Bayreuth feiert Christian Thielemann
Bayreuth (dpa) - Es war der Tag des Christian Thielemann - 100. Vorstellung auf dem "Grünen Hügel" und dann auch noch der offizielle Vollzug des Beratervertrages mit der Festspielleitung.
Nur wenige Monate nach dem Tod des knorrigen 90-jährigen Patrons Wolfgang Wagner haben die Bayreuther Festspiele, wie es scheint, wieder einen starken und manchmal auch eigensinnigen Mann an der Seite der beiden Halbschwestern Eva Wagner-Pasquier und Katharina Wagner.
Das Publikum liebt und verehrt den Pultstar ohnedies schon länger als Hüter der Wagner-Tradition. Am Mittwochabend wurde der 51-Jährige nach der "Walküre" wieder stürmisch gefeiert. Und auf der Bühne ging der Jubel danach intern weiter. Da war Angela Merkel freilich schon weg. Die Kanzlerin, ein bekennender Wagner-Fan, hatte sich Teil 2 des "Rings" nicht nehmen lassen. Merkel sei nach ihrer Teilnahme bei der Eröffnung der Festspiele am Sonntag diesmal aber privat auf dem "Grünen Hügel" gewesen, hieß es. Entsprechend huschte sie in der Pause ganz ohne Entourage durchs Premierenwochenpublikum.
Mit Wagners "Meistersingern von Nürnberg" begann im Jahr 2000 das Engagement des gebürtigen Berliners Thielemann in Bayreuth. "Parsifal", "Tannhäuser" und eben "Der Ring des Nibelungen" folgten. So sind 100 Dirigate aus dem unsichtbaren Orchestergraben zusammengekommen, davon seit 2006 allein an die 50 "Ring"- Vorstellungen. Katharina Wagner gratulierte nach dem letzten Vorhang artig auf der Bühne, vom Orchester gab es Wein des Thielemann- Geburtsjahres 1959 und einen Faksimiledruck des Siegfried-Idylls.
Und der Geehrte beschenkte sich selbst: Dieser Tage unterschrieb er seinen Beratervertrag mit der Festspielleitung. Zu der Vereinbarung gehören auch die Mitsprache bei der Dirigentenfrage und der Wahl von Solisten. 2012 übernimmt Thielemann auf dem "Grünen Hügel" den "Fliegenden Holländer", 2015 "Tristan und Isolde" - fehlt dann nur noch der "Lohengrin".
Seit Felix Mottl habe kein Dirigent mehr in Bayreuth so viele Werke Wagners aufgeführt, schwärmte Festspielsprecher Peter Emmerich über Thielemann. Das ist über hundert Jahre her. An der Zahl der Dirigate hat der neue starke Mann der Richard-Wagner-Festspiele Mottl längst übertroffen. Vom einstigen Münchner Opernchef sind 69 Aufführungen in Bayreuth überliefert. Wenn Christian Thielemann nach Ende der diesjährigen Festspiele vom "Grünen Hügel" abreist, hat er schon 110 Vorstellungen "im Kasten".
Noch jemand wurde am Mittwochabend im Festspielhaus gefeiert: Heldentenor Johan Botha. Dem gebürtigen Südafrikaner und österreichischen Kammersänger gelang in der Rolle des seine Zwillingsschwester liebenden Siegmund ein grandioses Bayreuth-Debüt. Seine baritonal gefärbte und weich geführte Stimme kam beim Publikum bestens an. Mitunter klingt Bothas Tenor aber leicht nasal. Edith Haller war Bothas kongeniale Partnerin als lyrisch-strahlende Sieglinde.
Auch Linda Watson hatte als stimmgewaltige und ausdrucksstarke Brünnhilde einen guten Tag erwischt. Albert Dohmen überzeugte als Wotan. Bejubelt wurden ebenso Kwangchul Youn als Hunding und Mihoko Fujimura in ihrem Rollendebüt als Fricka. Thielemann indessen entlockte bei seinem Bayreuth-Jubiläum dem glänzend aufspielenden Festspielorchester die komplette Dynamik der reichhaltigen Motivsprache in Wagners Partitur - es fehlten weder die zarten Piani noch die kraftvollen Fortissimi.
Der "Ring" in der neuzeitlich-faden Inszenierung von Tankred Dorst wird bei den Festspielen in diesem Jahr zum fünften und letzten Male gegeben. Nach zweijähriger Pause soll erst 2013 ein neuer "Ring" herauskommen. An diesem Freitag folgt "Siegfried", am Sonntag ist "Götterdämmerung" angesagt.
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