiger Rock-, Jazz- und Bluestableaus, bis die Improvisationspotenz ins Schwitzen kommt und der fulminante Höhenflug nach frischem Atem giert. Schon Mildenbergers anfängliche Schlagzeug-Impressionen, eine Eigenkreation, entwickeln sich zu furios getrommelten Achterbahnreißern und lassen erahnen, wie’s weitergeht. Beeindruckend wie punktgenau die drei ihr Zusammenspiel koordinieren, wie sie gemeinschaftlich und energiegeladen im Turbomodus sich zu greller Größe auftürmen mit klangberauschtem Knalleffekt.
Die Titel sagen wenig aus, werden ohnehin nur sparsam angekündigt. Die Richtung ist klar, der Rest wird improvisiert. Cool, wie der Schlagzeuger zum Reggae Jam mit melodischer Raffinesse klimpert, klopft und klöppelt, wie Mildenberger Hammondorgel und E-Klavier gleichzeitig bedient und der E-Bassist seine beiden Mitspieler, durch Kopfdirigieren, auf Kurs Retro-Rockability hält. Flötengeblasenes Verzierungsschmeicheln schafft kurzfristige Ablenkung, bevor a tempo wieder enthusiastische Fahrt zu knackigem Groovesound, zu hypertonal superscharfem Future-Funk aufgenommen wird.
Dann, abseits von evergreenhaltigem Folk-Hop und Neo-Pop, ein furchtlos langer Blick ins Innerste der Italy-Mafia. Der Keyborder spielt die Patenrolle, brillantgeschliffen, auf rasanten Tasten. Der Drummer ploppt Akzente dunkel-düsterer Untergrundatmosphäre als Background. Eine kräftige Prise Groovesound weht über die Prärie, wenn die Apachen mit furiosen Ritten, zu Hochgeschwindigkeits-Showdowns auf Tasten und Drums, auf Kriegspfad gehen, oder im Kampfgeheul auf Skalpjagd. Letztendlich aber lässt der Schlagzeuger seinen Stock fallen. Ladegehemmter Bärentöter oder erkaltete Friedenspfeife? Egal. Der große Manitu hat gesprochen. Howgh!
Als zugabepflichtiges Finale bietet sich Caterina Valentes abschiedshaltiger Softnesshit „Quando, quando, sag mir wann …“ an, zu einer rasant piano-groovenden Frischzellenkur komplex verdichteter Rock- und Popästhetik. Wow!
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