Ein alter Mann wird persönlich
Michel Serres rät zu mehr Optimismus
Nostalgie kann tröstlich sein. Gerade in einer Zeit, in der viele Menschen das Gefühl haben, das Leben unterliege einer ständigen Beschleunigung. Wenn kaum etwas mehr Bestand zu haben scheint, ist die Verlockung groß, sich in das Gefühl zu ergeben, früher sei alles besser gewesen. Doch das kann gefährlich werden: Wenn diese Einstellung zu einer generellen Fortschrittsverweigerung führt – und das Gefühl des Abgehängtseins sich als selbst erfüllende Prophezeiung verstärkt. Und wenn sich der Blick trübt und man heutigen Problemen mit falschen Rezepten begegnet. Michel Serres (*1930), aufgewachsen in einfachen Verhältnissen in Südwestfrankreich und Mitglied der Académie Française, rückt der Nostalgie mit einem sarkastischen Realitätscheck zu Leibe. „Ein optimistischer Wutanfall“ ist der schmale Band untertitelt, mit dem er sich an die junge Generation richtet, ihr die Errungenschaften unserer Zeit vor Augen führen will. Serres außergewöhnliche Biografie verleiht dem Essay natürliche Autorität. Harte körperliche Arbeit, Maden im Essen, mangelhafte Hygiene und Krankheiten, die kein Arzt heilen konnte – so war das damals, sagt Serres. Frauen waren Menschen zweiter Klasse und der Krieg war ständig präsent. Fortschritt braucht Verteidiger. (maz-)
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