Zschäpes Verteidiger weisen Vorwürfe deutlich zurück
Die Verteidiger der mutmaßlichen Rechtsterroristin Beate Zschäpe haben ihr Plädoyer im NSU-Prozess fortgesetzt. Sie werfen der Bundesanwaltschaft vor, Fakten zu ignorieren.
Im Münchner NSU-Prozess haben die Verteidiger der Hauptangeklagten Beate Zschäpe ihr Plädoyer fortgesetzt - und in teilweise scharfer Form weitere Anklagevorwürfe zurückgewiesen. Die Bundesanwaltschaft ignoriere Fakten oder lasse solche unerwähnt, die Zweifel an den Behauptungen der Anklage aufkommen lassen könnten, sagte Zschäpes Vertrauensanwalt Hermann Borchert am Mittwoch vor dem Oberlandesgericht München. Seine Kritik begründete er oftmals damit, daß die Ankläger in ihrem Plädoyer Erklärungen Zschäpes völlig außer acht gelassen hätten. Oder Zschäpes Einlassungen werde widersprochen, "wohl aus Prinzip und um die Anklage stimmig zu halten".
Tatsächlich hatte sich Zschäpe erst nach zweieinhalb Jahren Prozessdauer erstmals geäußert - aber nur schriftlich. Fragen beantworteten sie und ihre Anwälte ebenfalls nur schriftlich - und nur solche des Senats, nicht aber der Anklage oder der Nebenkläger.
Borchert kritisierte, die Bundesanwaltschaft lege "Indizien und Fakten" so aus und interpretiere sie so, dass diese in das Anklageschema passten. Damit setze sich die Anklage "der berechtigten Kritik der Voreingenommenheit und einseitigen Beweiswürdigung aus".
Konkret wies Borchert beispielsweise den Vorwurf zurück, Zschäpe sei an der Beschaffung von Waffen für den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) beteiligt gewesen. Die Bundesanwaltschaft habe nicht nachgewiesen, dass Zschäpe auch nur eine einzige Waffe erworben habe.
Zudem argumentierte Borchert, aus der Tatsache, dass Zschäpe das gemeinsame Leben im Untergrund absicherte, lasse sich nicht auf den Willen schließen, dass sie sich an den von ihren beiden Freunden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt begangenen Morden beteiligen wollte. "Zumal die Mandantin dies umfassend bestreitet", fügte Borchert hinzu.
Borchert hatte am Dienstag mit seinem Plädoyer begonnen, das er zusammen mit seinem Kollegen Mathias Grasel halten will und das möglicherweise noch bis diesen Donnerstag dauern könnte. Die beiden Anwälte weisen insbesondere den zentralen Anklagevorwurf zurück, Zschäpe sei Mittäterin an allen Morden und Anschlägen des NSU gewesen. Einen Antrag für das Strafmaß dürften die Verteidiger erst am Ende stellen.
Ankläger fordern lebenslange Haft
Mit den Verteidiger-Plädoyers soll das seit Mai 2013 laufende Mammutverfahren in die letzte Etappe gehen. Bundesanwaltschaft und Nebenkläger hatten ihre Plädoyers bereits Anfang Februar beendet. Die Bundesanwaltschaft hatte für Zschäpe lebenslange Haft und anschließende Sicherungsverwahrung gefordert.
Die heute 43-Jährige war nach Überzeugung der Ankläger eines von drei gleichberechtigten Mitgliedern des NSU und sollte deshalb als Mittäterin an sämtlichen Verbrechen der Gruppe bestraft werden. Dazu zählen zehn Morde, neun davon aus rassistischen Motiven, einer an einer deutschen Polizistin.
Borchert hatte teils scharfe Kritik am Plädoyer der Bundesanwaltschaft geübt. Die Anklagebehörde habe die Beweise einseitig bewertet und die Rolle Zschäpes falsch dargestellt. Für den Anklagevorwurf - Mittäterschaft an zehn Morden, zwei Sprengstoffanschlägen und zahlreichen Überfällen - habe die Anklage keinen Beweis vorgelegt und beschränke sich auf Spekulationen.
Juristische Streitereien führten zu Verzögerungen
Befangenheitsanträge und juristische Streitereien hatten den Beginn der Verteidiger-Pläydoyers in den vergangenen Wochen immer weiter verzögert. Im Anschluss an Borchert und Grasel sollen nach bisheriger Planung des Gerichts die drei Altverteidiger Zschäpes das Wort für ihre Schlussvorträge bekommen: Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm. Dann sollen die Anwälte der insgesamt vier Mitangeklagten folgen. Wann es ein Urteil geben könnte, ist aber nach wie vor völlig offen. (dpa)
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