Erinnerung an den Mario A.
Der große Schauspieler schöpft als Alleinunterhalter noch einmal aus seinem reichen Fundus
Andere hätten diesen Abend „Abschied“, „Das letzte Mal“ oder „As Time goes by“ genannt. Nicht so Mario Adorf, der große Menschendarsteller, der in seinem Leben alle Rollen gespielt hat, die man sich nur denken kann, auf der Bühne und im Film. Vom Massenmörder bis Marx, vom Schani zum Schurken. Souverän nennt er seine Dernière „Zugabe!“, genau wie das Buch, in dem er seine wichtigsten Lebensstationen noch einmal pointiert Revue passieren lässt.
Und dennoch ist es eine Abschiedstournee, mit welcher der 88-Jährige als Alleinunterhalter – sekundiert von zwei Musikern an Klavier und Kontrabass – noch einmal durch Deutschland zieht. Im ausverkauften Deutschen Theater brachte er das Publikum mit einem originellen Mix aus Anekdoten und Reflexionen, Plaudereien und Liedern am Schluss zu Standing Ovations. Noch immer eine Rampensau, ein Mann mit Charme und Charisma, der die emotionale Klaviatur zu bedienen weiß. Noch immer ein gut aussehender Herr mit vollem grauem Haar, der seine Texte brillenfrei liest und beim Anspielen früher Heldenrollen, bevorzugt von Schiller, ins deklamatorische Pathos der frühen Theaterjahre fällt.
Dennoch ist „Zugabe!“ ein von Melancholie grundierter Abend, beginnt Adorf doch mit Georg Kreislers „Alpenglühn“, in dem das letzte Mal, ja der Tod, anklingt. Es ist mehr ein Sprechgesang, denn der Bariton, zu dem ihn einer seiner Lehrer an der Münchner Falckenberg-Schule gern gemacht hätte, ist längst einem angerauten Bass gewichen. Dennoch bleibt es nicht beim musikalischen Einstieg. Es folgen weitere Kreisler-Kompositionen, auch mal ein von Kurt Weill vertontes Brecht-Gedicht, und natürlich Hans Albers grandiose Abschiedsschnulze „Good bye, Johnny“, mit der die Zuschauer nach zweieinhalb Stunden entlassen werden.
Geschickt vermeidet es Adorf, sich in seiner One-Man-Show an der eigenen Biografie entlang zu hangeln. Stattdessen pickt er prägende Erlebnisse heraus, private wie berufliche. Bekennerhaft seine Erfahrungen „Angst und Hunger“ im Krieg, aus denen ein leidenschaftliches Bekenntnis zu Demokratie und Europa wird. Gestützt mit Texten seiner drei Säulenheiligen, die aufs Erste so gar nicht zusammenpassen: Heinrich Heine, Bertolt Brecht und Georg Kreisler. Er gibt aber auch Erlebnisse wie seine total misslungene Aufnahmeprüfung an der renommierten Münchner Schauspielschule zum Besten, die mit der positiven Begründung, er besitze „Kraft und Naivität“, endete.
Wie die meisten großen Filmstars verortet sich auch Adorf künstlerisch am Theater. Und so serviert er aus einem schier unermesslichen Anekdoten-Fundus wunderbare Geschichten, räsoniert amüsant über Hänger und Versprecher in jenen Zeiten, in denen seine Vorbilder und Regisseure Schweikart und Kortner, bewunderte Kollegen Friedrich Domin und Therese Giehse hießen. Ab und zu spielt er einzelne Rollen sogar an, imitiert und parodiert oder tänzelt mal kurz über die Bühne.
Da die meisten Mario Adorf aus seinen Filmen kennen – 200 Rollen spielte er in den 60 Jahren seiner Karriere, angefangen mit „Nachts, wenn der Teufel kam“ –, gibt es immer wieder Film-Stills und kurze Einspielungen. Vordergründig am witzigsten ist jene Sequenz, in welcher er seine verschiedenen Tode aufzählt: gehängt, erwürgt, vom Auto überfahren, 15 mal erschossen, einmal an einem Orden erstickt. Da rundet sich denn das Ganze zum wehmütigen „Sag beim Abschied leise Servus“.
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