Wenn es einen Nachweis dafür bräuchte, wie eng Freud und Leid oft beieinander liegen, wäre das Spiel zwischen dem Hamburger SV und dem SSV Ulm 1846 Fußball perfekt. Von vorneherein war nach dem Heimsieg des SC Preußen Münster gegen Hertha BSC knapp 24 Stunden vorher klar, dass der Ulmer Traum von einer weiteren Zweitliga-Saison nur dann bestehen bleibt, wenn die Mannschaft von Trainer Robert Lechleiter in Hamburg gewinnt. Manch einer mag insgeheim auf eine Wiederholung des 2:1-Sieges in Hamburg vor 25 Jahren gehofft haben - daraus wurde jedoch nichts.
Der SSV kehrt nach nur einem Jahr wieder in Liga drei zurück. Der HSV wiederum hat mit dem 6:1-Sieg seine siebenjährige Abstinenz im Profi-Oberhaus beendet und ist wieder erstklassig. Dabei waren die Spatzen im Volksparkstadion zumindest bis zum 2:1 für die Hausherren nicht nur ebenbürtig, sondern sogar einen Tick besser. Kapitän Johannes Reichert, der nach seiner Oberschenkelverletzung zumindest wieder zu einem Kurzeinsatz kam, meinte: „Dieses Spiel war sinnbildlich für die ganze Saison. Es tut unfassbar weh. Das ist der Saison, die wir gespielt haben, nicht würdig. Wir müssen es aber akzeptieren, wie es ist.“
Ulm machte das Spiel, der HSV konterte im eigenen Stadion und dies zum Leidwesen des SSV überaus erfolgreich. Zunächst hatten die Ulmer vor 57.000 Zuschauerinnen und Zuschauern den Vorwärtsgang eingelegt, die Hamburger schienen der unglaublich großen Euphorie in Region und dem damit verbundenen Druck nicht gewachsen. Nur wenige Minuten waren gespielt, als die HSV-Abwehr einen Ulmer Angriff fast ins eigene Tor bugsiert hatte. Die anschließende Ecke wurde ebenfalls nicht richtig geklärt. Tom Gaal war der Nutznießer und spitzelte den Ball zum 0:1 ins Netz (6.). Ausgerechnet Gaal, der vergangene Woche gegen Hannover noch ins eigene Tor getroffen hatte. Lange sollte die Freude allerdings nicht anhalten, Ludovit Reis glich nur vier Minuten später aus. Vorangegangen war ein Fehlpass von Philipp Strompf. Es ging äußerst munter weiter, erst hatte Ulm Glück als Davie Selke eine Hereingabe nur um Haaresbreite verfehlte (21.), dann wurde ein Schuss von Dennis Dressel zur Ecke abgewehrt (25.).
Ein Elfmeter nach einer guten halben Stunde ist die Schlüsselszene des Spiels
Was folgte, war wohl die Schlüsselszene des Spiels: Felix Higl wurde bei seinem Schussversuch unfair von Hamburgs Muheim geblockt. Bei dieser Aktion schaltete sich erst der Videoassistent (VAR) ein, dann entschied Schiedsrichter Dr. Max Burda nach eigener Überprüfung auf Foulelfmeter. Semir Telalovic übernahm die Verantwortung, scheiterte aber vom Punkt mit einem schwachen und unplatzierten Schuss an HSV-Schlussmann Daniel Heuer Fernandes (32.). Max Brandt meinte später: „Das war Pleiten, Pech und Pannen. Es sind unfassbare Dinge passiert. Nach unserer Führung war schon das 1:1 ganz bitter. Der Elfmeter war der Knackpunkt. Wenn wir den reinmachen, entwickelt sich das Spiel vielleicht in die andere Richtung. Jetzt ist erst einmal unfassbare Leere.“
Das sagt Trainer Robert Lechleiter zum Spiel
Zehn Minuten danach gingen die Hanseaten durch einen gefühlvollen Heber von Ransford-Yeboah Königsdörffer mit 2:1 in Führung, Selke erhöhte noch in der Nachspielzeit von Halbzeit eins auf 3:1 (45.+4). Ein Zwischenstand, den Ulm nicht verdient, aber sich auch ein ganzes Stück weit selbst zuzuschreiben hatte. Spätestens jetzt hatten die Spatzen den Faden verloren und der Volkspark war komplett unter Strom. Auch nach dem Seitenwechsel war das Momentum auf Seiten des ehemaligen Bundesliga-Dinos. Für die Ulmer kam es ganz bitter, weil Strompf ein Eigentor zum 4:1 unterlief (47.). Obwohl die Spatzen nicht aufsteckten, war es erneut Königsdörffer (62.) mit seinem zweiten Treffer sowie Daniel Elfadli (86.), die das Ergebnis in schwindelerregende Höhen schraubten. Verdient war diese deutliche Schlappe beim Blick in die Statistiken nicht: 52 Prozent Ballbesitz und 16:15 Torschüsse für den SSV sprechen eher für ein Unentschieden. Trainer Robert Lechleiter resümierte: „Es ist brutal für die Mannschaft. Wir waren mindestens 35 Minuten besser. Wenn wir den Elfer reinmachen und die Führung in die Halbzeit bringen, will ich sehen, was hier los ist. So ist es einfach nur unglaublich bitter.“
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