Faszination Trachtenverein: Wenn Jugendliche schuhplatteln
Für den Trachtenverein Königsbrunn steht fest: Dirndl und Lederhosen sind mehr als nette Modeaccessoires fürs Oktoberfest. Was die Jugendlichen damit verbinden.
An den Wänden des Tanzsaals im Trachtenheim hängen viele alte Fotos, schwarz-weiß und in Farbe, die von einer langen Tradition erzählen. Sie zeigen grauhaarige Männer mit gezwirbelten Schnauzbärten, mit Trachtenhüten und großen Federn, dazu Gruppenbilder mit Dirndln und Lederhosen. Bilder vergangener Tage. Aber wie lebendig diese Tradition heute ist, das zeigt sich jeden Freitagabend. "Schritt, Schritt, Schritt, eins, zwei, drei!", ruft eine junge Frau im Dirndl durch den kleinen Probenraum. Vom Band läuft Volksmusik, und auf dem Holzboden, im schwarzen Kreis, drehen sich die jungen Trachtler von D’Lechauer. Hier pflegen sie die bayerische Tradition, das Schuhplatteln und die alten Volkstänze. Trachteln, das ist für die Jugendgruppe Geschichte, Tanz, Musik und auch Sport. Junge Menschen und alte Trachten? Das scheint hier gut zu harmonieren.
Auf der Eckbank sitzen Valentin Mößner und Janina Lindner und beobachten das Training. Er ist 16, sie 15 Jahre alt. Obwohl sie so jung sind, zählen sie zu den erfahrenen Trachtlern. Seit wann sie schon dabei sind? "Seit ich sieben Jahre alt bin", sagt Valentin. "Seit ich laufen kann", sagt Janina. Aus Leidenschaft und aus Liebe zur Tradition engagierten sie sich im Verein, erzählen die Jungtrachtler. Geselligkeit und Zusammenhalt, das ist das Wichtigste für die Lechauer: In der Jugendgruppe tanzen von Grundschulkindern bis zu den 16-Jährigen alle gemeinsam. Hannes ist der Jüngste, er ist gerade einmal fünf Jahre alt. Mit der Lederhose dreht er sich im Kreis und schwingt die Beine.
Für jeden Tanzschritt gibt es eine Schlagfolge
Auch Josef Rötinger und Daniel Straßner machen es sich am Rande des Kreises gemütlich und betrachten die Szene. Josef ist 23 Jahre alt und hat nun seine Ausbildung zum Zimmerer begonnen, Daniel Straßner ist 27 und Softwareentwickler. Beide haben eine besondere Aufgabe im Verein: Sie sind Vorplattler. Was das bedeutet, erklärt Daniel: "Wir bringen den jungen Trachtlern die Grundlagen bei." Für jedes Lied, für jeden Tanz gibt es Schritte und auch Schlagfolgen – für die Jungs, die sich im Takt auf die Lederhose und die Schuhe klopfen. "Da kommt man schon ins Schwitzen", sagt Josef. "Es ist gut, früh anzufangen. Das schult die Koordination." Während er in der Lederhose am Tisch sitzt, trägt Daniel einen schlichten, weißen Pulli und Jeans. Auch auf der Tanzfläche mischen sich Trachtenhemden und Lederhosen mit Kapuzenpullis und Jeans.
Doch zu besonderen Festen und Wettbewerben werfen sich die Trachtler in Schale. Josef weiß, worauf es im Wettkampf ankommt: "Das Erscheinungsbild zählt, wie man sich gibt, die Ausstrahlung." Da präsentieren sich die Jugendlichen als Trachtler von Kopf bis Fuß. Das beginnt für die Buben mit den Miesbacher Schuhen mit Ledersohlen, dazu die Vereinsstrümpfe mit dunkelgrüner Stickerei. Die Lederhose ist der wichtigste Teil der Tracht – die "kurze Schwarze", wie Josef sie nennt. Und das i-Tüpfelchen ist der Hut mit der flauschigen Feder. Das ist ein Spielhahnstoß, also eine Feder von einem Birkhuhn, erklärt Daniel. Moderne Elemente bringen im Wettkampf dagegen Punktabzug. "Keine Armbanduhr, kein Nagellack. Das gab es damals noch nicht", sagt Daniel. Doch ein kleines bisschen haben die Königsbrunner der Geschichte nachgeholfen – die Tracht stammt nicht aus Königsbrunn, sondern aus den Bergen. Gastarbeiter haben sie einst nach Königsbrunn gebracht.
Die Tradition zeigt sich vor allem darin, dass Trachteln in Königsbrunn Familiensache ist. Josefs Schwester ist Jugendvorsitzende im Verein, und auch Daniels Familie ist mit dabei: "Das wurde uns sozusagen in die Wiege gelegt." Quereinsteiger gebe es selten. Trotzdem sind die Trachtler gut vernetzt. Es gibt einen Gauverband der Trachtenvereine, man trifft sich bei Wettbewerben, zum Beispiel beim Bayerischen Löwen. Die Kontakte reichen bis nach Amerika: In Chicago gibt es zwei Trachtenvereine, eine der Gruppen feierte 2014 ihr 100-jähriges Bestehen.
Rund um den Tanzkreis finden die jungen Trachtler Gleichgesinnte. Und das ist jenseits des Trachtenheims nicht immer so. Josef erzählt: "In meinem Schuljahrgang war ich der einzige Trachtler." Daniel sagt: "Doch es ist salonfähiger geworden. Man geht wieder mit Lederhose ins Bierzelt." Die Reaktionen im Freundeskreis sind sehr unterschiedlich, erzählt Janina: "Manche finden es komisch, manche lachen, manche finden es cool. Aber die meisten akzeptieren es." Valentin sieht das alles gelassen: "Die einen gehen Tennis spielen, und ich geh halt zur Trachtler-Prob’." Josef sagt: "Trachtler sein, das ist kein Hobby, sondern eine Lebenseinstellung."
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