Eine kleine Sensation
Visionäre Erzählungen von Sina Kaufmann
„Nahphantastische Erzählungen“ nennt sie es, als wär’s ein neues Genre. Tatsächlich verbirgt sich dahinter ein mindestens staunenswerter, wenn nicht sensationeller Zugriff der Berliner Autorin Sina Kamala Kaufmann auf Gegenwart und nahe Zukunft. Sie hat Politik, Philosophie und Jura studiert, dann in der Computerspiel-Branche gearbeitet – und wer sich fragt, wie das zusammenpasst, wird im Büchlein „Helle Materie“ reichlich fündig.
Was wäre gewesen, wenn Bill Gates rechtzeitig Mark Zuckerberg davon überzeugt hätte, aus Facebook ein gemeinnütziges Projekt zu machen? Und wie wäre es, wenn angehende Führungskräfte einen Narzissmus-Test unterzogen würden, um Verheerungen bei Untergebenen und für die Gesellschaft zu vermeiden? Ist es vorstellbar, dass sich Städte und Gemeinden bald in einen Wettbewerb im Energie- und Ressourcensparen messen – mit staatlichem Belohnungsevent für den Sieger? Solcherlei spielt die Autorin durch. Erzählt aber auch fein ironische Geschichten wie die vom Bundesnarr, der in Belebung alter Tradition dem Bundestag als Kommentator zur Seite gestellt wird. Erzählt bitter Abstruses wie vom „Prokrastinationsworkshop“, erzählt witzig Visionäres wie von der konsumkritischen Weißes-T-Shirt-Bewegung, die mit der Mode kippt in Modetrends, die zugleich das Leben sensorisch überwachen. Kleines Buch, große Entdeckung. Mehr davon! (ws)
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