Das klassische Kino hat’s noch mal geschafft
Netflix geht trotz zahlreicher Nominierungen bei den Golden Globes fast leer aus – auch bei den Serien. Gibt es Richtungsweisendes für die Oscars? Eine Analyse.
Wie alljährlich, wenn einen Monat vor den Oscars die Golden Globes vergeben werden, stellt sich die Frage: Wie richtungsweisend ist das, was die 97 in Hollywood organisierten Auslandsjournalisten da als Jury entschieden haben? Zwei Richtungen sind es, die sich aus der 77. Verleihung nun herauslesen lassen: 1. Die ganzen Debatten über die stärkere Berücksichtigung von Frauen als Filmverantwortliche haben ebenso wenig Spuren hinterlassen wie die Proteste, Hollywood sei dominiert von der Hautfarbe Weiß. 2. Die Übernahmen durch Produktionen des Streamingdienstes Netflix haben (noch) nicht stattgefunden.
Wobei Ersteres bereits vor der Gala am Samstagabend Ortszeit weitgehend festgestanden hatte. Denn in der Kategorie Regie war ebenso wenig eine einzige Frau nominiert, wie einer der Filme in der Königskategorie „Bestes Drama“ von einer Frau verantwortet war. Und dann gingen auch noch die einzigen dunkelhäutigen Darsteller-Nominierten mit Cynthia Erivo („Harriet“) und Eddie Murphy („Dolemite is my Name“) leer aus.
Zu den großen Siegern des Abends wurden: Sam Mendes, der mit seinem Erste-Weltkriegs-Film „1917“ im Fach Drama und im Fach Regie gewann, und Quentin Tarantino, der mit „Once Upon A Time in Hollywood“ die Preise für die beste Komödie und das beste Drehbuch einheimste (und dazu einen Nebendarsteller-Globe für Brad Pitt).
Auch Scorsese geht bei den Golden Globes komplett leer aus
Das bedeutet aber eben auch für Zweiteres: Keine der starken und breit unter den Nominierten vertretenen Netflix-Produktionen konnte sich durchsetzen. Martin Scorseses Star-besetzter „The Irishman“ ging wie Fernando Mereilles’ „Die zwei Päpste“ komplett leer aus, und für „Marriage Story“ gab es nur den Nebendarstellerin-Preis an Laura Dern, Hauptdarsteller Adam Driver musste sich gegen Joaquin Phoenix („Joker“), Hauptdarstellerin Scarlett Johansson gegen Renée Zellweger („Judy“) geschlagen geben. Es siegt klassisches Hollywood-Kino, das Tarantino in seinem Film ja feiert und das der Brite Mendes mit seinem Genre bedient. Ob das bei den Oscars auch so sein wird? Spätestens die Verleihung am 9. Februar wird es zeigen, aber auch bereits die in den kommenden Tagen erwartete Nominierungsliste erste Aufschlüsse geben – was Frauenquote und weiße Dominanz angeht.
Zuungunsten der zuvor mit 34 Nominierungen bei weitem meistgenannten Produktionsfirma Netflix endete aber auch ein Bereich der Golden Globes, der bei den Oscars gar keine Rolle spielt. Denn auch bei den prämierten Fernsehserien gingen praktisch ausnahmslos andere Dienste als Sieger aus dem Galaabend. Für bestes Drama und besten Hauptdarsteller (Brian Cox) wurde hier „Succession“ von HBO gekürt, wie auch die beste Mini-Serie mit „Chernobyl“ dort lief. Der Streamingdienst Hulu gewann mit Ramy Youssef in „Ramy“ und mit Patricia Arquette in „The Act“. Vor allem aber sahnten britische Produktionen wie „Fleabag“ und „The Crown“ mit Olivia Coleman ab.
Mit HBO-Gewinner Russell Crowe („The Loudest Voice“) schließlich kam auch noch etwa Politik in den Abend. Der Australier nämlich reiste aufgrund der verheerenden Brände in seiner Heimat nicht zur Preisverleihung an und sandte dafür einen flammenden Appell für den Klimaschutz. Das immerhin kann man getrost als richtungsweisend für die Oscars verstehen.
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