Nadja Root ist auf dem Sprung, als sie den Anruf entgegennimmt. „Puh, wie es mir geht?“, sie schnauft kurz durch und überlegt. „Ich bin aufgeregt, wütend, habe gemischte Gefühle“, sagt sie dann. Sie nimmt sich kurz Zeit, will aber gleich wieder losfahren in Richtung Lauingen. An die Stelle der Donau, wo sie ihren vermissten Sohn vermutet – und inzwischen auch einen konkreten Hinweis darauf hat. Am Samstag haben Taucher im Rahmen einer privaten Suchaktion einen Stiefel in der Donau gefunden.

Denis‘ Mutter hat neue Hoffnung geschöpft. Wobei, so richtig aufgegeben hatte sie diese nie, sagt sie. „Loslassen konnte und wollte ich nicht.“ Immer wieder stellt sie sich seit dem Verlust ihres Sohnes vor, dass dieser eines Abends durch die Wohnungstür nach Hause kommt. Dass er seine Stiefel auszieht, seine Feuerwehruniform ablegt und sich zu ihr aufs Sofa setzt. Es war das erste Juniwochenende 2024, als der damals 22-jährige Denis als Feuerwehrmann im Hochwasser im Einsatz war und nie zurückkehrte. Die Fluten der Mindel brachten das Rettungsboot zum Kentern. Seine Kollegen konnten sich retten, doch der junge Mann tauchte nicht mehr auf. In den Wochen danach fahndeten private Suchtrupps und die Polizei intensiv nach dem inzwischen 23-Jährigen, ohne Erfolg. Anfang Dezember teilten die Polizei und das Innenministerium der verzweifelten Familie von Denis‘ dann mit, dass die Behörde ihre Suchaktionen einstellen würde. Die Einsatzgruppe würde sich erst wieder an der Suche beteiligen, wenn ein konkreter Hinweis auf den Verbleib des Feuerwehrmannes auftaucht. Nach einer der „bis dato aufwändigsten Vermisstensuchen in Bayern“ seien alle Optionen ausgeschöpft gewesen, wie das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West damals mitteilte.
Vermisster Feuerwehrmann: Nach Fund des Stiefels nimmt die Polizei die Suche wieder auf
„Wir haben aber auch gesagt, dass wir die Suche sofort wieder aufnehmen, wenn sich neue Erkenntnisse ergeben oder es neue Hinweise gibt“, betont Sprecherin Magdalena Buchmiller am Donnerstag. Der Fund des Stiefels sei „etwas Konkretes“. Die Taucher, die Nadja Root selbst engagierte und die freiwillig weitersuchten, waren auch in diesem Jahr immer wieder im Einsatz. „Jede Woche, immer wenn jemand Zeit hatte“, erzählt die Mutter. „Die Taucher hatten vor einigen Tagen mit einer Unterwasserdrohne ein fast acht Meter tiefes Loch kurz nach der Staustufe entdeckt“, so Root. „In diesem Loch sah es aus wie eine große Müllhalde.“ Unter anderem war dort ein Stiefel zu sehen.
Am vergangenen Samstag startete dann noch einmal eine größere Suchaktion nach Kleidungsstücken von Denis. Bis diese möglich war, mussten jedoch Genehmigungen vom Landratsamt und von der LEW als Betreiber des Kraftwerks Lauingen eingeholt werden. Einfach so mit einem Boot auf die Donau fahren und tauchen, darf man in Deutschland natürlich nicht, so die Gundelfingerin. Als alles genehmigt war, zogen die Helfer los – und konnten den Schuh sicherstellen. „Wir haben natürlich sofort die Polizei informiert“, sagt Denis‘ Mutter.

Die Polizei ist seit Mittwochmorgen in der Nähe der Staustufe vor Ort. 15 Taucher, die aus Dachau, München und Nürnberg angereist sind, wechseln sich bei der Suche am Grund der Donau ab. Bis zum Abend tasten sie sich Zentimeter für Zentimeter vorwärts. Am Donnerstag setzen sie ihre Arbeit fort. „Etwas Sinnvolles und für den Fall Relevantes“ hätten sie leider noch nicht entdeckt, berichtet Einsatzleiter Benjamin Weber. Bei einem Stück eines Kajakpaddels sei kurz Hoffnung aufgekeimt, es habe aber wohl einem Kind gehört. Am Donnerstagabend um 17 Uhr teilt er dann mit: Die Suche ist beendet, ohne Erfolg. Die Taucher reisen wieder ab.
Gehört der Stiefel dem vermissten Feuerwehrmann Denis? „Kleines Fünkchen Hoffnung“
An dieser Stelle war die Polizei Buchmiller zufolge bereits im vergangenen Jahr im Einsatz, damals aber nicht mit Tauchern, sondern mit einem Sonargerät. Dieses habe jedoch nichts Entscheidendes am Grund ausfindig gemacht. Ob der Stiefel zu diesem Zeitpunkt schon in den Tiefen des Flusses gelegen habe und nur unentdeckt blieb oder ob er erst später angeschwemmt worden sei, könne wohl nie beantwortet werden. Dass der Stiefel tatsächlich dem verschollenen Feuerwehrmann zugeordnet werden kann, sei bisher nur ein Verdacht, „ein kleines Fünkchen Hoffnung“, drückt es Magdalena Buchmiller aus. „Das heißt aber noch lange nicht, dass es wirklich sein Stiefel war.“ Dieser werde derzeit von Spezialisten des Landeskriminalamts untersucht. Daran noch DNA-Spuren zu finden, sei nicht ausgeschlossen. Ein Ergebnis werde es in dieser Woche sicher nicht mehr geben, betont die Sprecherin.

Für Denis‘ Familie ist es wahrscheinlich, dass es sein Stiefel war, auch wenn sie es ohne DNA-Ergebnis nicht eindeutig wissen. „Ich habe mich immer gewundert, warum sein Paar Feuerwehrschuhe während des Einsatzes zu Hause im Schrank war“, sagt Nadja Root. Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. „Als ich es gehört habe, dass ein großer Stiefel gefunden wurde, war mir klar: Der Denis hatte so einen an!“ Denn er hatte zwei Paar – eins davon speziell für Hochwasser geeignet. Sie fragte bei Denis‘ Kollegen von der Offinger Feuerwehr nach, die bestätigen konnten, dass Denis einen solchen Stiefel trug. Auf dem Schuh ist ein Feuerwehrlogo – kein spezielles aus Offingen allerdings.

Gefundene DNA gehört nicht zum vermissten Denis aus Offingen
Am Freitagmittag teilt die Polizei die neuesten Erkenntnisse der mehrtägigen Suchaktion mit. So handelt es sich nach Angaben der Beamten bei der gefundenen DNA am Stiefel nicht um die des vermissten Feuerwehrmanns aus Offingen. Im Rahmen der polizeilichen Suchmaßnahmen konnten zwar mehrere Gegenstände in der Donau aufgefunden und geborgen werden, diese seien jedoch ebenfalls nicht Denis zuzuordnen. Die Suchmaßnahmen im Bereich der Staustufe wurden am Donnerstag somit abgeschlossen. Es hätten sich keine neuen Erkenntnisse zum Verbleib des Vermissten ergeben, heißt es seitens der Polizei.
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