So sollen selbst unmusikalische Schüler Lust auf Musik bekommen
Die Siebten Klassen der Leipheimer Mittelschule machen dank ihres Lehrers Dominik Förg beim Musikworkshop des Landes-Jugendjazzorchesters Bayern mit. Dabei spielen die meisten der Schüler kein Instrument.
Es ist kurz vor 10 Uhr am Montagmorgen in der Mittelschule in Leipheim. Von den erwarteten Siebtklässlern ist im Mehrzweckraum im Erdgeschoss noch nichts zu sehen. Stattdessen schieben hier gerade fünf Erwachsene schwere Koffer und Kabeltrommeln hinein. In den Koffern befinden sich Instrumente: ein Keyboard, ein E-Bass, die Einzelteile eines Schlagzeugs. Die fünf Erwachsenen gehören zum Landes-Jugendjazzorchester Bayern mit Sitz in Marktoberdorf. Dieses organisiert für die Bayerische Landeskoordinierungsstelle für Musik Workshops für sonderpädagogische Förderzentren, Grund-, Mittel-, Real-, Berufsschulen und Gymnasien mit einem eigenen pädagogischen Konzept. An diesem Montag findet ein solcher Musikworkshop für die siebten Klassen der Mittelschule Leipheim statt. Eine Premiere.
Während die Jazzcombo damit beschäftigt ist, die Koffer auszuräumen und die Instrumente aufzubauen, kommt Mittelschullehrer Dominik Förg in den Raum. Er hat den Musikworkshop an die Leipheimer Mittelschule gebracht. „Letztes Jahr war ich auf der Fortbildung „Lehrer singt, Jugend swingt“ für Musiklehrer oder solche, die es werden wollen, von Grund- und Mittelschulen in Marktoberdorf“, sagt der 30-Jährige und fügt hinzu: „Dabei wurde dieser Workshop angesprochen. Ich habe mich für unsere Schule beworben und die Zusage bekommen.“
Die Organisation des Workshops war ganz entspannt
Die Organisation sei mit einem Anruf ganz entspannt gewesen. Förg hat selber zwei Musikinstrumente erlernt und spielt in einer Bigband. „Die Kids haben oft gar keine musikalische Vorerfahrung. Sie haben zwar Musikunterricht an der Schule, viele spielen aber kein Instrument. Sie kommen nur über Spotify mit Musik in Berührung, aber selber musizieren, ist schwierig“, erläutert der 30-Jährige die Gründe, warum er den Workshop initiiert hat. Förg erhofft sich von diesem Projekt, dass die Schüler ein Gespür kriegen für Rhythmus, für das gemeinsame Musizieren und das Musikalisch-Kreative.
In der Zwischenzeit sind die 17 Schülerinnen und Schüler einer der beiden siebten Mittelschulklassen leise in den Raum gekommen. Sie setzen sich auf Stühle, die zu einem Sitzkreis angeordnet sind. Im Hintergrund spielen sich die vier Musiker der Jazzcombo ein. Die Teenager schauen und hören interessiert zu. Der Fünfte aus der Jazzcombo ist Harald Rüschenbaum. Der künstlerische Leiter des Landes-Jugendjazzorchesters Bayern setzt sich in den Stuhlkreis und stellt sich vor. Die vier Musiker haben sich fertig eingespielt und kommen dazu: Marietta Schüss (Gesang), Lukas Langguth (Keyboard), Dominik Back (Schlagzeug) und Nino Stübinger (E-Bass). Rüschenbaum fragt die Jugendlichen, wer denn ein Instrument spiele. Einer meldet sich: Gitarre. Sonst niemand. Zwei Buben sagen, dass sie rappen würden.
Mit Bällen und einer Conga bekommen die Schüler ein Gefühl für Rhythmus
Dann steht der 62-jährige Rüschenbaum auf. Er hält einen Ball in der Hand und sagt: „Steht mal alle auf. Ich will, dass ihr euch den Ball hin und her spielt. Nehmt vor dem Wurf miteinander Kontakt auf.“ Gesagt, getan. Das klappt ziemlich gut. Die vier Musiker machen mit. Als es dann aber zwei, drei, vier Bälle plus bunte Tücher werden und es immer schneller geht, fliegen einige Bälle auch aus dem Kreis. Unter Gelächter springen die Schüler hinterher, um sie wieder einzusammeln. Danach spielen und singen Marietta, Lukas, Dominik und Nino ein Jazzstück. Rüschenbaum will von den Siebtklässlern wissen, was für Instrumente sie gehört haben. Ein paar dürfen anschließend selber an die Instrumente und sie sich aus der Nähe anschauen. Sie sind ziemlich beeindruckt.
Rüschenbaum ist jetzt voll in seinem Element. Mit einer Conga geht er im Stuhlkreis herum und fordert die Schüler auf, im Takt der Musik mitzutrommeln. Erst nach einigem Zögern machen sie mit, dann aber begeistert. In einer Klatschübung vertieft der 62-Jährige das Rhythmusgefühl der Jugendlichen. Gar nicht so einfach. Dann folgt eine Sprechübung und der ganze Raum ist plötzlich von Gesumme wie im Bienenstock erfüllt.
