Hellmuth Karasek - der kulturelle Tausendsassa
Hellmuth Karasek ist nach wie vor rastlos unterwegs im Kulturbetrieb. Heute wird der Publizist 80 Jahre alt.
„Manchmal fürchtete ich schon, ich schreib mich in eine Depression hinein“, bekannte Hellmuth Karasek über die Arbeit an seinem 2006 erschienenen Band „Süßer Vogel Jugend“. Der kulturelle Tausendsassa mit der stark ausgeprägten Affinität zur Selbstironie sprüht aber immer noch vor Tatendrang und hat im letzten Frühjahr unter dem Titel „Frauen sind auch nur Männer“ einen Sammelband mit 83 Glossen aus jüngerer Vergangenheit vorgelegt. An diesem Samstag (4. Januar) wird er 80 Jahre alt.
Hellmuth Karasek: TV-Kronprinz der deutschen Literaturkritik
Karasek, Mann der ersten Stunde beim 1988 gestarteten und 2001 eingestellten „Literarischen Quartett“ des ZDF und somit mehr als ein Jahrzehnt lang TV-Kronprinz der deutschen Literaturkritik, hat stets viel Mut bewiesen und oft genau das getan, wovor ihn viele wohlmeinende Kollegen gewarnt hatten. Der Theaterkritiker Karasek hat (unter dem Pseudonym Daniel Doppler) selbst Theaterstücke geschrieben, und der eloquente Literaturkritiker scheute sich auch nicht, zwei Romane („Das Magazin“ und „Betrug“) vorzulegen.
Doch die Bühnenarbeiten „Hitchcock, eine Komödie“ (1988 in Konstanz uraufgeführt) und „Innere Sicherheit“ (1990 in Osnabrück) fielen bei den Kritikerkollegen gnadenlos durch. Karaseks kühnes, aber die elitären Theaterkreise provozierendes Bekenntnis: „Ich habe Stücke geschrieben, weil ich im Theater auch mal wieder lachen wollte“, löste Verständnislosigkeit aus.
So verwundert es kaum, dass der Liebhaber von Flauberts „Madame Bovary“ seine Romane auf Lesungen selbst in die Rubrik anspruchsvolle Unterhaltungsliteratur einordnet – ein Genre, dem im deutschen Literaturbetrieb immer noch ein Makel anhaftet.
Karasek fand in den 1960er Jahren nach einem kurzen Intermezzo als Chefdramaturg in Stuttgart den Weg zum Kulturjournalismus. Über Etappen unter anderem bei der Stuttgarter Zeitung und der Zeit kam er 1974 zum Spiegel, dessen Kulturressort er viele Jahre lang leitete.
Das Magazin als Jahrmarkt der Eitelkeiten
Über die bewegten und bewegenden zwei Jahrzehnte beim Hamburger Nachrichtenmagazin hat Karasek den Roman „Das Magazin“ (1998) geschrieben. Kein Enthüllungsbuch, sondern ein anekdotenreicher Schmöker, in dem die Spiegel-Redaktion wie ein Jahrmarkt der Eitelkeiten vorgeführt wird.
Neben Literatur und Theater – er verfasste den umfangreichen Teil über das Nachkriegstheater in „Kindlers Literaturgeschichte der Gegenwart“ – gehört Karaseks Liebe auch dem Film, vor allem den Werken Billy Wilders, dem er 1992 ein umfangreiches Buch widmete.
Karasek heute noch journalistisch tätig
Nach dem Ausscheiden beim Spiegel zeichnete er zunächst als Herausgeber des Berliner Tagesspiegel verantwortlich und wechselte dann 2004 als Autor zum Springer Verlag. Mit Kolumnen und Kritiken ist Karasek noch im journalistischen Tagesgeschäft präsent – zumeist für die Berliner Morgenpost und fürs Hamburger Abendblatt, wo seine Ehefrau Armgard Seegers seit vielen Jahren als Feuilleton-Redakteurin tätig ist.
Kunst und Unterhaltung sind für den aus dem mährischen Brünn stammenden Karasek nicht zwangsläufig Gegensätze. Vielleicht ist er auch deswegen ein so gern gesehener, unterhaltsamer Gast in diversen Talkshows. Für den James-Bond-Fan und Berlinale-Juror gab es in seinem umtriebigen Un-Ruhestand auch noch Platz für die Rolle des Paten in der 5-Millionen-SKL-Show bei RTL.
Wer Hellmuth Karasak einmal live erlebt hat, der weiß, dass sich Bildung und Unterhaltung, Eloquenz und Kalauer, Goethe-Rezitationen und zotige Witzchen nicht zwangsläufig ausschließen müssen. Er ist ein neugieriger Traditionalist, dem die Zeitungslektüre immer noch heilig ist und der dennoch inzwischen ein iPad besitzt: „Weil meine Frau zu mir gesagt hat, das sei idiotensicher.“
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