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Interview
07.01.2020

Autorin Kirsten Boie: "Lesen ist das Nadelöhr in die Gesellschaft"

„Für die Leseförderung gibt es leider keine starke Lobby“, hat die Schriftstellerin Kirsten Boie festgestellt.
Foto: Ulrich Perrey, dpa

Exklusiv "Jedes Kind soll lesen lernen", fordert Autorin Kirsten Boie. Warum Kinder aus ihrer Sicht Sprachförderung benötigen - und wie ein Lesepakt helfen könnte.

Frau Boie, was ist das Besondere am Lesen, was macht es mit einem Menschen?

Kirsten Boie: Lesen gibt Spaß, Spannung, Trost, oft auch Hoffnung, das ist bekannt. Es erzeugt individuelle innere Bilder und löst eine Fülle von Gedanken und Gefühlen aus. Untersuchungen zeigen aber auch, dass das Lesen die Empathie, die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzudenken, steigert, weil man sich beim Lesen mit anderen identifiziert und – im Unterschied zu allen anderen Medien – ständig in deren Köpfen unterwegs ist. Der Film etwa zeigt Menschen von außen. Nur die Literatur beschäftigt sich mit den Gefühlen und Gedanken einer Person. Wenn ich also viele Bücher gelesen habe, dann bin ich in so vielen Köpfen unterwegs gewesen und kenne nicht mehr nur meinen eigenen Kopf. Dabei geht es aber auch nicht nur um Mitgefühl. So etwas kann mir zum Beispiel auch im Gespräch mit meinen Vorgesetzten nützen, wenn ich besser einschätzen kann, was in dem vorgeht.

Im vergangenen Jahr haben Sie unter dem Eindruck der Iglu-Studie den Aufruf „Jedes Kind soll lesen lernen“ initiiert, in dem sie mehr Investitionen für die Bildung fordern und den viele Menschen unterschrieben haben. Warum ist lesen über die persönliche Erfahrung hinaus so wichtig und warum setzen Sie sich für die Leseförderung ein?

Kirsten Boie: Es geht darum, dass in der letzten Iglu-Studie festgestellt wurde, dass fast 20 Prozent der Grundschüler nicht mehr sinnentnehmend lesen können, in der jüngsten Pisa-Studie waren es jetzt 21 Prozent der 15-Jährigen. Das heißt, sie lesen einen Text und verstehen ihn nicht. Sie kennen zwar die Buchstaben und können sie auch zusammenziehen, wissen aber am Ende nicht, was im Text steht. Im Prinzip sind das Analphabeten, die später keine Zeitung, kein Buch, keine Gebrauchsanweisung lesen können. Sie werden keine Ausbildung durchlaufen können und haben deshalb keinen Zugang zur Arbeitswelt, außer zu unqualifizierten Jobs, die aber immer weniger werden. Diese Menschen stehen außerhalb der Gesellschaft. Lesen ist das Nadelöhr in die Gesellschaft.

Das ist ja nicht nur für die Betroffenen fatal, sondern hat auch Konsequenzen für die Gesellschaft.

Kirsten Boie: Diese Jugendlichen, die nicht ausbildungsfähig sind, werden nicht in unsere sozialen Systeme einzahlen können. Sie werden im Gegenteil mit großer Wahrscheinlichkeit daraus entnehmen müssen. Perspektivisch sieht das also auch für den Zustand und Wohlstand unserer Gesellschaft sehr, sehr düster aus. Darüber hinaus ist das dramatisch für die Demokratie. Erwachsene, die nicht in der Lage sind, komplexere Zusammenhänge aus Texten zu entnehmen, bei denen ist die Meinungsbildung eingeschränkt. Die werden, auch weil sie sich von der Gesellschaft benachteiligt fühlen, ganz schnell zu populistischen Erklärungen greifen.

Woran fehlt es, wenn Kinder nicht sinnentnehmend lesen können?

Kirsten Boie: Das beginnt schon sehr früh. Viele Kinder sind nicht schulfähig, sie können sich nicht konzentrieren, ihnen fehlt die nötige Frustrationstoleranz, vor allem aber fehlt ihnen die Sprachfähigkeit, um einen Text auch zu verstehen. Dafür benötigt man einen relativ großen Wortschatz und die Kenntnis der Syntax. Das bekommt man zum Beispiel durch vorlesen schon von klein an vermittelt. Aber ein Drittel der Eltern gab bei einer Befragung an, niemals vorzulesen. Deshalb ist es wichtig, dass Kinder aus bildungsfernen Familien und solche mit Migrationshintergrund schon deutlich vor der Einschulung Sprachförderung bekommen.

