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Interview
09.04.2019

Harald Welzer: „Die aktuelle Politik ist reines Illusionstheater“

Harald Welzer
Foto: Jens Steingässer, S. Fischer

Der Gesellschaftsvordenker erklärt, warum wir keinen Grund zum Jammern, aber viele Gründe zum Umdenken haben.

Ihr neues Buch heißt „Es könnte alles anders sein“. Es vermittelt zwei grundsätzliche Botschaften: 1. Hört auf zu jammern, denn wir leben in der besten aller bisherigen Welten. 2. Hört auf zu jammern, wir haben noch reichlich Möglichkeiten, unsere Zukunft positiv zu gestalten. Einverstanden?

Harald Welzer: Ja, das würde ich so unterschreiben. Die Frage, ob man alles geregelt kriegt, speziell in der Frage des Klimawandels oder anderer ökologischer Zerstörungen – dafür würde ich jetzt keine Garantie abgeben. Aber auch wenn dort Dinge schlecht laufen, sollte man nicht den Eindruck erwecken, das sei jetzt dann der Untergang der Welt, der droht. Die Menschheitsgeschichte hat schon einige Katastrophen gesehen. Und Menschen können vieles überstehen. Deshalb finde ich ja die „Sackgassen“-Kommunikation so fatal, die entmächtigt und entpolitisiert.

Angesichts der vielen beschworenen Krisenszenarien entsteht ja gerade in der Politik der Eindruck, es gehe bloß darum, alles noch möglichst so lange so zu halten wie es heute ist …

Welzer: Aber so ist man eben nicht zukunftsfähig. Wir können das ja in der Industriepolitik sehen. Wenn man einen Wirtschaftszweig wie die Autoindustrie die ganze Zeit pampert, die der Aufgabe, die sie schon vor 30 Jahren gehabt hätte, nicht nachgekommen ist – darüber nachzudenken nämlich, was Mobilität im 21. Jahrhundert unter veränderten Ressourcenlagen, anderen ökologischen Bedingungen und bei zunehmender Verstädterung bedeutet –, dann kommt man immer weiter in die Position, dass Politik sich von der Industrie unter Druck setzen lässt. Und so wird Politik immer stärker auf den Gegenwartspunkt fixiert, denkt immer weniger an Zukunft.

Da haben Sie ja ganz konkrete andere Vorstellungen …

Welzer: Wenn wir die Hauptthemen unserer aktuellen Diskussionen anschauen, die Feinstaubthematik und den Dieselbetrug auf der einen Seite, auf der anderen Seite das Megathema Mietpreisexplosion bis hin zu einer Enteignungsdebatte: Interessanterweise werden beide Themen ja niemals im Zusammenhang diskutiert. Dabei ist der Flächenverbrauch des Autos in der Stadt absolut gigantisch. Und mir ist rätselhaft, warum man nicht einfach sagt, wir haben eine Lösung für beide Probleme, nämlich: Wir schmeißen einfach das Auto raus aus der Stadt. Das bringt Sicherheits- und Nachhaltigkeitsvorteile, das ist gut für den Klimaschutz und für die Rückgewinnung von Flächen, die wir bebauen oder für Begegnungsqualität nutzen können. Die Stadt im 21. Jahrhundert ist keine voller Autos, sondern eine ohne Autos. Die Digitalisierung kommt einem da zugute, weil sich öffentlicher Verkehr viel besser organisieren und sogar individualisieren lässt.

Inwiefern ist eine solche Utopie denn realistisch?

