Koalitionschaos: Stoiber bleibt in Bayern
Berlin (dpa) - Die designierte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist trotz der SPD-Krise und des endgültigen Rückzugs von CSU-Chef Edmund Stoiber fest zu einer großen Koalition entschlossen. Diesen Willen sehe sie auch bei der SPD, sagte Merkel. In der SPD haben die Personalquerelen zu ersten Konsequenzen geführt.
Stoiber sagte in München, nach dem angekündigten Rücktritt von Müntefering sei er zu der Überzeugung gekommen, dass er die Interessen der CSU eher in Bayern vertreten könne. Für Stoiber soll nun der CSU-Landesgruppenvorsitzende Michael Glos Wirtschafts- und Technologieminister werden. In der CDU wird nach dpa-Informationen befürchtet, dass der Schritt Stoibers die Koalitionsverhandlungen weiter belasten könne.
Die Parteilinke Andrea Nahles schloss nicht mehr aus, von ihrer in einer Kampfabstimmung erreichten Kandidatur als Generalsekretärin abzusehen. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende und Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul kündigte den Verzicht auf ihr Parteiamt an. Mehrere SPD-Vorstandsmitglieder hatten Wieczorek-Zeul in den vergangenen Tagen vergeblich aufgefordert, nicht mehr als SPD-Vize zu kandidieren, um Nahles dieses Parteiamt zu ermöglichen und den Konflikt zu entschärfen.
Nahles will vor ihrer endgültigen Entscheidung abwarten, wer zum neuen Vorsitzenden nominiert wird. Dem Fernsehsender RTL sagte sie: "Eines ist klar: Der neue Parteivorsitzende hat ein Wort mitzureden, auch was meine Position angeht." Auf die Frage, ob sie dann als Generalsekretärin möglicherweise nicht zur Verfügung stehe, antwortete sie: "Ich schließe da nichts aus, weil die Lage jetzt noch offen ist und viele Gespräche noch ausstehen."
Vor allem Wieczorek-Zeul und Nahles wird vorgeworfen, sie hätten mit der Kampfabstimmung um den Posten des Generalsekretärs eine "Machtprobe" riskiert, die Müntefering schließlich zum Rückzug veranlasste. Nahles sagte im Deutschlandfunk, die Abstimmungsniederlage für Müntefering im Vorstand sei kein von langer Hand geplanter Coup gewesen. Wenn schon vor der Abstimmung ein Rückzug Münteferings absehbar gewesen wäre, "wäre es nicht dazu gekommen", versicherte die 35-jährige frühere Juso-Chefin.
Fraktionsvize Joachim Poß sagte der dpa zu der SPD-Krise: "Eine völlige Neuaufstellung ist sofort überfällig." Auch der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, forderte den Rücktritt des Parteivorstandes. Unter dem Motto "Wir wollen Franz" starteten SPD-Mitglieder im Internet eine Initiative, um Müntefering von einem endgültigen Rücktritt abzuhalten.
Trotz des erklärten Willens der Union, das Bündnis mit der SPD zu schmieden und zum Erfolg zu führen, wurden die Zweifel prominenter Politiker von CDU und CSU am Zustandekommen einer großen Koalition deutlicher. Sie warnten die SPD eindringlich vor einem Linksruck. Überaus kritisch über die Chancen einer großen Koalition äußerte sich vor allem der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und CDU-Vize Jürgen Rüttgers. Der dpa sagte er, es sei keine Zeit für Machtspiele in der SPD. Nach dem Rückzug von Müntefering könne man nicht so tun, als könne alles normal weitergehen, ergänzte er in der ARD. "Es ist zurzeit offen, ob es diese große Koalition gibt."
Trotz des Wirbels in SPD und Union haben die Parteien bei ihren Koalitionsverhandlungen wichtige Hürden genommen. Bei der Föderalismusreform erzielten sie einen Durchbruch. Union und SPD verständigten sich zudem auf eine Angleichung des gezahlten Arbeitslosengelds II im Osten an West-Niveau.
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