In Ihrer Heimatstadt Hamburg ist das schon so.

Kirsten Boie: Zwei Jahre vor der Einschulung gibt es einen Sprachtest. Die Kinder, die sprachlich auffällig sind, müssen verpflichtend eine Vorschule oder qualifizierte Kita besuchen. Das hat sich bewährt, denn Hamburg hat in der Iglu-Studie fünf Prozent besser abgeschnitten als der Bundesdurchschnitt.

Plädieren Sie also für eine allgemeine Kita-Pflicht?

Kirsten Boie: Deutschlandweit besuchen schon über 90 Prozent der Kinder eine Kita. Wie früh sie dahin kommen, das unterscheidet sich. Das sind vorwiegend Kinder aus bildungsbürgerlichem Haus, die später sowieso eine größere Aussicht auf Bildungserfolg haben. Aber uns fehlen ja schon beim jetzigen Stand Erzieher. Wir müssten mehr Erzieherinnen und Erzieher ausbilden und sie besser qualifizieren im Hinblick auf Sprachförderung. Aber dann müssen wir sie natürlich auch besser bezahlen. Das können die Kommunen nicht leisten. Und da kommen wir an einen wichtigen Punkt: Wenn wir wollen, dass sich die Situation der mangelnden Lesefähigkeit verbessert, dann können wir das nicht länger den einzelnen Ländern und den Kommunen überlassen. Der Bund muss finanziell mit einsteigen.

Sie schlagen in Analogie zum Digitalpakt einen Lesepakt vor. Wie sollte der aussehen?

Kirsten Boie: Beim Digitalpakt hat sich gezeigt, dass es möglich ist, dieses sogenannte Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern zu umgehen. Wenn das für die Digitalisierung der Schulen möglich ist, gegen die ich mich überhaupt nicht ausspreche, dann müsste das doch auch in diesem Bereich möglich sein. Der Bund müsste Mittel zur Verfügung stellen, die Länder und Kommunen abgreifen könnten für bestimmte, festgelegte Zwecke. Festgelegt werden könnten förderfähige Maßnahmen von einem Gremium, das zusammengesetzt ist aus Bund, Ländern, Kommunen und freien Trägern.

Sie haben vor etwas über einem Jahr Ihre Internet-Petition, die sogenannte „Hamburger Erklärung“, an Bundesbildungsministerin Anja Karliczeck und den Vorsitzenden der Kultusministerkonferenz übergeben. Haben Sie schon eine Reaktion erhalten?

Kirsten Boie: Nein, vor den Kameras der Tagesschau wurde gesagt, wie sehr man sich darüber freue. Ich weiß aber, dass das Thema bei der Kultusministerkonferenz eine Rolle gespielt hat. Und ich weiß, dass in einzelnen Bundesländern auch schon einiges passiert. In Bayern zum Beispiel gibt es ja das Filby-Projekt, das von der Universität Regensburg entwickelt wurde und an dem 40.000 Schüler teilnehmen. Offenbar sehr erfolgreich.

Wie erklären Sie sich, dass es offenbar so schwer ist, für das Thema Leseförderung zu mobilisieren?

Kirsten Boie: Es ist einmal die Komplexität des Themas, von dem auf politischer Ebene mehrere Ministerien betroffen sind. Und dann wird in der Politik immer auf die Anforderung reagiert, bei der die Bevölkerung am lautesten ist. Dass dies jetzt beim Thema Klimawandel so ist, ist sehr schön. Aber die Parteien machen sich immer erst an die Arbeit, wenn sie glauben, dass es sie Wählerstimmen kosten könnte. Oder wenn es eine starke Lobby gibt, wie die Hard- und Software-Industrie beim Digitalpakt oder die Autoindustrie bei der Dieselaffäre. Für die Leseförderung gibt es leider keine starke Lobby.

Aber ist das nicht erstaunlich, denn die Folgen für die Gesellschaft und Wirtschaft sind ja enorm. Wäre das nicht ein Hebel, den man noch stärker einsetzen müsste, um für dieses Thema zu mobilisieren?