Welzer: Mein Begriff ist der des utopischen Realismus. Denn eigentlich ist ja das, was sich gegenwärtig als Realpolitik versteht, illusionär. Weil wir alle wissen und alle wissenschaftlichen Daten, die wir haben, zeigen, dass man mit dem reinen Setzen auf wirtschaftliches Wachstum nicht durchs 21. Jahrhundert kommt. Alles, was an Schäden, Zerstörungen, an Stress und Überfüllung entsteht, hat im Kern damit zu tun, dass wir einer permanenten Steigerungslogik unterliegen. Die aber ist nicht kompatibel mit einer intakten Biosphäre und einem intakten Klimasystem. Das Illusionstheater kann man sich nur leisten, wenn man generationell und volkswirtschaftlich auf der Seite der augenblicklichen Gewinner steht. Aber wir sehen ja bei „Fridays For Future“, dass die aktuellen Verlierer sich auch machtvoll zu artikulieren beginnen …

Im Zuge der Modernisierung musste immer jemand macht abgeben

Eine andere sich abzeichnende Krise ist die der ungerechten Wohlstandsverteilung auf der Welt. In deren Folgen artikulieren sich ja die Verlierer, indem Sie sich in großen Migrationsbewegungen auf den Weg machen. Auch da setzen sie darauf, dass die Gewinner an andere abgeben müssen.

Welzer: Das nennt man Modernisierung. Die ganze Geschichte der Moderne ist voll von solchen Prozessen, dass privilegierte Gruppen Privilegien abgeben. Die Bürgerrechts-, die Frauen- oder die Arbeiterbewegung, immer mussten da Leute Macht abgeben und dementsprechend auch Wohlstand, obwohl sie das gar nicht gerne getan haben.

Dass viele jetzt nicht abgeben möchten, ist zu sehen an nationalistischen Tendenzen … Lässt sich das durch solche Appelle an die Vernunft auflösen?

Welzer: Das ist mir ganz egal. Die Utopien, die ich nenne, haben ja unterschiedliche Reichweiten. Die eines zwischenstaatlichen Gewaltmonopols oder einer Welt ohne Grenzen liegen natürlich ferner als die autofreie Stadt. Die kann man theoretisch schon umsetzen, das ist nur politisch nicht einfach. Andere brauchen sicherlich ein, zwei Generationen. Aber es ist eben notwendig, solche Gedanken in die Welt zu setzen. Denn Modernisierungsprozesse setzen eben voraus, dass das zunächst mal Undenkbare gedacht wird, dass das Unumsetzbare in die Welt gesetzt wird. Und dann bedarf es halt langer Kämpfe und Durchsetzungsprozesse. Vieles von dem, was wir heute für vollkommen normal halten, ist eben auf diese Weise entstanden.

Die Politik lässt sich von der Technologie treiben

Was bringt die Digitalisierung?

Welzer: Zunächst mal bislang eine Debatte, die ausschließlich technologie- und wirtschaftsgetrieben ist und voraussetzt, dass irgendwelche Dinge die Zukunft sein werden. Während das Umgekehrte eigentlich notwendig wäre: Wir müssten eine gesellschaftliche Debatte darüber führen, wo nutzt uns Digitalisierung, wo wollen wir sie haben, wo können wir sie einsetzen zur Lösung von Zukunftsaufgaben. Und das ist ja bislang ein Totalausfall. Ich frage in meinen Veranstaltungen immer das Publikum: Wer will eigentlich ein autonom fahrendes Auto? Und dann melden sich bei 300 Leuten immer ein oder zwei. Wir führen überhaupt keinen Diskurs über Sinn und Unsinn, die Politik lässt sich von der Technologie treiben.

Sind Sie denn zuversichtlich, wenn Sie in die Zukunft blicken?

Welzer: Wenn jemand das Glück gehabt hat, in einer Gesellschaft mit solchen Möglichkeiten der Bildung und der Lebensgestaltung zu leben – was hätte ich für einen Grund pessimistisch zu sein? Von dem Glück leite ich eher ein Motiv und eine Verantwortung ab, dass die Dinge noch besser werden, als sie sind.

Wie erklären Sie es sich dann, dass, wenn es uns so gut geht, die Stimmung so schlecht ist?

Welzer: Ich würde das Zynismus nennen. Es gibt überhaupt keine Wertschätzung dem gegenüber, was in dieser Gesellschaft alles funktioniert. Und wie wenig selbstverständlich im globalen Maßstab und vor allem im historischen Maßstab das ist. Für die Leute heute ist es ja schon ein Skandal, wenn ihr Zalando-Paket zwei Tage zu spät ausgeliefert wird. Da ist eine Infantilisierung eingetreten: Viele Menschen glauben einfach, es stehen ihnen Dinge zu, ohne dass sie ein Bewusstsein dafür hätten, woher das kommt und was ihr Anteil daran wäre.

