Der alte Indianer jagt dem Traum von Freiheit nach
Cuxhaven (dpa) - Winnetous Silberbüchse hängt schon seit Jahren am Nagel. Stattdessen jagt Pierre Brice, der einstige Darsteller des edlen Häuptlings, nun auf der Bühne dem "Traum von Freiheit" nach. So heißt das Musical von Christian Berg, mit dem der 81-Jährige am Donnerstagabend in Cuxhaven Premiere feierte.
Als "Wanderer zwischen den Welten" erzählt Brice dort die Geschichte der Tjede Peckes, die zu Beginn des 16. Jahrhunderts den Aufstand der Wurster Friesen gegen den Bischof von Bremen anführte. Auch wenn das Stück einen eher zwiespältigen Eindruck hinterließ, die 500 Premierengäste bejubelten Berg, Brice und ihre 26 Schauspiel- Kollegen.
Eigentlich ist es erstaunlich, dass die Geschichte der norddeutschen Jeanne d'Arc erst jetzt für die Bühne entdeckt wurde. Denn der "Traum von Freiheit" hätte schon gut in jene Zeit gepasst, in der die ersten Kinder der 68er Generation von Theatertruppen wie der "Roten Rübe" den aufrechten Marsch durch die Instanzen lernten.
Berg, der bislang mit nuancenreichen Musical-Adaptionen bekannter Kinderstücke auffiel, lässt dieses Mal in der Co-Produktion mit der Autorin und Regisseurin Melanie Herzig kein Klischee aus. Natürlich ist Tjede ein hübsches junges Mädchen. Natürlich ist der Bischof, dem sie trotzt, ein böser Mann mit wurstigen Grabbelfingern.
Dazu schmettert der Chor der entrechteten und geschundenen Landbevölkerung mit Inbrunst: "Freiheit ist nicht nur ein Traum; Freiheit sucht sich ihren Raum, schick die Hoffnung himmelwärts." Auch die von Konstantin Wecker geschriebene Musik passt in diesen Kontext. Die Töne changieren zwischen dem "Phantom der Oper" und den zum Ende der 80er Jahre verklungenen Arbeiter- und Bauernmärschen.
Die von Berg und Herzig erzählte Geschichte basiert auf dem historisch belegten, aber fast vergessenen Freiheitskampf der Wurster Friesen im nordwestlichen Elbe-Weser-Dreieck. Tjede Peckes soll den Aufstand von 1507, an dem auch 500 Frauen teilnahmen, angeführt haben.
In ihrer Aufarbeitung haben sich Berg, Herzig und Wecker für ein "Familienmusical" entschieden, das in seiner Ansprache der unterschiedlichen Altersgruppen allerdings mit Brüchen daher kommt. Am Ende ist es sowohl ein Kinder- als auch ein Erwachsenenstück, beides aber nur phasenweise.
Pierre Brice begegnet dieser Mischung aus guten und gut gemeinten Einfällen, aus Spitzen und Plattitüde mit einer stoischen Ruhe, wie sie auch den edlen Häuptling der Apachen ausgezeichnet hätte. Auf der Bühne beweist der gealterte Held von Leinwand und Bad Segeberger Kreidefelsen noch einmal seine Überzeugung: "Ich bin von Beruf nicht Indianer, sondern Schauspieler."
Eigentlich hat er sich von Berg für das Sommertheater in Cuxhaven begeistern lassen, weil er "ein Herz und ein Faible für Verrückte hat". Zum Schluss der Premiere gesteht Brice mit unübersehbarer Rührung, dass ihn die Laien- und Profischauspieler des Stückes noch mehr überzeugt haben. "Ich bin bereit, wieder mit solchen Leuten zu arbeiten", sagt Brice mit starkem französischen Akzent. Bis zum 8. August ist er noch in Cuxhaven zu sehen.
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