
Findet Euch ab!
Augsburg (AZ). Ohne Reizpotenzial wäre der Künstler kein Künstler. Und ohne die Auseinandersetzung mit der Geschichte und der Kunstgeschichte ebenfalls nicht. Insofern ist Markus Lüpertz, dieser interkontinental geschätzte Maler und Bildhauer, mitnichten eine Ausnahme der zeitgenössischen Schönen Künste - zumal nicht in Deutschland, da ein Anselm Kiefer, ein Jörg Immendorff, ein Gerhard Richter sich provokativ gerade den unseligen historischen Zeiten verpflichtet fühlten: dem geteilten Deutschland, dem Nationalsozialismus, dem RAF-Terrorismus. Das Ganze: Nichts als schlüssig und normal.
Von unserem Redakteur Rüdiger Heinze, Augsburg
Heute wird Markus Lüpertz 65 Jahre alt, was er nicht wahrnehmen will, weil er sich jünger fühlt. Und so bleibt er auch noch drei Jahre lang Rektor der vielleicht bedeutendsten deutschen Kunstakademie, jener von Düsseldorf. Sein Reizpotenzial hat sich nachweisbar erhalten - äußerlich erkennbar an Attributen, die signalisieren, dass er auf sich hält (Maßanzug, demonstrativer Schmuck, Gehstock), sprachlich an eloquenter, selbstbewusster, publikumswirksamer Rede, künstlerisch zuletzt in Salzburg 2005, als eine Mozart nachempfundene Bronzeskulptur im öffentlichen Raum aufgestellt wurde und eine Zeitlang auf Widerstand und Tätlichkeiten stieß.
Augsburg ist das nicht unbekannt. Auch hier fand eine seiner Bronzeskulpturen, die "Aphrodite", keine Gnade vor lautstarken Bürgern der alten Reichs- und Kunststadt und vor wahlkämpfenden, wetterwendigen Kommunalpolitikern. Schamvoll, den überraschten Blick ins Unendliche gerichtet, empfängt und wirbt die Göttin nun vor dem Medienzentrum Augsburg.
Weiß man, wo Markus Lüpertz, 1941 im böhmischen Liberec geboren, ansonsten öffentlich und museal gezeigt wird, gereicht genau dies zur Freude über den unvorhergesehenen Standort. Lüpertz ist ein Aushängeschild deutscher Kunst nicht nur in ganz Europa, sondern auch in den USA (New York, St. Louis), Russland, China (Peking), Korea und Australien (Canberra). Die begrüßende "Philosophin" im deutschen Bundeskanzleramt stammt ebenso aus seiner Hand wie der Bundesadler als Hoheitszeichen im Karlsruher Bundesgerichtshof. So gebührt Lüpertz fast schon der Rang eines Staatskünstlers, gefördert auch durch den ehemaligen Bundeskanzler Schröder.
Lüpertz' internationaler Durchbruch basierte Mitte der 60er Jahre nicht zuletzt auf seiner "dithyrambischen" Malerei, in der er sich heftig, expressiv, apokalyptisch mit der deutschen Geschichte und "der Anmut" (Lüpertz) des 20. Jahrhunderts auseinandersetzte: Stahlhelme, Uniformen, Eicheln, Ähren sowie Schirmmützen als wiederkehrende Motive. Später schuf er auch Bühnenbilder (das Theater Ulm entfernte eines davon 1983 kurz vor der Premiere zu Massenets "Werther") und er sah und modellierte die Mythologie neu. Kampfeslust verspricht Lüpertz auch für das Alter ab 65: "Findet Euch ab mit mir, es geht kein Weg an mir vorbei, es gibt kein Mittel gegen mich."
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