Die Sintflut muss kommen
Das Theater Augsburg hat im Hoffmannkeller "Die Kaperer" inszeniert. Dem Stück und den Schauspielern wurde freier Lauf gelassen. Von Richard Mayr
Vor dem Schreckensgemälde der Klimakatastrophe hat Philipp Löhle, eines der neuen Talente der deutschen Theaterszene, seine Tragikomödie "Die Kaperer" angesiedelt.
Da erfindet Mörchen das Haus der Zukunft, das noch dem schlimmsten Hochwasser mit einer ausgeklügelten Hydraulik trotzen soll und keine Heizung benötigt. Im Hoffmannkeller des Theaters Augsburg war in einer am Text bleibenden Inszenierung von Christopher Haninger zu sehen, dass Löhle es spielend einfach gelingt, mit Niveau zu unterhalten.
Mörchen (Philipp von Mirbach), ganz genialischer Erfinder, schwelgt im Weltrettungspathos. Das hat zur Folge, dass sich bei ihm eine Blindheit für die alltäglichen Probleme des Lebens eingestellt hat. Seiner Frau Biene (Ute Fiedler) stehen Kind, Garten und Tiere näher als das Schicksal der Menschheit.
An sich ist das kein Problem, bis Biene ihren Mann im Keller überrascht. Er fingert gerade an der komplexen Hydraulik des Hauses herum und hat sich eine Kabelschlinge um den Hals gelegt. Sie deutet das - populär psychologisch hochgerüstet - in einen Suizidversuch um.
Biene gelingt es auch noch, das mit ihnen befreundete Paar Arne und Nele davon zu überzeugen, dass Mörchen mit dem Druck nicht mehr umgehen kann und einen Selbstmordplan gefasst hat. Mörchen wird dadurch in die Rolle des nicht verstandenen Propheten gedrängt, ein moderner Noah, der im hochwassersicheren Haus eine Sintflut herbeisehnt, um der Welt, seiner Frau und seinen Freunden zu beweisen, dass seine vier Wände Zukunft und Rettung zugleich sind.
Haninger pfropft seiner Inszenierung keinen Überbau auf, er lässt dem Stück und den Schauspielern freien Lauf. Auf karger, die beengten Verhältnisse bestens ausnützende Bühne (Marie Holzer und Isabelle Kittnar) wird ein Panoptikum moderner Charaktere lebendig. Eine glänzende Miriam Wagner macht aus Nele den Typ Frau, der sich Gefühle vor lauter Langeweile wie Kleidungsstücke überzieht. Das gelingt ihr selbst dann, wenn sie sich als Rächerin Bienes in einen verbalen Auspeitschungsexzess hineinsteigert. Tjark Bernaus Programmierer Arne ist ein fiebriges Nervenbündel, das nur mäßig begabt ist, soziale Probleme zu lösen.
Mörchen und Biene geben ein zu bedächtiges Paar ab
Nur Mörchen und Biene hätte man sich jünger vorgestellt. Ute Fiedler und Philipp von Mirbach geben ein zu bedächtiges Paar ab. Fiedlers Biene ist die Mama Anfang vierzig, die jeden Lebensschritt unters intellektuelle Korsett gezwängt hat und vor Bewusstheit nur so strotzt. Von Mirbachs Mörchen fehlt die scharfe Kante, die ihn als Rufer in der Wüste von Kind und Frau und Freunden trennt. So bleibt Mörchen bis zum Schluss ein unverstandener Sympathieträger. Die durchschlagende Wirkung des Stückes bleibt aber erhalten, weil allen tragischen Zügen zum Trotz die Handlung immer wieder komisch durchbrochen wird.
Weitere Termine sind 5., 14., 20. und 28. Februar, 8. und 15. März sowie am 2. April. Beginn jeweils um 20.30 Uhr.
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