Wutbürger: Allein dieses viel zitierte Wort lässt ahnen, wie viel sich im Umgang der Menschen untereinander verändert hat. Diskussionen enden nicht selten in Hass und Missgunst, vor allem, wenn es um politische Themen geht. Welche Möglichkeiten gibt es, so etwas zu verhindern und eine Gesprächskultur des Respekts zu fördern? Und damit auch die Demokratie zu stärken? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt des Projekts „Streitförderer“, bei dem das Krumbacher Lokal-Forum eine wichtige Rolle spielt.
Das Projekt „Streitförderer“ geht auf eine Initiative von Christian Boeser zurück. Er ist Akademischer Oberrat am Lehrstuhl für Pädagogik mit Schwerpunkt Erwachsenen- und Weiterbildung an der Universität Augsburg. Seit rund 25 Jahren beschäftigt er sich intensiv mit der Entwicklung der gesellschaftlichen Debatten. Wie gehen Menschen da miteinander um? Ist es möglich, auch höchst kontroverse Diskussionen konstruktiv und zielführend zu gestalten? Und kann das so gestaltet werden, dass sich die Menschen bei sehr unterschiedlichen Ansichten mit Respekt begegnen? Wenn dies gelingt, dann kann ein Streitgespräch am Ende gar fruchtbar, sozusagen „fördernd“ sein. Mit Blick auf die Stärkung der Demokratie ist dies Boeser ein besonderes Anliegen.
Und im Krumbacher Verein Lokal-Forum, der sich ebenfalls seit Langem mit dieser Thematik beschäftigt, fand Boeser einen „Mitstreiter“.
Raus aus der „Bubble“: Was man in Krumbach lernen kann
Voraussichtlich im Herbst werden in Krumbachs soziokulturellem Zentrum „Stückwerk“ zwei „Streitförderer“-Veranstaltungen stattfinden, die von Marc Hettich, dem Vorsitzenden des Lokal-Forums, organisiert werden. „Jeder kann kommen“, betont er. Ziel sei es, Menschen aus ihren jeweiligen „Blasen zu kriegen“. Denkbar sei darüber hinaus auch ein „Streit-Slam“, ein Wettstreit der Argumente auf offener Bühne, der ein kräftiges Zeichen für eine positive Diskussionskultur setzen könne. „Krumbach wird neben rund zehn weiteren Städten in Bayern Modellstandort sein“, erläutert Hettich. Die beiden Veranstaltungen seien demnach Testläufe für Gesprächsformate, die dann im Streitförderer-Projekt reflektiert und gegebenenfalls auch andernorts wiederholt werden.
Christian Boeser ist ferner Initiator des mittlerweile bayernweit stattfindenden Projekts „Lange Nacht der Demokratie“, die auch in Krumbach stattfand und wieder für das Jahr 2026 geplant ist. Boeser war bereits zweimal im Krumbacher „Stückwerk“ zu Gast. So gibt es mit Marc Hettich einen engen Austausch. Hettich ist hauptberuflich pädagogischer Mitarbeiter der Volkshochschule im Landkreis Günzburg und seit 2020 Vorsitzender des Krumbacher Kulturvereins Kult, der den Betrieb im „Stückwerk“ federführend organisiert. Vielen bekannt ist der 47-Jährige auch durch seine mehrjährige Arbeit als Quartiersmanager für die Stadt Krumbach.
Von Boeser ließ sich Hettich in einem mehrstündigen Online-Seminar zum „Streitförderer“ ausbilden. Boesers Aktion findet bayernweit breite Unterstützung. So ist die Zuversicht groß, dass sich eine ganze Reihe Interessierter zu „Streitförderern“ ausbilden lässt. Nach Auskunft von Hettich beteiligen sich an dem bayernweiten Projekt unter anderem die Naturschutzjugend (Naju) im Landesbund für Vogel- und Naturschutz, der Bauernverband, die Landfrauen und die evangelische Kirche – und das Lokal-Forum Krumbach.
Raus aus der Blase und rein in ein Gespräch, das auch bei höchst kontroversen Meinungen respektvoll sein kann: Das ist das Anliegen der „Streitförderer“, die in ganz Bayern tätig sind. Als Moderatoren bei verschiedenen Diskussionsveranstaltungen, aber beispielsweise auch in Schulklassen. Marc Hettich beispielsweise war zuletzt in der Grundschule in Höchstädt (Kreis Dillingen) zu Gast. Schülerinnen und Schülern stellte er die Frage, was sie denn mit einer Million Euro machen würden. Hettich schmunzelt, als er über die höchst unterschiedlichen Antworten berichtet. Es sei tatsächlich so gewesen, dass die Mädchen da tendenziell mehr an die Armen und Kranken gedacht hätten. Die Jungs hätten sich eher einen Ferrari oder ein großes Haus gewünscht.
Als Hettich über sein Gastspiel in Höchstädt berichtet, ahnt man, dass dies wohl mitunter auch eine unterhaltsame Runde war. Und genau das dürfe es ja auch beim Thema Demokratie sein. Denn Demokratie solle „richtig Spaß machen“. (AZ)
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