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Ostern
04.04.2021

Digitale Auferstehung? Der Mensch überwindet den Tod virtuell

Das Licht siegt über das Dunkel des Todes: Rembrandts „Die Auferstehung Christi“ aus dem Jahr 1639 – mit digitaler Verfremdung.
Foto: Foto/Montage: Picture Alliance/ws

Mit Künstlicher Intelligenz in die Unsterblichkeit: Das wird bereits angeboten! Mit großen Markt-Chancen. Aber ist das sinnvoll oder gefährlich? Eine Erkundung.

Die Fragen könnten nicht tiefer dringen. Denn es geht um unser Leben mit der Sterblichkeit und um den Umgang mit dem Verlust unserer Liebsten. Die Folgen könnten nicht weiter reichen. Denn so unterschiedlich ihre Bewertungen in der Folge ausfallen werden, was die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung für uns bedeuten, darin sind sie sich doch nahezu wortgleich einig – ein Weihbischof, der gefragter Experte für die ethischen Dimensionen von Technik und Wissenschaft ist, und zwei preisgekrönte Dokumentarfilmer, die um die Welt gereist sind, um zu erfahren, was da eigentlich alles passiert: Es ist der Bruch in einem Verhältnis, das die gesamte menschliche Kulturgeschichte bestimmt hat.

„Schon die Pyramiden oder die frühen Grabbeigaben der Steinzeit waren technische Versuche, über die Sterblichkeit hinauszureichen. Aber was wir da heute sehen, ist die Überwindung der Schallmauer des Todes, auf die das Leben des Menschen immer schon zusteuert, in einer neuen Dimension“, sagt der Augsburger Weihbischof Anton Losinger, Jahrgang 1957. „Seit ihrem Anbeginn träumt die Menschheit davon, dem Tod zu entkommen … In diesen Tagen scheint das detailgetreue digitale Klonen seines Wesens, seiner Art zu sprechen und zu handeln, ja vielleicht sogar seiner Art zu denken zum Greifen nah“, heißt es bei den Berliner Publizisten Moritz Rieswieck und Hans Block, Jahrgang 1985.

Science Fiction? Der tote Vater wird zum "Dadbot" - und zum Abo-Modell

Aber bevor es zu den daraus resultierenden großen Fragen und zu den schwerwiegenden Folgen geht, erst einmal zu zwei kleinen Geschichten – und einer einfachen Frage an Sie: Was davon ist reine Fiktion, was davon wirklich geschehen?

In der ersten Szene begegnen wir einem Mann Ende 30, er sitzt vor einem Bildschirm und spricht über diesen mit seiner in der Ferne lebenden Mutter. Er erklärt ihr, dass er beruflich sehr eingespannt ist und deshalb wohl auch dieses Mal wieder nicht über die Feiertage zu Besuch kommen kann – hält dann jedoch inne, als er die große Enttäuschung im Gesicht der Mutter sieht, die diese zwar zu verbergen sucht, aber nicht kann. Er gibt sich einen Ruck, sagt ihr doch zu, sieht, wie sie glücklich strahlt, hört, wie Vorfreude und Erleichterung aus ihr hervorsprudeln, sagt, dass er sie liebt, und verabschiedet sich: „Auf bald!“ Als der Bildschirm dann erlischt, aber bricht der Mann in Tränen aus. So hätte er damals entscheiden müssen, flüstert er, das hätte er sagen sollen – aber er hat es eben nicht. Es wäre das letzte Mal gewesen, dass er sie vor ihrem Tod wiedergesehen hätte … Die Vorführung macht Eindruck. Ein potenzieller Investor, der neben dem gerührten Mann sitzt, zeigt sich sofort entschlossen einzusteigen. Dafür sollte es auf jeden Fall einen Markt geben!

