Die einzige begehbare Kamera der Welt
Die Imago 1:1 schießt imposante Fotos - in Lebensgröße nämlich. Noch bis Montag, 22. April , kann man sich in der Pinakothek der Moderne in München in ihr fotografieren lassen.
Den kleinen roten Knopf des Selbstauslösers drückend, steht man da: im Inneren der Imago 1:1, einer einzigartigen Kamera, die lebensgroße Schwarz-weiß-Porträts produziert. Sich selbst vor Augen, vom Haaransatz bis zu den Schuhen. Noch bis 22. April kann man sich in der Schaustelle der Pinakothek der Moderne in München in ihr fotografieren lassen.
Klettert man in das Innere der Kamera, fühlt man sich wie in einem Miniatur-Fotoatelier. Es ist eng, warm, das grelle Licht blendet. Ein lebensgroßer Spiegel erwartet einen drinnen im Herz des Apparats – und dann geschieht etwas Merkwürdiges. Man sieht sich selbst in voller Größe zum ersten Mal so, wie einen die anderen sehen. Der Spiegel produziert seitenrichtige Bilder. Der Scheitel ist auf einmal auf der anderen Seite, der Kugelschreiber in der richtigen, aber irgendwie auch falschen Hand. Genauso wie das Bild im Spiegel erscheint, sieht später das Foto, das zwei Meter lange und 60 Zentimeter breite Imagogramm aus. Ein gefrorenes Abbild quasi. Der rote Knopf ist gedrückt, die Klappe fährt zur Seite, gibt den Blick auf das Objektiv frei, es vergehen endlose zwei, drei Sekunden – und dann blitzt es. Aber gewaltig. In der Dunkelkammer nebenan steht schon die Fotografin, sie zieht das Papier ab. Nach wenigen Minuten Entwicklungszeit ist es fertig: ein einzigartiges Porträt in Lebensgröße.
Ein sieben Meter langer Fotoapparat
Von außen gibt die Imago 1:1 ein imposantes Bild ab. Das sieben Meter lange Unikat aus schwerem Stahl erinnert an einen monströsen, analogen Fotoapparat. Die ovale Auswölbung an der einen Seite mutet wie ein riesiges Objektiv mit Abdeckung an. Dahinter verbirgt sich, ziemlich groß geraten, wirklich ein Objektiv. Ein einzigartiges, analoges Objektiv, das nach innen gerichtet ist. Es produziert lebensgroße Bilder auf Direktpositiv-Papier.
Susanna Kraus, die Künstlerin, die gemeinsam mit ihren Söhnen Jakob und Paul im Jahr 2006 die Kamera aus den 70er Jahren wieder zum Leben erweckt hat, ist für kurze Zeit von Berlin in ihre alte Heimat München zurückgekehrt. Und damit auch in die alte Heimat der Imago 1:1, die von Anfang an ein spezifisch münchnerisches Projekt war. Susannas Vater, der Münchner Physiker Werner Kraus, hatte sie zusammen mit Silberschmied Erhard Hößle erfunden. Lange stand sie im Atelier ihrer Mutter, der Modefotografin Karin Kraus. Im Depot der Neuen Sammlung in München lagerte die Kamera nach dem Aus, das wegen des Produktionsendes des Fotopapiers erfolgte. Bis Susanna Kraus das gewaltige Gerät, in Dutzend Einzelteile zerlegt, von Florian Hufnagl, dem Leiter der Neuen Sammlung, zurückwollte.
Ein lebensgroßes Portrait kostet 490 Euro
Nun zieht das „lebende Relikt aus längst vergangener Zeit“, wie Hufnagl es formuliert, wieder viele Besucher an. Auch Christiane und Emilios Eliadi. Die beiden haben sich schon einmal in der Imago 1:1 fotografieren lassen. Vor 35 Jahren. Damals war es noch gratis. Heute kostet ein Bild 490 Euro. Das Ehepaar Eliadi hat damals in München für Karin Kraus gearbeitet, die Frau des Erfinders. Die beiden waren unter den Ersten, die in das Innere der Kamera steigen durften. Ihr Porträt von damals haben sie noch. Das frühere Papier war jedoch dünner, bräunlich und matt, sagen sie.
Das Direktpositiv-Papier, das die Künstlerin Susanna Kraus jetzt verwendet, bildet die Fotografierten auf Hochglanz ab. Es ist eine spezielle Anfertigung der Schweizer Firma Ilford. Die aufwendige, kaum noch bekannte Technik macht eine Aufnahme so teuer. Und der Aufwand, der dahinter steht: Wenn die fast zwei Tonnen schwere Kamera auf Reisen geht, heißt das zwei Tage Aufbau. Immer ist ein Team dabei, zu dem auch Fotografin Annegret Kohlmayer gehört. Die Kamera fasziniert sie bis heute: „Das ist die unmittelbarste Möglichkeit der Fotografie, ohne Zwischenstadium durch ein Negativ.“
Kohlmayer hat schon viele Menschen in die Imago 1:1 steigen sehen. Dunkle, grafisch anmutende Bilder oder komplett durchzeichnete entstehen dabei, je nach Geschmack. Es kommen Familien, Anwältinnen, die das Porträt in die Kanzlei hängen wollen. Auch Künstler wie Jonathan Meese, der die Kamera 2009 in Berlin für eine Session genutzt hat. Eine Frau hat sich das Bild zum Geburtstag selbst geschenkt. „Das sind intime Momente“, sagt Kohlmayer. Es sind Momente, aufgeladen mit größtmöglicher Authentizität, die direkt auf Papier verewigt werden.
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