Regisseur, Autor und Sänger: Rolando Villazón ist wieder da
Nachdem der Startenor Rolando Villazón aufgrund einer Operation an den Stimmbändern pausieren musste, legt er nun seinen ersten Roman vor.
Der Aufstieg verlief, wie es sich für einen angehenden Startenor gehört: kometengleich. 1999 zweiter Platz für den Mexikaner Rolando Villazón beim renommierten Operalia-Gesangswettbewerb von Plácido Domingo, gleich im Anschluss ein glänzendes Europa-Debüt in Genua und danach in kurzer Folge Auftritte an allen wichtigen Opernhäusern der Welt, in Paris und Wien, an der Linden-Oper in Berlin und der Met in New York, nicht zu vergessen die Staatsoper in München.
Im Frühjahr 2005 das Zusammentreffen mit Anna Netrebko in Donizettis „L’elisir d’amore“, die Ausrufung zum „neuen Traumpaar“ des Klassikzirkus; im Sommer desselben Jahres die glühende „Traviata“ bei den Salzburger Festspielen, wo Villazón die Netrebko leidenschaftlich umwarb, ein stürmisch gefeiertes Ereignis, das auch auf DVD festgehalten wurde.
Startenor Rolando Villazón musste aufgrund einer Operation pausieren
Dann die Krise. 2006 musste der Tenor eine Reihe von Auftritten absagen, im Jahr darauf nahm er eine Auszeit. Comeback, erneute Probleme, erneute Absagen, 2009 schließlich die Ankündigung, dass er sich einer Operation unterziehen müsse aufgrund einer Zyste an den Stimmbändern. Seit vier Jahren nun ist Villazón zurück auf der Bühne, aber er ist nicht mehr so ganz der alte, bei seinem Auftritt 2011 in München etwa konnte man es hören, als er an der Seite von Diana Damrau die Titelpartie stemmte in „Hoffmanns Erzählungen“ von Offenbach.
Der Popularität des Sängers beim breiten Publikum hat das nicht geschadet, hat Villazón doch das Talent zu everybody’s darling – ein Künstler, der keine Berührungsängste vor Fernsehshows hat und auch schon einmal einen Flashmob für eine Schar von Laiensängern organisiert.
Villazón hat jetzt auch seinen ersten Roman geschrieben
Als Tenor tritt der 42-Jährige inzwischen kürzer, auch hat er das Repertoire justiert hin zu Partien, die seine Stimme nicht mehr so stark beanspruchen, Werke von Mozart etwa oder Barockmusik. Langeweile aufgrund des verminderten Stimmeinsatzes dürfte ihn jedoch nicht plagen. Schon vor seit einiger Zeit hat Villazón seine Liebe zur Opernregie entdeckt. Und er hat seinen ersten Roman geschrieben, „Kunststücke“, im letzten Jahr schon im spanischen Original und jetzt auch auf Deutsch erschienen. Eine fiktive Geschichte, deren Hauptfigur, man wundert sich kaum, Ähnlichkeiten mit ihrem Autor Villazón besitzt.
Dieser Macolieta des Buches ist von Beruf Clown, einer, der auf Kindergeburtstagen die Gesichter aufzuhellen versteht. Ein Metier, das ihn sichtlich erfüllt, was überhaupt für seine gesamte fröhlich-bescheidene Existenz gilt, zu der auch zwei ebenso schrullige wie enge Freunde gehören. Eines Tages aber erleidet Macolieta einen Bandscheibenvorfall, und das bringt sein behagliches Leben ins Wanken, zumal eine Operation ansteht. Wenigstens weiß Macolieta sich im Leiden nicht allein. Bei einem Arztbesuch beobachtet er: „Ein Sänger, der seine hohen Töne verloren hat, verlässt das Sprechzimmer des Doktor Julius.“ Da hat Macolieta wohl eben Rolando V. gesehen.
Romanerstling ähnelt der Hauptfigur von "Kunststücke"
Auch sonst trägt die Hauptfigur manche Züge ihres Schöpfers. Der Clown, der vor Kindern Faxen macht, ist im Naturell nicht weit entfernt von dem Sänger mit dem Wuschelkopf und den Kulleraugen unter lustig geschwungenen dunklen Brauen, der merklich seine Freude hat, wenn er im TV-Kinderkanal auftritt. Und dass bei den Zusammenkünften von Macolieta und seinen Freunden das Dasein immer hochfliegend aus philosophischen Blickwinkeln erörtert wird, dass Platon und Hegel, Heidegger und Sartre beschworen werden, das dürfte auch damit zusammenhängen, dass Villazón eingestandenermaßen selbst ein großer Bücherverschlinger ist.
Überhaupt ist „Kunststücke“ für einen Romanerstling ambitioniert geschrieben. Im Buch arbeitet Macolieta selbst an einem Buch, an einer Geschichte über den Clown Balancin – Villazóns Hauptfigur spiegelt sich selbst also gleich noch einmal, was durchaus reizvolle Wechselbilder mit sich bringt. Manchmal freilich, wenn noch und noch einmal eine Metapher auf einen sowieso schon befrachteten Sachverhalt gepackt wird, merkt man die Überambition des Debütanten. Und letzten Endes ist die Story doch arg leicht an Gewicht und taucht am Ende ein in das milde Licht eines Think-positive-Ratgebers.
Der Startenor ist Regisseur und Autor zugleich
Es wird nicht bleiben bei diesem Roman, sein Verfasser hat angekündigt, ihn als Auftakt einer Trilogie zu betrachten und bereits am zweiten Teil zu sitzen. Spätestens im Frühjahr wird der Schriftsteller dann wieder einen Rollentausch mit dem Regisseur vornehmen, in Berlin soll Puccinis „La Rondine“ in Szene gesetzt werden. Und zwischendrin ist das Faktotum auf Europatournee, mit Stücken aus italienischen und französischen Opern und spanischen Zarzuelas. Sänger ist Rolando Villazón nämlich auch noch.
Der Roman "Kunststück" von dem Startenor Rolando Villazón erscheint im Rowohlt Verlag, hat 256 Seiten und kostet 19,95 Euro. (AZ)
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