Corona ist nur noch eine Pandemie, keine Krise mehr
Die Bundesregierung löste den Corona-Krisenstab auf. Der Expertenrat besteht weiter, die Zukunft des Sachverständigenausschusses scheint ungewiss. Eine klare Linie ist nicht mehr erkennbar.
Nach nur wenigen Monaten heißt es im Kampf gegen die Corona-Pandemie: Kommando zurück. Der von Generalmajor Carsten Breuer geleitete Corona-Krisenstab im Kanzleramt wird aufgelöst, wie Vizeregierungssprecherin Christiane Hoffmann am Mittwoch in Berlin erklärte. Der Corona-Expertenrat, dem prominente Mitglieder wie der Virologe Christian Drosten und STIKO-Chef Thomas Mertens angehören, soll hingegen weiter bestehen. Die Bundesregierung lässt sich in Pandemie-Fragen außerdem von einem Sachverständigenausschuss beraten. Dessen Arbeit stockt, intern gibt es nach Informationen unserer Redaktion heftige Kritik an Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Der SPD-Politiker, einst emsiger Talk-Show-Gast in Sachen Corona, hat die Situation offenbar nicht mehr unter Kontrolle.
„Die bisherige Struktur des sogenannten Krisenstabes im Kanzleramt wird aufgelöst“, erklärte Hoffmann, warnte gleichzeitig aber vor voreiligen Schlüssen: „Das möge nicht missverstanden werden. Es ist natürlich völlig klar, dass die Pandemie nicht vorbei ist, sondern weiterhin andauert.“ Die Bundesregierung folgt mit ihrer Entscheidung zur Auflösung des Krisenstabes jedoch einer Entwicklung, die täglich sichtbarer wird. „Wir sind mittlerweile in einer ganz anderen Situation, was Infektionen und Impfungen angeht als im vergangenen Herbst“, sagte Hoffmann. Die Regierung habe deshalb entschieden, „dass die Aufgaben des Corona-Krisenstabes künftig in den üblichen Arbeitsstrukturen der Bundesregierung bearbeitet werden, auch im Bundeskanzleramt“.
Christian Drosten hat sich aus dem Sachverständigenausschuss zu Corona zurückgezogen
Der vom Zwei-Sterne-General Breuer geleitete Krisenstab sollte zum Winter hin im Kampf gegen die Pandemie Strategien entwickeln, organisatorische Fragen beispielsweise bei der Versorgung mit Impfdosen klären und diese zentral koordinieren. Regierungschef Olaf Scholz stellte zudem einen Corona-Rat mit Expertinnen und Experten zusammen, der das Kanzleramt auf Grundlage aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Covid-19 Pandemie berät. Dessen Arbeit geht weiter, wie Hoffmann erklärte. Der Rat sei „gerade dabei, eine Empfehlung oder eine Stellungnahme zur Vorbereitung auf den Herbst und Winter vorzubereiten“, sagte die Vizeregierungssprecherin.
Während der Krisenstab und der Expertinnenrat von der Regierung eingerichtete Gremien sind, fußt der Sachverständigenausschuss auf Paragraf 5 des Infektionsschutzgesetzes. Die hochkarätig besetzte Runde soll die Wirksamkeit der Corona-Maßnahmen wissenschaftlich überprüfen, die Arbeit jedoch stockt. Der Unmut über das Desinteresse von Minister Lauterbach sei riesengroß, heißt es dazu in Regierungskreisen. Nach außen hin manifestierte sich diese Kritik bereits durch den Abgang des Virologen Drosten. Der begründete seinen Rückzug damit, dass Ausstattung und Zusammensetzung des Gremiums nicht ausreichten, um eine wissenschaftlich hochwertige Evaluierung gewährleisten zu können. Der bekannte Wissenschaftler beklagte außerdem, dass aus der Runde heraus vertrauliche Inhalte durchgestochen worden seien.
Stephan Pilsinger plädierte für die Abschaffung des Sachverständigenausschusses
Der CSU-Gesundheitsexperte Stephan Pilsinger regte die Auflösung des Sachverständigenausschusses an. „Ich vermute, dass viele Mitglieder frustriert sind, da ihre Empfehlungen in der Vergangenheit vielfach ignoriert wurden“, sagte er unserer Redaktion. „Wenn der Sachverständigenausschuss weiterhin so wenig von der Bundesregierung ernst genommen wird, kann man ihn eigentlich gleich auflösen.“ Pilsinger warf Lauterbach vor, „nur einem Experten zu vertrauen: Sich selbst!“.
Der CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge warf Lauterbach vor, beim Sachverständigenausschuss auf die Bremse zu treten. „Schließlich wäre gerade der Sommer die passende Zeit, um die Pandemiepolitik auf den Herbst auszurichten“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion unserer Redaktion. Die deutsche Corona-Politik könne nur dann wirksam sein, wenn sie auch kontinuierlich evaluiert werde. Gerade für künftige Wellen sei es entscheidend, die bisherigen Maßnahmen zu überprüfen. Politische Entscheidungen könnten nicht auf später vertagt werden, sondern müssten jetzt getroffen werden. „Bis heute ist unklar, wie das Meinungsbild im Sachverständigenausschuss tatsächlich aussieht. Interne Mails und der Rücktritt eines prominenten Mitgliedes werfen Fragen auf“, sagte Sorge und betonte: „Es ist höchste Zeit, dass Minister Lauterbach Transparenz schafft."
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Ein wichtiger Schritt, damit man "mit dem Virus leben" kann. Ein Großteil der Bevölkerung hat offensichtlich akzeptiert, dass man das auch wirklich kann. Das Coronavirus wird ja nicht einfach verschwinden und man kann es auch nicht "wegimpfen". Man sieht das auch schön in der Praxis: Laut Umfragen wollte eine große Mehrheit beispielsweise die Maske beim Einkaufen weiterhin tragen, mittlerweile sind die Maskenträger deutlich in der Minderheit. Aber das ist OK. In der Kita hing bis anfang der Woche noch ein Schild, dass man Maske tragen soll. Das ist nun seit 2 Tagen weg und selbst die von sich behaupteten, weiterhin eine Maske zu tragen, hat man heute Morgen ohne gesehen (d. h. aber auch, dass viele wahrscheinlich nur Maske getragen haben, weil es vorgeschrieben war und nicht unbedingt aus Überzeugung)...
Für ein Pandemieende gibt es, das hat auch die Vergangenheit gezeigt, keinen festen Schlussstrich, vielmehr entwickelt sich das Pandemieende schleichend und - je nach Politik- und Gesellschaftsverhalten - unterschiedlich schnell. Dazu empfehle ich folgende Beitrag im renommierten British Medial Jounal (BMJ) "Das Ende der Pandemie wir nicht im Fernsehen übertragen": https://www.bmj.com/content/375/bmj-2021-068094
Was die Evaluierung der Maßnahmen angeht und die Blockade durch Lauterbach und Co. angeht: Der deutsche Dilettantismus der deutschen Coronapolitik setzt sich auch dort weiterhin fort. Leider.