Nahezu blind. Aber Galerist
Wie es Johann König schaffte, ein weltweit erfolgreicher Kunsthändler zu werden
Viel Zeit hat er nicht, hier in Basel, auf der Kunstmesse. Er muss ja Sammler bedienen, muss verkaufen. „Es ist die Essenz des Kapitalismus, dass er keinen Stillstand duldet“, schreibt er gegen Ende seiner soeben ausgelieferten Biografie. Aber so viel sagt er in Basel schon: Als er 2008 hierher fuhr, sei er überfordert gewesen.
„Überfordert“? Wer wäre das nicht bei knapp 300 zu begutachtenden Galerien. Aber bei Johann König, dem Berliner Erfolgsgaleristen, enthält dieses Wort noch einmal eine besondere, eine bittere Pointe.
König ist stark sehbehindert, und als er seiner Berufung im Jahr 2002 folgte – da hatte er noch nicht einmal das Abitur in der Tasche –, war er sogar nahezu blind. Heute aber gehört er – nicht zuletzt dank der von ihm vertretenen Künstler – zu den einflussreichsten Galeristen Europas, wenn nicht gar weltweit. Er setzt sich u.a. ein für: Erwin Wurm, Katharina Grosse, Michael Sailstorfer, Jeppe Hein, Jorinde Voigt – und Natascha Sadr Haghighian, die heuer auserkoren war, den deutschen Pavillon auf der venezianischen Biennale zu gestalten. Der Stamm- sitz der Galerie befindet sich dicht an der ehemaligen Mauergrenze Berlins, in der profanisierten Kirche St. Agnes, ein Rohbeton-Bau der 60er Jahre. Wer dort vor zwei Jahren vorbeischaute, sah im Erdgeschoss noch Ausstellungsfläche. Wer dort vor einem halben Jahr vorbeischaute, sah an gleicher Stelle viele Schreibtischarbeitsplätze. Es gibt viel zu tun... Auch die Herausgabe der eigenen Kunstzeitschrift „König“, auch die Produktion von Merchandising-Objekten.
Die Frage aller Fragen ist natürlich: Wie schafft ein nahezu blinder Einsteiger diesen Aufstieg? Königs Biografie gibt über das ohnehin Bekannte Aufschluss. Dieses ohnehin Bekannte sind sein Vater Kasper König, der berühmte Kurator und ehemalige Kölner Museumschef, und der Onkel Walther König, dieser namhafte Verleger und bundesweit tätige Kunstbuchhändler. Dass Johann König in kunstsinniger Familie aufwuchs – mit Kontakt etwa zu On Kawara – löst das Rätsel aber nicht ansatzweise. Auch persönliche Vorteile wie finanzielle Unterstützung der Familie, Wissensdurst, Kampfgeist und Risikobereitschaft reichen nicht dazu aus.
Der entscheidende Punkt liegt dann wohl doch, wie König beschreibt, in der Umwandlung von Schwäche zu Stärke. Konkret: Weil er als angehender Galerist mangels Sehkraft kaum Bilder beurteilen konnte, entschied er sich für die Präsentation von Konzeptkunst. Wenn Künstler(innen) ihn mit ihrem Konzept, ihrer Philosophie, ihrer plausiblen Darlegung der künstlerischen Welt, die sie erschaffen wollten, überzeugen konnten, dann wurden sie auch in Galerie-Ausstellungen gezeigt.
Und seitdem König durch eine neu entwickelte Operationsmethode wieder 30- bis 40-prozentige Sehkraft erlangt hat, vertritt er auch Maler(innen) und Zeichner(innen). Er hatte Glück im Unglück. Es hätte damals, als er zwischen Kindheit und Pubertät stand, auch passieren können, dass ihm der bedenkenlose Umgang mit Startschusspistolen-Munition komplett und irreversibel das Augenlicht raubt.
"Johann König: Blinder Galerist. Verlag Propyläen, 166 S., 24 Euro
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