Chanson-Sängerin Barbara Pravi erlebt gerade die beste Zeit
Fast hätte Barbara Pravi den ESC gewonnen. Der zweite Platz ist ihr sogar lieber. Sie kann nun die Früchte des Erfolgs ernten, ohne eine Knochentour zu absolvieren.
Dieser Frühsommer in Paris ist für Barbara Pravi ein besonderer, er dürfte gerade die beste Zeit ihres Lebens sein. „Genauso ist es“, sagt sie im Videotelefonat, auch über die Entfernung transportiert sie ihren Charme mühelos. Barbara Pravi ist 28 Jahre alt. Sie kam in Paris zur Welt und lebt auch dort. Europaweit sorgte sie für Begeisterung, als sie mit ihren schwarzen Locken, ihrer betörenden Stimme und ergreifender Inbrunst auf der ESC-Bühne in Rotterdam ihr Chanson „Voilà“ – natürlich auf Französisch – vortrug und das Publikum in und außerhalb der Halle verzauberte. Fast hätte Pravi gewonnen, am Ende kam sie auf Platz 2, nur die Glam-Rockband Måneskin heimste noch mehr Punkte ein.
Unnötig zu erwähnen, dass Pravi glücklich und superstolz ist, mit ihrem „ehrlichen und wahrhaftigen Song“ Zweite geworden zu sein. „Ich ernte die süßen Früchte des Triumphs, ohne eine solche Knochentour wie die Sieger absolvieren zu müssen.“ Die Botschaft ihres schönen Liedes ist einfach. „Voilà“, hier bin ich, schaut mich an. „Wenn es passt, kann ich sehr leidenschaftlich sein“, sagt Barbara Pravi. Es ist aber auch ein Lied über die eigene Stärke. „Ich erhebe die Stimme. Ich lasse mich nicht klein machen.“
Barbara Pravi weiß, wovon sie singt
Feministische Themen sind Pravi sehr wichtig. Sie weiß aus eigenem Leid, wovon sie singt, wenn sie sich gegen Gewalt gegen Frauen einsetzt. Ihr Song „Chair“ spricht über eine Abtreibung. In „La Femme“ vom kommenden Album, das im Herbst herauskommt, „geht es um die Frage, was im Jahr 2021 eine Frau ausmacht.“ Pravi sagt: „Ich war Feministin lange bevor ich Sängerin wurde.“
Sie kommt aus einer kulturaffinen Familie. Ein Opa ist der in Frankreich bekannte iranische Maler Hossein Zenderoudi. Die übrigen drei Großeltern kommen aus Serbien, Nordafrika und Polen. Ihre ersten Lieder sang sie unter der Dusche, sie liebte Celine Dion und Musicals, bevor sie die „herrliche Musik von Charles Aznavour, Barbara oder Jacques Brel“ entdeckte, in deren Tradition sie auch ihr Schaffen sieht. Die Schule, sagt Barbara, sei nicht ihr Ding gewesen. Sechs Mal hat sie, nicht unbedingt zur elterlichen Freude, die Lehranstalt gewechselt. „Die Institution Schule und ich, wir passten nicht zusammen. Ich bin eine ausgesprochene Autodidaktin.“
Komponieren und Klavierspielen hat sie sich selbst beigebracht, und nach dem zweijährigen (gescheiterten) Experiment, den besorgten Eltern zuliebe Jura zu studieren, heuerte sie als Kellnerin an und nahm Videos für Youtube auf. Gleich beim ersten Versuch klingelte das Telefon: Eine große Plattenfirma, bei der Pravi einen Vertrag unterschrieb. Seither hat sie sich in Frankreich als Chansonsängerin einen Namen gemacht. „Ich hatte mir die Frist gesetzt, von der Musik leben zu können, wenn ich 25 bin.“ Das funktionierte dann bereits mit 22.
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