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21.03.2018

Im Reich der Dinge

Projekt Ein Fotograf aus Wien kauft in der Provinz ein altes Haus und stellt fest: Es ist randvoll mit persönlichen Relikten. Was sagen die aus über das Leben der beiden Vorbesitzerinnen?

Kann man sein Leben behalten oder gar weitergeben, indem man Jahrzehnte alle Spuren und Dinge aufhebt, abheftet, archiviert, einlagert – alle gespielten Lottoscheine, alle Kalender, alle Blutdruckwerte, alle Theaterprogramme, alle je getragenen Schuhe, alle handgeschriebenen Notizzettel („Komme gleich“, „Bin in Kirche“), alle Kugelschreiber, alle Bügeleisen und alle je gekauften Engelsfiguren? Was trieb die Cousinen Hilde und Gretl an, ihr gemeinsames Sein in einem Haus im niederösterreichischen Waldviertel in tausenden Tüten, Schachteln, Mappen, Bündeln, Schubladen und Ecken zu katalogisieren und inmitten dieser privaten Chronik des Banalen zu leben? Was bedeutet es, dass in einem Sparkassenkalender von 2006 unter dem 18. Januar eingetragen ist: „Staubsauger überhitzt 2005“, also des Jahrestags eines so beiläufigen Allerweltsereignisses gedacht wird?

Das Haus in der Reinharterstraße 100 in der Ortsmitte von Gars gibt keine Antworten. Alles, was da ist, sind Sammlungen, Kruscht, Kram, Spinnweben. Alles, was da ist, sind: Fragen. Erstickt solche Ansammelwut nicht die Existenz? Wollten die Cousinen ihr gewöhnliches Leben für die Nachwelt dokumentieren? Was haben sie sich davon versprochen? Was gab ihnen die selbst geschaffene Ordnung im Wust der Belanglosigkeiten? Ballast oder Schatz? Stemmten Hilde und Gretl sich gegen die Vergänglichkeit, indem sie alles bewahrten? War das alles nur eine Marotte? Zwei Messies? Oder war ihnen das zwanghafte Musealisieren des Alltags ein Bollwerk gegen das Chaos der Welt, am Ende gegen die Sterblichkeit und den Tod, gegen den doch kein Archiv und kein Verzeichnis und keine Aufstellung jemals etwas ausgerichtet haben?

Reinharterstraße 100, das ehemalige Schuhhaus Höfler: Es ist nur der leblose Schrein der Dinge, von oben bis unten voll mit den geordneten Hinterlassenschaften und Alltagsstrandgut von Hilde und Gretl. Sogar ein Konvolut „leere Umschläge“ gab es. Überall Bündel, beschriftet und verschnürt mit fleischfarbenen Damenstrümpfen aus Nylon. Eines Tages, schwer krank, alt und gebrechlich, mussten die Frauen ihr Heim verlassen. Ihre Gruft der Erinnerung mit all den Sedimentschichten und Ablagerungen ihres Lebens stand jahrelang unberührt wie ein Dornröschenschloss. Die Cousinen sind längst tot.

Der Wiener Fotograf und Galerist Peter Coeln erfuhr von diesem denkmalgeschützten Haus – und er kaufte es unbesehen für 32000 Euro. Als man ihn fragte, was er denn vorhabe mit dem Haus, sagte er: „Ein Buch machen.“ Das hat er getan, zusammen mit einem der bekanntesten Journalisten Österreichs, dem Anchorman der „Zeit im Bild“, Tarek Leitner. Das Buch trägt den Titel „Hilde & Gretl. Über den Wert der Dinge“ – und es ist eine Entdeckungsreise durch einen einzigartigen Kosmos, in dem privates Leben im 20. Jahrhundert auf höchst eigensinnige Weise konserviert ist. Individuell und doch allgemeingültig zugleich. Es passt, was die Autoren vom türkischen Nobelpreisträger Orhan Pamuk zitieren, der zu seinem Istanbuler „Museum der Unschuld“ schreibt: „Die Zukunft der Museen liegt in unseren Wohnungen und Häusern.“

Coeln und Leitner haben alles durchforstet, sie haben eine Halle in der Nachbarschaft gemietet, um die tausenden von Dingen auszubreiten, über Monate zu sichten. Es ist eine Erkundung, die schwankt zwischen Staunen und Ratlosigkeit. Mal fühlen sie sich wie Voyeure, mal wie Retter. Es gab Phasen der Verzweiflung in diesem Meer, es gab andächtige Momente. Weil die Autoren diesen wundersamen, monströsen und banalen Nachlass zu würdigen bereit sind, weil sie hinter dem oberflächlichen Reiz der Kuriosität nach Motiven, nach Erklärungen suchen, gewinnt ihr Buch die notwendige Fallhöhe, um allgemeine Fragen zu stellen. Was bestimmt für uns den Wert von Dingen? Wie wird etwas zum Träger von Erinnerung? Warum häufen wir was an? Was erzählen die Hinterlassenschaften, wenn die Besitzer tot sind? Hilde und Gretl, die das halbe 20. Jahrhundert eheähnlich zusammengelebt haben in ihrem Haus, „sammelten nichts“, schreiben die Autoren. „Es sammelte sich. Und sie ordneten dann.“

Vom „Weltinnenraum“ der Cousinen ist die Rede, von einer „Zeitkapsel“, einem „Nest der Geborgenheit“. In ihrer Sichtungsarbeit stellen der Fotograf und der Journalist Bezüge zu Adalbert Stifter wie Thomas Bernhard her. Sie kommen zu Erkenntnissen wie „Der Alltag ist es, der uns fertigmacht“ und zitieren den Psychoanalytiker Jacques-Alain Miller: „Das Hauptprodukt der modernen und postmodernen kapitalistischen Industrie ist der Müll.“ Für die Wiener Peter Coeln und Tarek Leitner ist klar: Gretl ist die treibende Kraft gewesen in dieser Lebensgemeinschaft. Sie hat geordnet und gesammelt, sie hat das Aufbewahren als Struktur und Lebensprinzip durchgesetzt.

Auf die Frage nach dem „Warum?“ gibt es keine letztgültige Antwort. Die Vergeblichkeit all dieses Aufhäufens und Bewahrens schnürt einem die Luft ab. Warum legen wir Alben an, heben Tagebücher, Briefe, Kindersachen auf? Wann betrachtet man das je? Geht es überhaupt darum? Oder geht es nicht vor allem um das Wissen, dass das Leben nicht spurlos durchgerauscht ist. Das persönliche Archiv als tröstende Indizienkette, die wie eine Schutzhaut gegen die Zumutungen der Vergänglichkeit bereitliegt, aber nicht übergestreift wird.

In einigen Passagen kommen die fremden Nachlassverwalter den Cousinen auch persönlich etwas näher. Beim Lesen in den Reiseberichten, für die Hilde zuständig war. Beim Aktenfund im Kellertresor, wohin die Nazizeit verbannt ist und der Tod von Gretls geliebtem Bruder Toni an der Front. War es diese Verlusterfahrung, gegen die Gretl ein Leben lang ansammelte?

Hilde & Gretl. Über den Wert der Dinge. Tarek Leitner und Peter Coeln. Brandstätter Verlag, 144 Seiten, 25 ¤

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