Auch ein Problem für die Demokratie?

Welzer: Natürlich. Die basiert ja auf Zustimmung zu der Gesellschaft. Und das wiederum setzt voraus: Man ist ein Teil von etwas, von dem die anderen auch ein Teil sind, sodass man Gesellschaft auch als gemeinsames Projekt und dementsprechend auch Zukunft als ein solches verstehen kann. Wenn das nicht der Fall ist, hat man die Erosionsprozesse, die wir gegenwärtig beobachten.

Die Realpolitik geht vor wie der Betrunkene im Witz

Brauchen wir also eine große, gemeinsame Utopie?

Welzer: Die führen immer zu Massenmorden, das wissen wir aus dem 20. Jahrhundert. Mir reicht es ja schon, wenn es gewisse Vorstellungen einer wünschbaren Zukunft gibt. Es geht um Fragen wie: Wie wollen wir leben in 20, 30 Jahren? Wie gestalten wir Gesellschaft angesichts der Herausforderungen, die da kommen? Aber die politischen Antworten darauf gehen ja gegen Null, und so können Sie eine Demokratie nicht vernünftig weiterentwickeln und modernisieren. Das ist das große Problem. Wie der alte Witz, bei dem ein Betrunkener immer um eine Laterne herumläuft, weil er seinen Hausschlüssel verloren hat. Als irgendwann ein Passant kommt und fragt, ob er ihm helfen kann, sagt er: Ne, ne, er suche nur seinen Schlüssel. Dann fragt der Passant: Sind Sie denn sicher, dass Sie ihn hier verloren haben? Da sagt der Betrunkene: Ne, aber hier ist es hell, überall sonst ist es dunkel. Und so operiert in weiten Teilen die Realpolitik – und das ist ein bisschen unter Wert.

Wir müssten, schreiben Sie, etwa den Begriff der Arbeit anders verstehen, weil sie in ihrer bisherigen Form einfach nicht mehr notwendig sein wird …

Welzer: Genau. Und man könnte das ja als Chance sehen: Wie kann ich etwa gemeinwohlorientierte Arbeit, eigene Arbeit oder Beziehungsarbeit plötzlich viel stärker bewerten und auch gesellschaftlich viel höher schätzen? Was ja alles daraus resultieren kann, dass es möglich wird, Arbeitszeit radikal zu reduzieren und viele schlechte Jobs abzuschaffen. Aber stattdessen erleben Sie, wenn Sie etwa mit führenden Sozialdemokraten darüber sprechen, dass sie schlechte Arbeit schönreden, als hätten wir nicht gelernt, dass es krank machende, geisttötende Arbeit gibt. Und wenn wir die abschaffen und das dabei freigesetzte Potenzial gesellschaftlich sinnvoll verwenden – was könnte uns denn Schöneres passieren?

Zur Person Harald Welzer, Jahrgang 1958, gilt spätestens seit seinem Buch „Selbst Denken“ als einer der anregendsten Intellektuellen Deutschlands. Mit seiner Initiative „Die offene Gesellschaft“ mischt er sich in die politischen Debatten ein; die Stiftung „Futurzwei“, deren Direktor er ist, stellt Geschichten von besseren Lebensstilen und einer gelingenden Zukunft vor. Außerdem lehrt Welzer Transformationsdesign an der Universität Flensburg sowie an der Uni St. Gallen. Seine Bücher wie „Selbst denken“, „Die smarte Diktatur“, „Wir sind die Mehrheit“ sind in 21 Ländern erschienen. Das neue heißt „Alles könnte anders sein – Eine Gesellschaftsutopie für freie Menschen“ (320 S., S. Fischer, 22 €; als E-Book 18,99 €; als Hörbuch 19,99 €, gelesen von Christian Brückner).

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