Was macht diesen gezeichneten Eierkopf eigentlich so erfolgreich?
Jetzt gibt es Band 14 mit den Erlebnissen des titelgebenden Zwölfjährigen. Eine junge Zielgruppe liebt diese Bücher.
Der neue ist grau und trägt den Titel „Voll daneben“. Eine typische Zeile, wenn man sie in einer Reihe mit „Von Idioten umzingelt“, „Dumm gelaufen“, „Geht’s noch?“ und zehn weiteren ähnlich lakonisch klingenden Titeln sieht.
Wenn Sie jetzt nicht wissen, um was es geht, haben Sie vermutlich wenig zu tun mit 8- bis 14-Jährigen, die sich im täglichen Überlebenskampf mit Familie und Schule befinden. Die werden, obwohl als größte Problemgruppe unter den nicht lesenden Kindern und Jugendlichen identifiziert, in den nächsten Tagen wohl ihre Nase in ein Buch stecken. Am heutigen Dienstag kommt der neue „Greg“ heraus – Band 14 der Comic-Romanreihe „Gregs Tagebuch“ des amerikanischen Autors Jeff Kinney. Seit 2007, auf Deutsch seit 2008, erscheinen die Bücher über den zwölfjährigen Schüler, der für viele Heranwachsende zur Identifikationsfigur geworden ist, obwohl er eigentlich nur ein dünnes Strichmännchen mit Eierkopf und drei Haaren darauf ist. Kaum eine Figur gibt so pointiert und treffsicher die Befindlichkeit von Jungs zwischen Peinlichkeit und Coolness wieder.
Eigentlich hält Greg sich für den Größten
Dieser Greg Heffley hält Schule für ein mehr als überflüssiges Übel, betätigt sich ungern an frischer Luft, beschäftigt sich in seiner Freizeit am liebsten mit Videospielen und leidet unter der Bevorzugung seines kleinen und den nervigen Bemerkungen seines großen Bruders. Sein Vater hält sich meist diplomatisch im Hintergrund, dafür ist seine Mutter umso beflissener um das Wohlergehen ihres Sprösslings bemüht. Eigentlich hält sich Greg selbst für den Größten, dummerweise hat das seine Umwelt aber bisher noch nicht begriffen.
Mit teilweise grotesker Überzeichnung erzählt Kinney dabei von einem Heranwachsenden, der zwischen Kindheit und Pubertät steht und hin und her geworfen wird von den Herausforderungen des Alltags. Das ist immer wieder zum Brüllen komisch und spiegelt oft die Selbstfindungsversuche von Teenagern wider. Zum Vorbild taugt der Anti-Held zwar nicht. Aber Witz und Ironie bringen die jungen Leser zum Lachen – auch über sich selbst.
Ursprünglich hatte Kinney, ein Gamedesigner, dessen Traum es war, als Comiczeichner zu arbeiten, die Aufzeichnungen eines Zwölfjährigen als Buch für Erwachsene gedacht, als eine Art Kindheits-Retrospektive. „Dass auch Kinder das mögen würden, war gar nicht meine Absicht“, erzählt er immer wieder in Interviews. Doch die waren es vor allem, die sich die auf einer Online-Website veröffentlichten Aufzeichnungen ansahen. So wurde aus dem geplanten dicken Buch für Erwachsene eine Serie für Kinder und Jugendliche – und zwar eine mit globalem Erfolg. Mehr als 200 Millionen Exemplare wurden nach Verlagsangaben weltweit verkauft, in 56 Sprachen ist „Gregs Tagebuch“ mittlerweile übersetzt. Wobei Kinney nicht, wie etwa „Harry Potter“, eine große Geschichte in Fortsetzungen erzählt, sondern kleine Episoden, in die die Leser immer wieder mit den bekannten Figuren eintauchen können und die von ihrer Absurdität und Komik leben. Etwa 350 Witze seien das Grundgerüst für einen „Greg“-Band, verrät Kinney über seine Arbeitsweise. „Ich fange mit den Witzen an und schreibe dann die Geschichte.“
Einstiegslektüre fürs vorpubertäre Publikum
Aber selbst wenn Gregs Humor nun vorwiegend bei einer jüngeren Zielgruppe ankommt, schätzen auch Eltern und Lehrer die Reihe, weil sie fürs vorpubertäre Publikum zur Einstiegslektüre geworden ist. Die Tagebuch-Anmutung mit großer Handschrift, der überschaubare Text, noch dazu in leicht verständlicher Alltagssprache, und die simplen Strichzeichnungen helfen, die Hemmschwelle gegenüber Büchern zu überwinden. Jeff Kinney hat damit ein Genre geschaffen, das in den letzten Jahren viele Nachahmer gefunden hat, die allerdings nicht annähernd an den Erfolg von „Gregs Tagebuch“ heranreichen. Und man benötigt keine hellseherischen Fähigkeiten, dass auch Band 14 wie seine Vorgänger schnell die Bestenlisten erobern wird.
In dem geht es um die Renovierung des Hauses von Gregs Familie. Denn die Heffleys haben überraschend Geld geerbt. Wie sich aber schnell herausstellt, ist das Leben auf einer Baustelle mit morschen Böden und giftigem Schimmel kein Zuckerschlecken. Es gibt also wieder einige Katastrophen für Greg zu überstehen, sehr zum Vergnügen seiner Leser. Dass die noch einige Jahre am Unglück Gregs ihre Freude haben können, scheint sicher zu sein. Bis Band 20 will Jeff Kinney seinen Protagonisten noch von einem Fettnäpfchen ins nächste treiben.
- Jeff Kinney: Gregs Tagebuch – Voll daneben. Aus d. Amerikanischen von Dietmar Schmidt; Baumhaus, 224 S., 14,99 € – ab 10 Jahren
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