In der zweiten Szene erfährt ein Mann von der finalen Krebsdiagnose seines Vaters. Mit seinem Bruder beschließt er, noch möglichst viele Lebenserinnerungen des Sterbenden bewahren zu wollen – und Interviews mit ihm zu führen. Als der Vater schließlich tot ist, entdeckt der Mann eine freigegebene Software im Internet, mit der ein Unternehmen Barbies zum Sprechen gebracht hat. Und hat eine Idee. Über hunderte Stunden hinweg programmiert er nun alles Material von seinem Vater ein – und erschafft so etwas, das er „Dadbot“ tauft. Eine sich im Gebrauch weiterentwickelnde Vater-Maschine also ermöglicht ihm, fortan auch immer weiter und immer besser mit dem eigentlich toten Vater zu sprechen. Das bleibt nicht privat, sondern sorgt für Aufsehen. Nachdem der Mann auch Chef-Entwickler von Google beeindruckt hat, trifft er auf eine Marketing-Expertin, die ihm zur Gründung eines Start-ups rät. Die Geschäftsidee ist: Solche Bots als Abomodell anzubieten – wie auf Netflix Filme und Serien streamen kann man dann gegen eine monatliche Gebühr mit Verstorbenen aus dem eigenen Leben reden. Dafür sollte es auf jeden Fall einen Markt geben!

Die 2012 gestorbene Whitney Houston (unten links) ging vor einem Jahr als Hologramm auf Konzert-Tournee.
Foto: dpa-Archiv

Und? Ist sich zum Verwechseln ähnlich? Tatsächlich stammt die erste Szene aus dem deutschen Science-Fiction-Film „Exit“, der 2020 erschien und 2047 spielt. Die Protagonisten darin können bald nicht mehr unterscheiden, ob sie sich gerade in einer Simulation oder der Wirklichkeit befinden. Welche Begegnung, welcher Mensch zu was gehört.

Das heißt tatsächlich: Die zweite Szene ist echt. Es ist die Geschichte des kalifornischen Tech-Journalisten James Vlahos mit seinem „Dadbot“, die Moritz Rieswieck und Hans Block in ihrem Buch „Die digitale Seele“ erzählen. Ob Vlahos auch bald schon nicht mehr weiß, ob sein Vater nun wirklich tot ist? Dazu später mehr. Der Vergleich jedenfalls zeigt einerseits: Der Science-Fiction-Weltstar Cixin Liu scheint recht zu haben, wenn er meint, seinem Genre ginge bald der Stoff aus, weil sich die tatsächlichen technischen Möglichkeiten so rasant entwickelten.

Und andererseits ist klar: Wir müssen uns jetzt damit auseinandersetzen, was da passiert. Denn die Entwicklung findet heute statt, genau jetzt. Und sie geht längst weit über das hinaus, was immer wieder an bizarren ersten Erscheinungen in die öffentliche Wahrnehmung gespült wird. Etwa das Event, dass die Sängerin Whitney Houston 2020 zum ersten Mal seit ihrem Tod acht Jahre zuvor wieder auf Tour war – als „live“ auf der Bühne zu erlebendes Hologramm. Oder dass wenige Tage vor der letzten US-Präsidentschaftswahl plötzlich ein Video den 17-jährigen Joaquin Oliver zeigte, der 2018 bei einem Amoklauf in der Highschool in Parkland, Kalifornien, ums Leben kam. In dem Film wandte er sich an amerikanische Jugendliche: „Registriert euch, geht wählen!“ Und: „Wählt Politiker, die sich mehr um das Leben von Menschen als das Geld der Waffenlobby sorgen … Ich meine, stimmt für mich, weil ich nicht kann.“

