"Krautwurst & Weißwickel": Wenn das nicht Dada ist
Vor 75 Jahren starb Karl Valentin. Ein Augsburger Hochschulprojekt spannt ihn zusammen mit einem weiteren berühmten deutschen Künstler. Das Ergebnis ist ausgesprochen flippig.
Für Karl Valentin hat Michael Wörgötter ein Faible. Das begann in den 1990er Jahren, als Wörgötter, seinerzeit Verlagshersteller, drei Bände der damals im Entstehen begriffenen großen Werkausgabe betreute. Wörgötter, inzwischen Professor an der Fakultät für Gestaltung der Hochschule Augsburg, hat aber auch ein Faible für die Kunsttendenzen der 1920er Jahre, und da spielt ein Künstler wie die Dada-Ikone Kurt Schwitters eine maßgebliche Rolle. Irgendwann fiel Wörgötter auf, dass die beiden, der Münchner Valentin und der Hannoveraner Schwitters, mehr verband als nur das gemeinsame Sterbejahr 1948, ja dass ihr Ausdruckswillen durchaus vergleichbare Züge besaß. Was spräche also dagegen, Schwitters und Valentin mal für ein Designprojekt mit seinen Augsburger Hochschulstudenten zusammenzuspannen?
Vergangenen Sommer war es so weit, zehn Studentinnen und Studenten beteiligten sich an dem Projekt, das sich vor allem eines zum Ziel setzte: Der Kreativität ungezähmt ihren Lauf zu lassen, ganz so, wie es bei Valentin und Schwitters der Fall war, die bekanntlich ein Herz für das Anarchische besaßen. Wörgötter und seine Design-Studenten machten sich ans Werk, und dies im buchstäblichen Sinn: Die Werkausgaben von Valentin und Schwitters (hier acht, dort fünf Bände) wurden durchforstet, dazu allerlei weiteres Material, dessen man in ein paar Wochen habhaft werden konnte. Was nur irgendwie ins Auge stach, wurde vervielfältigt, zerschnipselt, neu kombiniert …
Valentins Kantschädel und Schwitters’ MERZ-Motive
Collagen sind es, die am Ende entstanden: Ausschnitte aus Fotos und Filmszenen von Valentin mit Kantschädel und Klepperdürrfigur, aus Schwitters MERZ-Klebebildern mit ihren Werbemännchen und Buchstabenfolgen, dazu immer wieder Texte der beiden, Schwitters’ „Ursonate“ („Fümms bö wö tää zää Uu“) oder Valentins Heine-Verballhornung: „Grüß Gott, und ich habe die Ehre, das heißt, ich bin halt so frei, Sie werden mich alle wohl kennen, man heißt mich kurz die Loreley“. Valentin, das weiß auch Wörgötter, unterliegt seit ein paar Jahren nicht mehr dem Urheberrecht.
„Ein wildes Ding“, dieses studentische Projekt, sagt der Professor im Rückblick. Doch so poppig, frech und „Dada“ die Collagen letztlich anmuten, galt es doch eine Regularie stets im Kopf zu behalten: Am Ende des wilden Kombinierens sollte, so lautete Wörgötters Vorgabe, ein Buch daraus entstehen. Das liegt seit Ende vergangenen Jahres auch vor, trägt den schönen valentinesken Titel „Krautwurst & Weißwickel“ und setzt den abgebildeten Collagen noch manches Krönchen auf – etwa, indem die Seitenzahlen nicht an Ort und Stelle zu finden sind, sondern ganz hinten zusammengefasst auf einer Seite. Wenn das nicht Dada ist!
Das "Musäum" meldete Interesse an
Auf den Band wurde auch das Münchner Valentin-und-Karlstadt-Musäum aufmerksam, das sich dem Andenken Valentins und seiner kongenialen Frau verschrieben hat. Ob sich aus den Collagen der Augsburger Hochschule vielleicht eine Sonderausstellung herstellen ließe für das Museum, am besten gleich zu Valentins 75. Todestag am 9. Februar? Wörgötter und seine Studenten waren verblüfft, ist ihr Projekt doch gerade nicht konzipiert als historische Würdigung einer Person, wie sonst bei Jubiläumsschauen üblich. Und dann ist beim Augsburger Collage-Projekt Karl Valentin ja nur die eine Hälfte, die andere gehört Kurt Schwitters.
Doch gerade dieser ungewöhnliche, gewollt offene Umgang mit Valentin/Schwitters überzeugte die Museumsleitung, sodass „Krautwurst & Weißwickel“ nun an diesem Donnerstag in den bekannt überschaubaren Ausstellungsräumen im Isartor eröffnet. Da gibt es dann nicht nur die Collagen des Buches im Original zu sehen. In Windeseile haben die Studenten auch noch ein Kurzvideo erstellt, das witzig dadaesk Collage-Schnipsel mit O-Tönen von Valentin und Schwitters verbindet.
- Ausstellung: Valentin-Karlstadt-Musäum im Isartor in München, täglich außer Mittwoch 11 bis 18, Sonntag 10 bis 18 Uhr (Laufzeit bis 2. Mai).
- Buch: „Krautwurst & Weißwickel“ erschienen im Allitera Verlag, 240 S., 20 Euro.
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