Kirsten Boie: Das ist mein großer Wunsch und nach Gesprächen mit der Stiftung Lesen vermute ich, dass sich da in Zukunft etwas tun wird. Wir müssen alle gesellschaftlichen Gruppen einbeziehen, die betroffen sind. Wenn sich Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften, Kirchen und andere Gruppierungen zusammenschlössen zu einem Bündnis für das Lesen und Lobbyarbeit betrieben, ließe sich im Bundestag ein Lesepakt durchsetzen, und dann hätten wir eine Chance, dieses Thema stärker ins Bewusstsein zu bringen. Das Problem ist, dass Ursachen und Wirkung einfach zu weit auseinanderliegen: Dass die Kinder lesen lernen oder nicht, passiert heute. Dass sie dann Hartz IV beziehen, passiert Jahrzehnte später.

Die Pisa-Studie hat auch ergeben, dass es nicht nur an der Lesefähigkeit fehlt, sondern auch an der Lesemotivation. Mehr als ein Drittel der 15-Jährigen hält lesen für Zeitverschwendung, die Hälfte liest nur, wenn sie muss. Was bedeutet das für die Kulturtechnik Lesen?

Kirsten Boie: Lesen lässt sich nicht ersetzen, einfach wegen der Prozesse, die beim Lesen im Gehirn ablaufen. Da setze ich mich ja auch immer mit meinem Vorwissen auseinander, stelle das unter Umständen auch infrage. Auch für die komplexe Wissensentnahme lässt es sich nicht ersetzen. Es gibt einfach Zusammenhänge, die sich nur schriftlich entwickeln lassen. Aber dieses Ergebnis überrascht mich überhaupt nicht, denn es zeigt auch, dass Jugendliche lesen offenbar nicht mehr als sozial erwünscht wahrnehmen, sonst würden sie nicht so antworten.

Das wäre ein Bedeutungswandel.

Kirsten Boie: Natürlich. Aber schauen Sie sich doch die Ikea-Bücherregale an, die werden heute nicht mehr mit Büchern dekoriert, sondern mit Nippes. Das ist wirklich deprimierend. Und trotzdem sehe ich auch Positives zu diesem Thema.

Nämlich?

Kirsten Boie: Es gibt sie durchaus noch, diese leidenschaftlichen Viel-Leser. Ich erlebe bei meinen Lesungen, wie sie mich mit Fragen bombardieren, und man sieht sie im Internet, wenn sie sich in Buch-Blogs austauschen. Das ist eine positive Entwicklung, denn lesen ist eine einsame Tätigkeit. Durch das Internet finden sich Gleichgesinnte und lesen wird etwas Gemeinschaftstiftendes.

…eine Community.

Kirsten Boie: Genau, und ich glaube, dass das unter den Jugendlichen eine wesentliche Rolle dafür spielen kann, dass das Lesen in ihren Augen aufgewertet wird.

Zum Schluss noch eine Frage an die Schriftstellerin: Hatte Ihr Einsatz für die Leseförderung Einfluss auf Ihr eigenes Schreiben.

Kirsten Boie: Ich vermute, dass die Kontrollinstanz in meinem Kopf nun stärker geworden ist – also die Frage, ist das zu kompliziert für die Altersgruppe, für die ich gerade schreibe? Gleichzeitig sind Texte mit komplexeren Satzstrukturen wichtig, weil Kinder denen ja sonst nie begegnen. Außerdem habe ich festgestellt, dass ich wieder mehr sogenannte Erstlese-Bücher schreibe, die versuchen, auch solche Kinder zu erreichen, die noch keine hohe Lesekompetenz haben. Für die müssen die Sätze kurz sein, die Sprache einfach und die Spannung muss möglichst zügig aufgebaut werden. Ich weiß aus vielen, vielen Lesungen in benachteiligten Stadtteilen, dass für diese Kinder überhaupt nur solche Texte verständlich sind. Sie sollen das Einfallstor sein, damit die Kinder zum ersten Mal die Erfahrung machen: „Es hat mir Spaß gemacht zu lesen, ich konnte ein ganzes Buch lesen.“ Das macht Mut, und von da aus kommen sie dann weiter.

Zur Person: Kirsten Boie, 1950 in Hamburg geboren, ist eine der bekanntesten deutschen Kinder- und Jugendbuchautorinnen. Zuletzt erschien „Vom Fuchs, der ein Reh sein wollte“.

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