
Wie Bonnie und Clyde: Zum Geldeintreiben fuhren sie von Neu-Ulm in die Schweiz

Plus Wie ein Gangsterpaar sollen sich ein junger Mann und seine Partnerin Geld beschafft haben. Zum Prozessauftakt spricht die Frau über ihre Rolle als Fahrerin.

Ihr Chatname war Bonnie und auch übers Internet tauschte sich die junge Frau mit ihrem früheren Lebenspartner über ihre Geldsorgen und mögliche Lösungen aus. Wie das berühmte Gaunerpärchen Bonnie und Clyde sollen sie krumme Dinge geplant und sich später auch auf kriminellem Wege und unter Anwendung von Gewalt hohe Geldsummen besorgt haben. Eine ganze Reihe von Vorwürfen erhebt die Staatsanwaltschaft gegen die 24-Jährige und ihren 23 Jahre alten früheren Partner. Am Donnerstag hat vor dem Schöffengericht am Landgericht Memmingen der Prozess gegen die beiden sowie gegen einen 25 Jahre alten Angeklagten begonnen. Die beiden Männer wollten sich vorerst nicht zur Sache äußern. Die sichtlich aufgewühlte Angeklagte jedoch schilderte, wie sie von Neu-Ulm nach Ehingen und nach St. Gallen in der Schweiz fuhren, um Geld einzutreiben.
Gemeinschaftlichen erpresserischen Menschenraub mit gemeinschaftlicher schwerer räuberischer Erpressung und mit gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung legt die Staatsanwaltschaft der jungen Frau und dem 23-Jährigen, mit dem sie eine Zeit lang zusammen in einer WG in Neu-Ulm lebte, zur Last. Weitere Straftaten kommen bei beiden laut Anklage noch hinzu, bei ihm unter anderem räuberische Erpressung. Zudem soll er Kreditkarten gefälscht und verursacht haben, mit gefälschten Unterschriften Überweisungen zu tätigen. Der 24-Jährigen wird unter anderem noch Beihilfe zum gemeinschaftlichen schweren Raub vorgeworfen. Der dritte Angeklagte soll dem 23-Jährigen dabei geholfen haben, einem Mann in Ehingen gewaltsam Geld, Uhren, Schmuck und Elektrogeräte abzuknöpfen.
Sie kamen mit einem Mann zurück, dem das T-Shirt über den Kopf gezogen war
Nachdem die Anklage verlesen war, überließ die Angeklagte zunächst ihrer Verteidigerin das Wort. Diese las eine Erklärung vor. Anschließend äußerte sich die zierliche Blondine auf Nachfrage noch weiter zu den Taten. Demnach tut ihr das, was geschehen ist, im Nachhinein leid. Aus heutiger Sicht sei ihr Verhalten nicht zu erklären. Gemeinsam sei sie mit ihrem früheren Partner - laut Anklage waren die beiden sogar verlobt - und einem Freund von ihm im Juli 2021 nach St. Gallen in der Schweiz gefahren, um dort Geld von einem Mann zu holen. Die Frau ging davon aus, dass das Geld ihrem Freund zustand. Laut Anklage war der Geschädigte dem Angeklagten aus einer früheren Geschäftsbeziehung tatsächlich noch rund 25.000 Euro schuldig.
Während die Frau im Auto wartete, soll der Angeklagte den Mann in der Wohnung mit Ohrfeige und Faustschlag zum Mitkommen aufgefordert haben, damit er die Rechnung begleichen könne. Als er sich weigerte, sollen die beiden Freunde ihn unsanft nach draußen gebracht haben. Von dem Geschehen in der Wohnung hat die Frau nach eigenen Angaben nichts mitbekommen. Als die drei zum Auto zurückkamen, sah sie jedoch, dass dem vermeintlichen Schuldner das T-Shirt von vorn über den Kopf gezogen worden war. "Ich habe mir gedacht, dass das nicht gut ist", sagte sie auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Bernhard Lang. "Ich habe mich gefragt, was ich hier mache."
Die Frau sollte keine Fragen mehr stellen und weiterfahren
Anschließend sollte sie nichts mehr reden, keine Fragen stellen, sondern wieder weiterfahren. Beim nächsten Stopp hat sie nach eigenen Angaben auch nicht gesehen, dass die beiden Männer ihren mitgenommenen Begleiter zu einer Brücke über Bahngleise führten. Dort sollen sie ihr Opfer über das Brückengeländer gehoben und gedroht haben, ihn herunterfallen zu lassen, wenn er nicht bezahle. Weil der Geschädigte auf die Forderungen einging, gelang es dem Angeklagten offenbar, Geld mit dessen Bankkarte abzuheben und eine hohe Geldsumme aus dem Tresor eines Firmengebäudes zu holen. Die Frau bestätigte, dass sie den Mann nicht zurück zu seiner Wohnung brachten, sondern ihn woanders aussteigen ließen.
Zurück in Neu-Ulm habe sie festgestellt, dass etwa 14.000 Schweizer Franken mit ähnlich hohem Euro-Wert bei der Ausfahrt zusammengekommen sind. Am Ulmer Hauptbahnhof hätten sie die Scheine umgetauscht, berichtete sie. Von dem Geld hätten sie die Miete bezahlt und davon gelebt. Der Geschädigte habe in den darauffolgenden Tagen noch weitere rund 10.000 Franken überwiesen.
100 Euro Spritgeld erhielt die Frau für eine Tour nach Ehingen an der Donau
Dass die Tour nach St. Gallen und auch die bereits im Mai 2021 erfolgte Fahrt nach Ehingen in dem besagten Chat im April 2021 geplant und dementsprechend auch umgesetzt wurde, bestritt die Angeklagte. "Ich wollte nie, dass es so abläuft", sagte sie. Sie sei davon ausgegangen, dass das Geld jeweils auf legalem Wege eingetrieben werde. Dass im Chat unter anderem davon die Rede war, sich den "Hund" in der Schweiz zu schnappen und ihn zu "ficken", um sich eine hohe Summe zu beschaffen, räumte sie allerdings ein. Während ihrer Aussage brach sie mehrmals in Tränen aus. Ihr Ex-Partner habe schon immer Geldsorgen gehabt, fügte sie hinzu. Dessen Verteidiger deutete an, dass sein Mandant gerne Drogen konsumiert habe. Wegen der vorgeworfenen Taten sitzt der Angeklagte seit Juni 2022 in Untersuchungshaft.
Untersuchungshaft wurde im Herbst 2022 auch für den dritten Angeklagten angeordnet. Die junge Frau berichtete, dass sie ihn, ihren damaligen Partner und einen dritten Mann für 100 Euro Spritgeld nach Ehingen fuhr. Doch auch dort habe sie nur im Auto gewartet, während das Trio ein zweites Mal den Geschädigten aufsuchte. Sie habe erst gemerkt, dass an der Sache etwas faul war, als die Männer mit einem Fernseher, Laptops, Schmuck und weiteren Gegenständen zum Auto zurückkamen und sie aufforderten, loszufahren.
Der Prozess wird am 5. April fortgesetzt.
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