Justiz weist Vorwürfe im Fall Schottdorf zurück
Ein Großaufgebot prominenter Staatsjuristen versucht im Landtag den massiven Vorwurf zu entkräften, tausende betrügerischer Ärzte seien geschont worden.
Die Justiz hat die massiven Vorwürfe gegen die Augsburger Staatsanwaltschaft im Fall Schottdorf zurückgewiesen. Justizministerium, Generalstaatsanwaltschaft München und die Leiter der beteiligten Staatsanwaltschaften in München und Augsburg nahmen am Donnerstag im Rechtsausschuss des Landtags ausführlich zu der Frage Stellung, ob die Ermittler im vergangenen Jahrzehnt mehrere tausend betrügerische Ärzte verschonten - und ob es politische Einflussnahme gab, die die Ermittlungen des Landeskriminalamts behinderte.
"Wir haben nach Recht und Gesetz gehandelt und uns nicht von irgendwelchen komischen Dingen beeinflussen lassen", sagte der Münchner Generalstaatsanwalt Christoph Strötz. Dennoch wird es einen Untersuchungsausschuss geben, da längst nicht alle Fragen geklärt sind.
Schlüsselfigur ist der Augsburger Laborarzt Bernd Schottdorf. Der heute 74-Jährige gewährte tausenden seiner Kunden in der niedergelassenen Ärzteschaft Rabatt auf spezielle Laboruntersuchungen für Privatpatienten. Diese Ärzte rechneten dann unter eigenem Namen die vollen Gebührensätze mit den Kassen ab. Der von Schottdorf gewährte Rabatt blieb ihnen als Gewinn.
Das war aus Sicht der Augsburger Staatsanwaltschaft zwar ein klarer Verstoß gegen das Gebührenrecht, aber kein strafbarer Betrug. Denn hätte Schottdorf vorschriftsmäßig selbst mit den Kassen abgerechnet, hätte auch er mutmaßlich den Kassen die vollen Sätze in Rechnung gestellt. Die Kassen zahlten demnach also nicht mehr, als sie sowieso hätten zahlen müssen.
"Es ist kein wirtschaftlicher Schaden entstanden", sagte Strötz dazu. Der Generalstaatsanwalt räumte aber ein "Unwohlsein" ein, weil das System Schottdorf rechtlich fragwürdig war und die niedergelassenen Ärzte einen nicht vorgesehenen Zusatzgewinn verbuchten. Doch das ist aus Sicht der Ermittler ein Fall für die Politik, nicht für den Staatsanwalt. "Da müsste beim Gebührenrecht angesetzt werden", sagte Manfred Nötzel, Chef der Staatsanwaltschaft München I.
Der Opposition reichen die Erklärungen nicht aus. Freie Wähler, Grüne und SPD nannten mehrere Kritikpunkte. Einerseits wurde 2009 auf Betreiben der Münchner Staatsanwaltschaft ein Pilotprozess gegen einen Münchner Arzt gestartet, der dann auch wegen Betrugs verurteilt wurde. Der Bundesgerichtshof bestätigte die Entscheidung 2012.
Staatsanwaltschaft stellte Ermittlungen schon vor Prozessende ein
Die Augsburger Staatsanwaltschaft hatte den Ausgang dieses Pilotprozesses aber nicht abgewartet, sondern ihre Ermittlungen schon vorher eingestellt. Deswegen ist nun der Eindruck entstanden, in Augsburg seien kriminelle Ärzte geschont worden. "Wieso macht man dann überhaupt ein Pilotverfahren?", fragte der Grünen-Abgeordnete Sepp Dürr.
Nachdem der BGH 2012 die Verurteilung des Münchner Arztes in dem Pilotprozess bestätigt hatte, war der Großteil der übrigen gut 150 Fälle bereits verjährt. "Aus heutiger Sicht befriedigt das Ergebnis nicht", räumte Helmut Seitz ein, der Leiter der Strafrechtsabteilung im Justizministerium. Eine Weisung des Generalstaatsanwalts habe es nicht gegeben.
Ein zweiter ungeklärter Komplex von Fragen rankt sich um die massiven Konflikte zwischen Staatsanwälten und ermittelnden Polizisten, die der Fall auslöste. Zunächst spürte 2007 eine 17-köpfige "SoKo Labor" de Landeskriminalamts den Vorwürfen nach, die 2008 dann auf fünf Mann verkleinert wurde. "Wenn das alles so schwierig war, warum setzte man dann eine SoKo mit 17 Beamten ein?", fragte Florian Streibl, der Parlamentarische Geschäftsführer der Freien Wähler.
Untersuchungsausschuss wird eingesetzt
In der Folge gab es mehrere Beschwerden von Polizisten bis hin zur Haftungsklage eines Ermittlers gegen den Freistaat. Von Seiten der Staatsanwälte wiederum wurden mehrere Ermittlungsverfahren gegen LKA-Beamte eingeleitet. "Das ist wirklich außergewöhnlich", sagte der Ausschussvorsitzende Franz Schindler (SPD) nach der Sitzung.
Der Grüne Sepp Dürr warf den Staatsanwälten vor, mit zweierlei Maß zu messen: Gegen die Ärzte sei nicht ermittelt worden, gegen Polizisten und einen Journalisten sehr wohl. Generalstaatsanwalt Strötz wies das kategorisch zurück.
Die CSU erklärte nach dem Ende der dreieinhalbstündigen Diskussion, ein Untersuchungsausschuss sei nicht notwendig. "Für uns hat sich heute gezeigt, dass der Fall keine politische Dimension hat", sagte der CSU-Abgeordnete Franz Rieger. Doch eben dies lässt sich nach Einschätzung von Freien Wählern, Grünen und SPD nur mittels eines Untersuchungsausschusses klären. (AZ/dpa)
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