Sie haben geschuftet, sie haben geweint, sie haben gezweifelt, wie sie das jemals schaffen sollen – sie haben aber auch vor Rührung geweint: über den Zusammenhalt, über die unerwartete Hilfe von Fremden und die Erleichterung, dass man aufeinander zählen kann. Wir haben verschiedene Menschen aus dem Landkreis gefragt: Wie schaut ihr zurück auf das, was den Landkreis vor rund einem Jahr erschüttert hat? Welche Konsequenzen für euch und die Region habt ihr aus der Hochwasserkatastrophe gezogen? Und was bewegt euch bis heute am meisten? Kreisbrandrat Stefan Müller, zuständig für die Feuerwehren im Landkreis Günzburg, hat eine Sache bei der Hochwasserkatastrophe geprägt.
„Was für mich sehr prägend war, war der Verlust eines Kameraden in Offingen durch das Hochwasser. Wir sind jeden Tag im Einsatz und machen uns eigentlich nie Gedanken darüber, wie gefährlich es sein kann. Das merken wir erst dann, wenn etwas passiert ist. Und dann stellt man sich die Fragen: Was hat man falsch gemacht? Was hätte man anders machen können? Jeder Einsatz stellt uns vor neue Herausforderungen. Der Kamerad aus Offingen, der auch heute noch als vermisst gilt, das ist uns allen sehr nahe gegangen. Jeder Unfall und jeder Verlust im Einsatz geht einem nach und man überlegt sich: Was hätte man besser machen können? Die Konsequenz für heute ist, dass die Eigensicherung vorgeht.
Was mich sehr beeindruckt hat, war der Zusammenhalt. Und da muss ich alle Ehrenamtlichen, alle, die sich irgendwo engagiert haben und auch die Bevölkerung erwähnen. Das war ein Zusammenhalt, der einfach funktioniert hat. Zwischenmenschlich ist die Katastrophe wirklich super abgelaufen, alle sind zusammengestanden und wir haben Hilfe von überall bekommen. Die Hilfeleistungskontingente waren da. Obwohl es sie nicht betroffen hat, haben Menschen in ihrer Freizeit im Ehrenamt bei uns Hilfe geleistet. Diese große Solidargemeinschaft, die hat richtig gut funktioniert.
Hochwasserkatastrophe: lange Nächte, wenig Schlaf und viel Arbeitszeit
Und für solche Einsätze sind wir ausgebildet. Für örtliche Einsatzleiter sind es lange Nächte, es ist sehr wenig Schlaf und viel Arbeitszeit. Das geht nicht spurlos an einem vorbei. Aber auch hier muss man ganz ehrlich sagen: Daraus kann man nur lernen. Im Bereich der Führung haben wir erkannt, dass wir noch aufstocken müssen. Es gab so viele Ehrenamtliche, die geholfen haben. Die müssen nicht unmittelbar Mitglied einer BOS-Einheit, also Feuerwehr, Rettungsdienst oder THW, werden. Aber wir möchten die Bevölkerung dafür sensibilisieren, dass sie etwa für Aufgaben auf einer Helferliste zur Verfügung stehen. Wenn man auf die Zeit des Kalten Krieges zurückblickt, da gab es sogenannte Zivilschutzhelfer. Und ganz grundsätzlich muss das Ehrenamt gestärkt und auch attraktiver gestaltet werden.
Ein anderes Thema ist, dass man nicht nur das Hochwasser sehen darf, man muss sich die gesamte Klimaentwicklung ansehen. Wir hatten im vergangenen Jahr ein Hochwasserereignis, wir wissen aber nicht, wie es zum Beispiel mit Dürreereignissen aussieht. Allein die Monate März und April waren viel zu trocken. Der trockene Boden hat bei Starkregenereignissen Konsequenzen. Denn wenn auf diesen trockenen Boden schlagartig mehrere Hundert Liter Wasser auf den Quadratmeter prasseln, dann läuft das nicht mehr ab. Das wird uns künftig vor Herausforderungen stellen. Aber auch der Blick nach Portugal zeigt, dass wir uns Gedanken über einen Black-out machen müssen. Ich glaube, man muss über den Tellerrand hinausschauen und darüber nachdenken, welche Bedrohungen im Falle einer Katastrophe auch den Landkreis hier treffen könnten.
Kreisbrandrat: „Ich würde mir wünschen, dass Warnungen ernst genommen werden“
Was uns im Falle der Hochwasserkatastrophe wirklich geholfen hat, war, dass unsere Kreisverwaltungsbehörde und unser Landrat so früh den Katastrophenfall ausgerufen haben. Das hat geholfen, dass wir den Schaden doch eingrenzen konnten, obwohl wir im Landkreis immense Schäden hatten. Und was ich auch gelernt habe: Der Hochwasserschutz ist auch Bürgersache. Ich würde mir wünschen, dass Warnungen ernst genommen werden. Hört einfach mal auf das, was die Kreisverwaltung und die Feuerwehr euch sagt. Oder besorgt euch selbst eine Pumpe oder sogar ein Notstromaggregat, wenn ihr in einem Überschwemmungsgebiet wohnt. Bereitet euch auf drohende Katastrophen mit vor und überlasst nicht alles den Hilfsorganisationen, das wäre wünschenswert.“
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