Die Auferstehung des Pop-Jahres: The Strokes!
Toll: Die New Yorker Helden der Nuller-Jahre melden sich zurück. Bitter: Ein Schicksal ihres Debüts wiederholt sich für die Strokes mit „The New Abnormal“
Vor ein paar Wochen noch, Berlin, Columbiahalle, die Welt schien soweit in Ordnung – und The Strokes spielen zum Auftakt ihrer Rückkehr ein Konzert, das zum Triumph wird. Vor ziemlich genau 18 Jahren sind die fünf aus New York schon mal hier gewesen, damals mit ihrem Debütalbum „Is This It“. Erschienen im Sommer 2001, sie waren auf Anhieb und mit Abstand heißeste Rockband der Welt. Keiner weit und breit kam so cool und so lässig rüber wie die Strokes. Die Strokes, damals alle Anfang 20, waren für die Nullerjahre in leicht abgemilderter Form das, was Nirvana zehn Jahre vorher für die Neunziger waren: Sie retteten den Rock ’n’ Roll, belebten ihn wieder, gaben ihm neue Kraft. Und zwei Monate damals die Anschläge des 11. September – und nun zwischen der Präsentation kürzlich und dem Erscheinen am Karfreitag des neuen Albums „The New Abnormal“ eben Corona …
Komisch. Aber egal. Denn abseits bleibt die wahre Freude von Wiederkehr und Wandlung. The Strokes also: Sänger Julian Casablancas und Gitarrist Albert Hammond Jr., der eine Sohn eines Modelagenturchefs, der andere Sohn des „It Never Rains In Southern California“-Albert, hatten sich auf dem Internat Institut le Rosey am Genfer See angefreundet, auch Gitarrist Nick Valensi, Bassist Nikolai Fraiture und Schlagzeuger Fabrizio Moretti entspringen der Privatschul-Upper-Class Manhattans – zogen in den Folgejahren einen ganzen Rattenschwanz an damals sogenannten „The“-Bands hinter sich her: The White Stripes, The Libertines, The Vines, etwas später ohne The, aber ebenso epigonal Franz Ferdinand und die Arctic Monkeys.
Zuletzt: versandet, belanglos - aufgelöst? Jetzt aber!
Aber die Strokes, deren Sound sich aus Ikonen wie Iggy Pop, The Ramones, den Talking Heads oder Velvet Underground speiste, waren halt das Original. Und sahen am besten aus. Und räumten ab. In Europa noch mehr als in der amerikanischen Heimat. „Is This It“ ist heute ein Kultalbum, die Songs wie „The Modern Age“, „New York City Cops“ und speziell „Last Nite“ sind Klassiker des modernen Rocks – und selbstverständlich auch im Programm beim Präsentationskonzert. Vorne trollt Casablancas über die Bühne, auch diesmal kann man nicht mit Bestimmtheit sagen, ob er nun irgendwie dicht, oder ob diese nuschelig-lakonische Attitüde Teil der Show ist. Zu „Last Nite“ wirft sich der Sänger, mittlerweile 41 und längst Familienvater, in die schwitzenden und tanzenden Massen. Dann aber vor allem die neuen Songs, die eine Wende in der Bandgeschichte bedeuten. Denn nach zuletzt immer schwächeren und unerfolgreicheren Alben (das letzte, „Comedown Machine“, versandete 2013) und belanglosen Soloprojekten ist mit den Strokes jetzt wieder voll zu rechnen.
„The New Abnormal“ also. Die Platte, knackige neun Songs lang, ist ausgezeichnet. Kein „Is This It“, aber so ziemlich die beste seitdem. Der Produzent heißt Rick Rubin – ein komischer Kauz, aber auch ein Mann für die ganz schweren Fälle und die großen Ereignisalben. Red Hot Chili Peppers, Adele, Johnny Cash – das ist so Rubins Liga. Und sofort setzt dieses nostalgisch-wehmütige Wiedererkennen (auch man selbst war fast 20 Jahre jünger, verdammt) ein, allerdings gekoppelt an Gefühle von Aufbruch, Ungestümtheit, energische Lebenslust, äh, Rausgehen, Feiern, Trinken.
Das romantische eingefärbte, dennoch zum Bewegen verleitende, „Selfless“, das Disco-orientierte „Brooklyn Bridge To Chorus“, die traurige, entfernt an Roxy Music erinnernde „Ode To The Mets“, das vor sich hin pluckernde „The Adults Are Talking“, das von Julian Casablancas im Falsett gesungene „Eternal Summer“ und insbesondere die sehr, sehr flotte, an Billy Idols „Dancing With Myself“ angelehnte, Single „Bad Decisions“ – das alles sind Songs, die es verdient haben, in diesem Sommer noch oft gehört zu werden.
Und bei denen man jetzt schon denkt: Wenn das alles hier vorbei ist, dann sollte man dringend mal wieder nach New York fahren.
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