Die Kids sollen Lust an der Musik bekommen
Die beiden Organisatoren des Landes-Jugendjazzorchesters Bayern, Claudia Bestler und Willi Staud, schauen dem Treiben von der Wand aus zu. „Die Kids lernen, Lust an der Musik zu bekommen. Und zwar spielerisch. Von der Rhythmik bis zur Tonleiter. Harald Rüschenbaum holt das aus den Schülern raus“, erklärt Bestler leise das Konzept des Projekts, um den Workshop nicht zu stören. Laut Bestler würden die Schüler so Musik machen, ohne es zu merken, und bräuchten dabei auch keine Noten.
Und Staud ergänzt ebenso leise, dass die Kids durch das Nachmachen und Nachklatschen verstehen würden, was in der Musik passiere. So könne gleich die Wahrnehmung geschult werden und ihr Interesse für Musik geweckt werden. „Musik ist Gefühl. Und durch diesen Bezug gelingt ein Weg zur Musik“, fügt er hinzu. Laut Staud würde der Workshop jeden Schüler auf jeder Stufe mitnehmen, ohne zu überfordern. Und es solle Spaß machen. Und das sieht man. Die Siebtklässler sind alle konzentriert bei der Sache.
Ein spontaner Rap überrascht einen Schüler
Der 13-jährige Nico Waigel gibt dann auch gleich ein positives Zwischenurteil: „Es ist witzig und ich lerne was.“ Währenddessen erklärt Musiker Dominik das Schlagzeug. Die Schüler haben sich um ihn geschart. „Kann mir einer sagen, was ein Groove ist“, fragt Dominik in die Runde. Die Kids überlegen und diskutieren leise, aber keiner weiß die richtige Antwort. Dominik hilft und erklärt, dass ein Groove ein durchgehender Rhythmus sei. Er spielt ein Beispiel auf dem Schlagzeug. Auf die Frage hingegen, wer das Schlagzeug mal ausprobieren wolle, schnellen zahlreiche Finger nach oben. Während sich die zwölfjährige Sarah Singer am Schlagzeug probiert, sagt ihre Mitschülerin Aynisa Akdan, dass ihr bisher alles gut gefalle. „Es macht Spaß und es ist lustig“, ergänzt die 13-Jährige.
Dann überrascht Rüschenbaum einen Schüler, indem er ihm ohne Vorwarnung ein Mikro vor die Nase hält. „Wir suchen einen Rap. Kannst du was mit dem Wort Leipheim rappen“, fragt Rüschenbaum Arian Gashi. Er und ein Mitschüler hatten zu Beginn des Workshops gesagt, dass sie rappen würden. Der 13-Jährige fackelt nicht lange und rappt zusammen zur flotten Musik der Jazzcombo „Bite back in Leipheim“. Alle sind begeistert, vor allem Arian: „Das kam voll unerwartet, aber mir ist schnell der Satz eingefallen. Es hat richtig Spaß gemacht.“
Musikalische Elemente lernen die Schüler spielerisch
Auch komplexere musikalische Elemente lernen die Teenager durch das Spielerische des Workshops mühelos. Dazu lässt Rüschenbaum zunächst die Namen einiger Mitschüler von allen laut aussprechen. Je nach Betonung machen die Schüler kurze oder lange Handzeichen oder Schritte. So sind einige Zeit nur Flo-ri-aaaaaan- und Sa-raaaaah-Rufe im Raum zu hören, während sich die Jugendlichen dazu bewegen. Danach sollen sich die Kids zu einer Klaviermelodie bewegen. Instinktiv laufen sie bei flotten Melodien schneller, bei gemächlichen Melodien langsamer, bei Dur-Akkorden fröhlicher und leichter, bei Moll-Akkorden hingegen trauriger und schwerer durch den Raum.
„Am Anfang war das mit dem Rhythmus etwas schwierig, aber jetzt ist es schon einfacher“, sagt die 13-jährige Shkurte Mustafa im Nachhinein. Die Schüler sind voll konzentriert. „Es ist wichtig, dass sie körperlich spüren, dass es etwas gibt, was sie bisher nicht mit Musik verbunden haben“, erklärt Rüschenbaum den Sinn der Übungen. Durch diese Wahrnehmung könnten die Jugendlichen das Körperliche relativ schnell mit der Musik verbinden, so der 62-Jährige.
Schulleiterin Stefanie Schmid, die kurz dazukommt, findet nur lobende Worte für das von Lehrer Förg initiierte Projekt: „Das ist ein unvergessliches Erlebnis. Sie können Musik hautnah erleben.“ Der 13-jährige Arian jedenfalls, der bisher kein Instrument spielt, kann sich durchaus vorstellen, es nach dem Workshop mit Klavier zu probieren. Das Projekt scheint schon Erfolg zu zeigen.
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