Ozzy Osbourne: Der Eisenmann aus Birmingham
Der wüste Ozzy Osbourne hat noch mal ein Album herausgebracht. Es heißt sinnigerweise "Ordinary Man".
Warum hat der Mann noch keinen eigenen Film? Freddie Mercury bekam mit "Bohemian Rhapsody" ein liebevoll gemeißeltes Denkmal, Elton John erhielt die hübsche Kostümorgie "Rocketman", und selbst die Metal-Clowns Mötley Crue kommen in ihrer dezent schweinigeligen Karriere-Rückschau "The Dirt" gut weg. In einer Szene taucht dort auch der Mann auf, der den Rockstar-Irrsinn auf die Spitze getrieben hat – als ein nicht mehr ganz junger, völlig weggetretener Typ, der es schlimmer treiben konnte als der neu-dekadente Nachwuchs: Ozzy Osbourne schnupft nicht nur Kokain, sondern zieht sich eine Ameisenstraße in die Nase und leckt am Swimmingpool seinen Urin auf.
Das ist unfassbar lächerlich und es wäre komplett ungerecht, wenn diese Szene zusammen mit der gruseligen Familien-Doku-Soap "The Osbournes" das filmische Denkmal für Ozzy Osbourne bliebe. Denn der darf nicht auf den unbeholfenen, dauerbenebelten Tollpatsch reduziert werden. Er ist einer der letzten legendären Helden der Rockmusik, er hat Geschichte geschrieben und jetzt sogar noch ein neues Album veröffentlicht, in dem er fast eine Art Lebens-Bilanz zieht.
Der Vorschlaghammer, der die Fans im Krach vereint
Das passiert fast exakt 50 Jahre nachdem Black Sabbath im Februar 1970 ihr erstes Album veröffentlicht hatten. Ozzy Osbourne, der mit seinem klagenden Gesang dem Dunkel-Rock von Black Sabbath die passende Stimme verlieh, wurde damals zum Gottvater des Heavy Metal.
Mit dem Sound senkte sich die Finsternis über das Land der Blumenkinder und es war, als hätten die vier Typen aus der Stahlstadt Birmingham all die bunten Hippie-Blüten mit dem Vorschlaghammer zerdeppert. Der Heavy Metal war geboren, der auch nach einem halben Jahrhundert die Fans im Krach vereint und sich als deutlich harmloser erwiesen hat, als Kirchen, Tugendwächter und Eltern lange dachten. Die Hörgeräteindustrie stand dem Phänomen schon immer deutlich aufgeschlossener gegenüber.
Osbourne gibt sich auf seinem neuen Album "Ordinary Man" einerseits krawallig ("Straight To Hell"), aber er blickt auch nachdenklich auf sein wüstes Leben zurück, indem er im Titelstück schreibt, er sei auf den Ruhm nicht vorbereitet gewesen, sei zum bösen Buben geworden und wundere sich, dass er immer noch lebe.
Die Ehefrau baute den abgewrackten Ozzy Osbourne wieder auf
Das liegt wohl zu einem guten Teil an seiner Ehefrau Sharon, die ihn jahrzehntelang trotz aller Exzesse zumindest soweit stabilisierte, dass er sich nach seinem Rauswurf bei Black Sabbath eine erfolgreiche Solo-Karriere aufbauen konnte, während seine Ex-Band – von einigen Lichtblicken abgesehen – ziemlich inkonstant dahin rockte und vor allem von ihrer Legende lebte.
Im Video zu "Under The Graveyard" hat Ozzy seiner Frau ein kleines Denkmal gesetzt. Es zeigt, wie sie diesen abgewrackten, saufenden, koksenden und Frauen verbrauchenden Typen zumindest fürs Erste ausnüchtert und aufbaut. Das Video könnte vielleicht Teil eines Films über Osbourne werden, für den es nun langsam Zeit wird. Zu erzählen gäbe es vieles, etliches Ruhmreiches, viele wüste Eskapaden. Liebe und Läuterung wären auch geboten – und natürlich viel Musik, die zum Leben von Abermillionen von Menschen dazu gehört. Die exorbitanten Klickzahlen von Ozzys neuen Videos bei Youtube zeigen: Die Fans haben ihn nicht vergessen – vor allem, nachdem Anfang des Jahres bekannt wurde, dass der Sänger an Parkinson leidet, seine Tage somit so langsam gezählt scheinen.
Aber: Der Eisenmann aus Birmingham hat in seinem schillernden Leben so viel überstanden, dass man einen alten Witz abändern muss. Der lautet: Wer überlebt einen Atomkrieg? Die Kakerlaken und Keith Richards – und Ozzy.
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