Abschiedsvorstellung für Gosch
Berlin (dpa) - Es war der Abend, an dem Jürgen Gosch offiziell die Ehrenmitgliedschaft des Deutschen Theaters in Berlin verliehen werden sollte.
Sein Name stand am Freitag bereits in goldenen Lettern auf der Tafel im Foyer neben Max Reinhardt, Elisabeth Bergner, Lucie Höflich, Albert Bassermann, Wolfgang Langhoff und Ernst Busch. Jetzt stehen Blumen und ein Porträtfoto Goschs mit Trauerrand und der Aufschrift "Wir trauern um Jürgen Gosch" davor, und in einem Kondolenzbuch hat sein Kollege und Weggefährte Michael Thalheimer eingetragen: "Lieber Jürgen, ich verneige mich vor Dir! Ich vermisse Dich und Deine Arbeit. Lebe wohl." Gosch war in der Nacht zum Donnerstag im Alter von 65 Jahren einem Krebsleiden erlegen.
Das Theater in der Schumannstraße veranstaltet in diesen Tagen ein kleines "Jürgen-Gosch-Festival" mit mehreren Inszenierungen des Regisseurs. Von seinen 18 Arbeiten an diesem Haus seit 1993, die in einer Fotoausstellung auch noch einmal dokumentiert sind, von "Amphitryon" über "Prinz Friedrich von Homburg" und "Auf der Greifswalder Straße", stehen noch immer fünf auf dem Spielplan, so an diesem Samstag Edward Albees "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" und in der nächsten Woche Tschechows "Onkel Wanja". Am Donnerstag, als Gosch starb, spielte sein Ensemble seine preisgekrönte Tschechow- Inszenierung "Die Möwe".
Am Freitag stand seine letzte Inszenierung am Deutschen Theater, "Idomeneus" in der Fassung von Roland Schimmelpfennig, auf dem Programm, die am 28. April Premiere hatte. Für den Applaus bedankte sich damals ein bereits von der Krankheit gezeichneter Regisseur im Rollstuhl sitzend, von den Schauspielern und dem Publikum gleichermaßen gefeiert. Es hätte Gosch auch gefreut zu sehen, dass am Freitag vor dem Theater wieder Besucher standen mit Schildern in der Hand "Karte gesucht, bitte!!". Und es gab auch wieder starken Beifall für seine Arbeit und das Ensemble mit Darstellern wie Alexander Khuon, Margit Bendokat, Christian Grashof und Meike Droste.
Gosch hatte noch auf eine andere Premiere hingearbeitet: Nach der Vorstellung am Freitag wurde im Theater zum ersten Mal öffentlich eine Filmaufzeichnung seiner legendären Kölner "Ödipus"-Inszenierung von 1984 mit Ulrich Wildgruber gezeigt. Gosch hatte an der Schnittfassung noch bis zuletzt gearbeitet, wie auch an den Proben seiner neuen Inszenierung der "Bacchen" (andere Schreibweise: Bakchen) des Euripides, die am 26. Juli bei den Salzburger Festspielen und am 10. September am Berliner Ensemble bei Claus Peymann herauskommen sollte.
Im Deutschen Theater war es am Freitag nun so etwas wie eine Abschiedsvorstellung mit bewegenden Momenten, wenn Alexander Khuon (sein Vater Ulrich Khuon ist von der neuen Spielzeit 2009/2010 an neuer Intendant am Deutschen Theater) als der antike König von Kreta und Held vor Troja seine letzten Worte spricht: "Ich bin ein König gewesen...Ich habe alles verloren...Ich hänge am Leben!"
Im Kondolenzbuch war am Freitag nach der "Idomeneus"-Aufführung zu lesen: "Vor dem Hintergrund des Todes eine ergreifende Inszenierung". Ein anderer Besucher schrieb: "Es gibt nur wenige Menschen, die die Fähigkeit besitzen, anderen Zeit zu schenken. Wir danken für jeden wunderbaren Moment, den Du dem Publikum geschenkt hast". Im Theater lag auch das Programmheft für die neue Spielzeit 2009/2010 aus, in dem Intendant Ulrich Khuon sich auch auf die Zusammenarbeit mit Jürgen Gosch freut. Vor dem Deutschen Theater in der Schumannstraße steht seit geraumer Zeit schon ein großer Schriftzug in Leuchtbuchstaben "Verweile doch".
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