Das Rock´n´Roll der jungen Poeten
Acht Nachwuchs-Dichter trugen beim Turm Slam Abend im Bücherturm selbst geschriebene Texte vor. Unter erstklassiger Moderation sorgten sie für eine besondere Atmosphäre
Langsam verklingt der Applaus des vorherigen Slammers, das Publikum ist gespannt auf den nächsten. Der nähert sich dem Mikrofon, während das letzte Räuspern langsam verstummt. Es folgen Worte, auf die sich die Zuschauer nachdenklich einlassen. Fast 80 Zuschauer lauschten am Samstagabend den Poetry Slammern im Vortragsraum des Neuburger Bücherturms. Die Regeln sind simpel: Alle Teilnehmer tragen live ihre selbst geschriebenen Texte ohne Requisiten innerhalb von sechs Minuten vor. Zunächst treten die Künstler in zwei Vorrunden mit je vier Teilnehmern an. Per Applaus stimmt das Publikum über die Gewinner ab, die im Finale gegeneinander antreten. Poetry Slam trägt Gedichte aus der Stille auf die Bühne – es ist der Rock’n’Roll der Literatur.
Sowohl Künstler als auch Zuschauer amüsierten sich darüber, wie humorvoll Pascal Simon den Abend moderierte. Über 20 Poetry Slam-Abende leitete er schon, schreibt seit acht Jahren selbst Texte. „Es macht mir unglaublichen Spaß, vom Publikum direkt emotionales Feedback zu bekommen“, schwärmte er kurz vor Beginn.
Gleich in der ersten Runde nahm Darryl Kiermeier aus München die Bühne für sich ein. „Es ist wirklich eine intensive Erfahrung, vor Publikum zu stehen“, schwärmt der 24-Jährige. „Mir geht es darum, dass die Zuhörer etwas mitnehmen.“ Das erste Mal mit Poetry Slam in Kontakt kam der Student in seiner Realschulzeit. „Ich hatte die Ideen schon lange im Kopf, bis ich sie tatsächlich aufgeschrieben habe. Vom ersten Vers bis zum Schlusswort, das kann auch mal mehrere Monate dauern.“ In seinem Text fragte er sich, wie es sein kann, dass eigener Weg und persönliches Ziel so weit auseinander liegen. Auch die anderen Auftritte wussten zu unterhalten: Wer früh am Morgen gut gelaunt ist, der führe etwas im Schilde, befand etwa Dominik Neumeier in seinem Vortrag. „Da haben die Drahteseltreter keine Macht, während Eltern ihre Teenies im SUV zum Reiten fahren“, ärgerte sich Henriette Appel. Sein Poetry-Slam-Debut durfte Dennis Ummels feiern, der erst wenige Stunden vor dem Auftritt mit dem Schreiben seines Textes „Mein erstes Mal“ begonnen hatte.
Die meist jungen Zuschauer lobten die Veranstaltung. „Indem man den Gedankengängen der Poetry-Slammer folgt, erkennt man Parallelen zum eigenen Leben. Gleichzeitig werden auch neue Perspektiven aufgezeigt“, staunte der 18-jährige Lorenz Graßl aus Neuburg. „Da kann man durchaus von einem Aha-Effekt sprechen.“ Die zweite Vorrunde begann Rob Novelle mit der Erklärung seiner eigenen Realitätstheorie, jedes Individuum sei in einem „freien Raum eines Seelenhauses“. Der Gegenwart entfloh auch eine junge Frau aus Leipzig unter dem Künstlernamen Sari Sorglos, die ihre Kindheit wieder aufleben ließ. Diese verbrachte sie tatsächlich im Neuburger Bücherturm. Die weiteste Anreise hatte Juston Buße aus Berlin. Seine lustigen Texte handelten von einer verzweifelten Berliner Wohnungssuche und neuen Nachbarn der besonderen Art. Den Schlusspunkt setzte Tizian Neidlinger, der über den Starrsinn älter werdender Ehepaare sprach.
Ins Finale schafften es schließlich Darryl und Juston, die die Zuschauer sowohl emotional und nachdenklich, als auch durch treffende Pointen aufgelockert nach Hause entließen. Zuvor wurde es jedoch noch mal laut im Bücherturm. Wieder applaudierten die Zuschauer mit aller Kraft für ihren Favoriten, um den Sieger zu ermitteln. „Ich denke“, überlegt Simon, „wir haben Gleichstand und damit einen Doppelsieg.“ Es gehe sowieso nicht primär um das Gewinnen, sagte er. Wichtiger sei vielmehr die Gemeinschaft der Autoren – und ein zufriedenes Publikum.
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