Bauchtänzerinnen für Parsifal
Auch im dritten Aufführungsjahr von Richard Wagners Bühnenweihfestspiel „Parsifal“ müssen peinliche Bühnenszenen überwunden werden. Dem Produktionsteam hallt dafür schwere Ablehnung entgegen.
Wenn man den neuen, vollkommen apolitischen Bayreuther „Lohengrin“ erlebt hat, der ja laut Wagner recht eigentlich in Zeiten des Säbelrasselns zwischen Ost und West spielt, ist man schon froh, wenn der zwei Jahre alte „Parsifal“ zumindest nach sechs Stunden, zum Finale, eine gesellschaftspolitische Aussage von möglicher Relevanz wagt. Da nämlich wird mit Titurel im Sarg auch der Devotionalien-, Liturgie- und Kirchenspolien-Plunder entsorgt, der zuvor seinen Auftritt hatte. Ihn braucht’s nicht mehr, er hat ebenso ausgedient wie die Gralsgemeinschaft, die sich auflöst und mit den Gläubigen in alle Himmelsrichtungen verstreut – getreu einem Motto der Produktion: „Ich denke an manchen Tagen, dass es besser wäre, wenn wir keine Religionen mehr hätten“ (Dalai Lama).
Diesen Gedanken bei dem Bühnenweihfestspiel und Hochamt „Parsifal“ zu illustrieren, hat etwas Provokantes und mag manchen auf dem Grünen Hügel in solche oder solche Erregung versetzen. Aber bis es dazu kommt, müssen erst mal weite Strecken an anderen Geschehnissen überwunden werden: Bis an die Zähne bewaffnetes Militär auf der Suche nach IS-Terroristen sowohl unter dem Kuppelbau der flüchtlingsfreundlichen Gralsbrüderschaft als auch bei dem muslimischen Klingsor, seines Zeichens Sammler von christlichen Kirchenschätzen wie Kruzifixe und eben Speer. Sollten Söder einmal die Kreuze ausgehen für Bayerns Stuben – hier wird er fündig.
Kitsch der schlimmsten Sorte
Zu überwinden aber sind in diesem „Parsifal“ vor allem jene peinlichen Szenen mit aufreizenden jungen Damen, die feuchte Altherren-Träume bedienen: Klingsors Hamam-Bad mit Harems-Damen in Bauchtanz-Fummel, später kurvenreiche Nackedeis, die sich – zum Karfreitagszauber – in einer Art Regenwald duschen und dabei neckig anspritzen. Kitsch der schlimmsten Sorte – weswegen wohl jetzt, zur Wiederaufnahme, dem Produktionsteam schwere Ablehnung entgegen hallte. Fragt man den Dramaturgen der Inszenierung, was sich in der Werkstatt Bayreuth an Wesentlichem im dritten Aufführungsjahr verändert, womöglich verbessert hat, tut er sich schwer mit einer Antwort. Dass die beobachtende Figur hoch über der Szene nun eine Skulptur mit Hirtenstab ist, kann nicht kriegsentscheidend sein…
So hat die Musik wieder einmal zu retten, was zu retten ist. Semyon Bychkov hat von Hartmut Haenchen die musikalische Leitung übernommen; er verlangt vom Festspielorchester vor allem fließende Milde im orchestralen Strom. Zwei Männerstimmen ragen heraus aus dem Ensemble, die von Andreas Schager in der Titelrolle mit expressiven Ausbrüchen vor allem im zweiten Aufzug und die des über alle Kritik erhabenen Günther Groissböck als balsamischer Gurnemanz. Reine Hör-Lust – während sich die Kundry von Elena Pankratova mit ihrem Flackern, ihrem Vibrato, ja Tremolo in anderen Geschmackswelten bewegt. Thomas J. Mayer gelingt es, einen psychisch angegriffenen Amfortas zu zeichnen; Derek Welton singt und spielt einen etwas eindimensional-böse angelegten Klingsor. Jubel über die Solisten.
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