Avril Lavigne ersteht mit "Head Above The Water" wieder auf
Sie war das coole Gör unter den Pop-Prinzessinnen – bis sie eine schwere Krankheit aus allem herausriss. Nun meldet sich Avril LAvigne mit einem neuen Album zurück.
Heimtücke des Schicksals, dein Name ist Lyme-Borreliose. So jedenfalls war es im Fall von Avril Lavigne. Eben noch eine der Größeren der bereits Etablierten unter den Pop-Prinzessinen dieses Planeten, weil sie es geschafft hatte, nach ihrem Sensationsdebüt von 2002 mit Hits wie „Complicated“ einfach immer weiter oben zu bleiben, Nummer-eins-Alben in den USA und der ganzen Welt. Und dann der plötzliche Absturz, ans Bett gefesselt, schwer erkrankt, bloß keine Ahnung, woran. 2014 war das.
Avril Lavigne: „Gott, halt meinen Kopf über Wasser."
Und dann, am tiefsten Punkt, als sie dachte, sie würde jetzt sterben, als sie meinte, sie würde ersticken, und es sich anfühlte, als würde sie ertrinken, gerade mal 30 Jahre alt, die Mutter neben sich, einander haltend – da formulierte sie für sich ein Gebet, das nun der Text eines Popsongs ist, das Evangelium ihrer Auferstehung, das Titelstück ihres an diesem Freitag erscheinenden Comeback-Albums „Head Above The Water“: „Gott, halt meinen Kopf über Wasser. Lass mich nicht ertrinken, es wird härter.“ Avril Lavigne, die gerade noch um die Welt gejettet war, immer die Freche, das Gör unter den Pop-Prinzessinnen, eine, die auch den Boulevard auf Trab hielt, verheiratet mit Deryck Hibley von den Punkrockern Sum41 und dann mit Chad Kroeger von Nickelback, zwischendurch liiert mit Brody Jenner aus dem Kardashian-Clan – zwei Jahre lang konnte sie das Bett nicht verlassen. Lyme-Borreliose. Ihr letzter Hit hieß: „Here’s The Never Growing Up“ – hier ist die, die nie erwachsen wird.
Das hört sich nun zu ihrer Rückkehr anders an. Zum einen, weil es noch mehr Texte auf diesem ersten Album seit sechs Jahren gibt, die aus jener dunklen Zeit stammen. „Warrior“ zum Beispiel: „Ich bin eine Kriegerin. Ich kämpfe um mein Leben wie ein Soldat.“ Und solcherlei kommt freilich nicht mehr mit dem punkigen Pop daher wie dereinst „Sk8er Boi“ oder „Girlfriend“. Zum anderen ist die nun 34-jährige Avril Lavigne über den existenziellen Erfahrungen mit jener Krankheit nach eigenem Bekunden tatsächlich erwachsen geworden. Und das hört man eben auch. Die Stimme hat plötzlich Soul, sei es in Balladen wie „Tell Me It’s Over“ oder im Midtempo wie bei „Crush“ und „Goddess“.
Avril Lavigne zeigt auf dem Album-Cover ihren nackten Körper
Die Songtitel sagen es zwar schon: Es geht meist um Liebesgeschichten. Aber die immer selbst schreibende und komponierende Kanadierin erzählt sie, auch wenn sie zwischendurch auch mal ordentlich auf einen Ex einprügelt („Dumb Blonde“), eher als Emanzipationsgeschichten. Und wenn diese neue Avril Lavigne auf dem Album-Cover ihren nackten Körper in Schwarz-Weiß und lediglich von dem nötigen Bisschen einer Gitarre verdeckt zeigt, wirkt das nicht Miley-Cyrus-haft sexy, sondern eher Lady-Gaga-artig als Statement.
Dieser Körper übrigens, wenn auch von der akuten Krankheit genesen, zeigt der noch immer gern Skateboard fahrenden Avril Lavigne weiterhin Grenzen auf. Die Lyme-Borreliose kann auch chronisch werden. Und die Erinnerung an die Krankheit wird der Sängerin ohnehin bleiben. In jenen neuen, für sie sicher für immer speziellen Songs – aber auch durch die eigene Stiftung, die sie inzwischen gegründet hat. Dort sammelt sie Spenden für Patienten mit Borreliose und anderen Erkrankungen. Sie hat dazu öffentlich zu Protokoll gegeben: „Das Leben ist nicht einfach, es gibt ständig Auf und Abs. Da ist es wichtig, dass Menschen zusammenkommen und sich gegenseitig helfen.“
Gut, dass ihre Songtexte besser sind. Und hoffentlich auch egal, wenn es für die Pop-Künstlerin damit nicht mehr an die Chartspitze reichen wird. Avril hat ihre große Zeit gehabt. Jetzt ist es schon das größte Geschenk, dass sie überhaupt noch eine Zeit hat.
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