Eine Mutter trifft die vor drei Jahren gestorbene Tochter wieder

Wie weit das inzwischen geht, zeigt eine Szene vom anderen Ende der Welt, aus Südkorea. Sie ist ziemlich genau ein Jahr alt, und sie ist – es sei hier gleich verraten – wirklich. Was immer das hier auch heißen mag … Dort also erfüllte der Fernsehsender MBC einer Frau namens Jang Ji Sung ihren sehnlichsten Wunsch: Na Yeon, ihre drei Jahre zuvor im Alter von sieben Jahren an Leukämie gestorbene Tochter, wiederzusehen. Sie wollte ihr noch einmal sagen, dass sie sie liebt, dass sie sie niemals vergessen hat. Und ausgestattet mit VR-Headset und berührungsintensiven Handschuhen machten die Digitaltechniker der Vive Studios in Seoul ihr das möglich – und noch mehr.

Das noch immer auf Youtube abrufbare Video zeigt, wie die beiden sich auf einer Wiese begegnen. „Mama, wo bist Du gewesen?“, fragt Na Yeon. „Ich habe Dich so vermisst – Du mich auch?“ Ihre Mutter antwortet: „Ich habe Dich vermisst, Na Yeon“ – und streckt tränenüberströmt ihre Hände aus, um ihrer Tochter übers Haar zu streichen. Was das Kind im Leben liebte, ist auch da, als Jang sie schließlich ins Bett bringt: ein leuchtender Hase, ein aufblasbarer Donut mit bunten Streuseln. Na Yeon fragt: „Mama, wir werden immer zusammenbleiben, ja? Ich werde mich für immer an dich erinnern, ja?“ Jang antwortet: „Mama liebt dich so sehr, Na Yeon. Wo auch immer du bist, ich werde nach dir Ausschau halten. Ich habe noch Dinge zu tun. Aber wenn ich damit fertig bin, dann werde ich mit dir sein.“ Sie sagt: „Dann werden wir wieder zusammensein. Dann wird es uns beiden gut gehen.“ Und Na Yeon: „Ich bin müde, Mama“ – sie kuschelt sich ins Kopfkissen. „Mama, bleib bei mir. Mama, auf Wiedersehen.“ Ein weiß leuchtender Schmetterling kommt herangeflogen und setzt sich auf den liegenden Körper des Kindes. „Ich liebe dich, Mama“, sagt Na Yeon schon im Halbschlaf. „Ich liebe dich auch“, antwortet Jang unter Tränen. Sie streckt noch einmal ihre Hand zu ihrer Tochter aus – und greift doch wieder nur ins Leere. Es wird gleißend hell, die Tochter ist verschwunden, nur der Schmetterling ist noch da …

So sah das aus, als auf dem südkoreanischen Sender MCB das Wiedersehen zwischen Mutter und gestorbener Tochter präsentierte.

Wer die Autorin Thea Dorn, die gerade mit „Trost“ einen Roman veröffentlicht hat, in dem es zentral darum geht, wie wir den Tod aus unserem Leben verdrängen und um die existenzielle Aufgabe drücken, Frieden mit unserer Sterblichkeit machen zu müssen – wer sie also mit solchen Szenen konfrontiert, erhält zwei kurze, klare Sätze zur Antwort. Der eine: „Das wirkt ja wie Geisterbeschwörung 2.0“. Der andere: „Himmel, ist das trostlos.“ Und hat sie nicht recht?

Nach einem nun kurz vor Ostern erschienenen, heiß erwarteten Science-Fiction-Roman dagegen ist das der Beginn einer Erlösung. Der Autor Ernest Cline hatte im auch von Steven Spielberg verfilmten Weltbestseller „Ready Player One“ von der „Oasis“ erzählt: einer offen gestaltbaren, virtuellen Welt, in der jeder mit Headset und Datenanzug leben kann, als was und wie er will. In „Ready Player Two“ (S. Fischer, 464 Seiten, 16,99 Euro) nun werden über die Spielgeräte gleich die Spielergehirne selbst gespeichert – und können damit in der vom Programmier-Guru James Donovan Hallidays geschaffenen Oasis über den irdischen Tod hinaus existieren. Und auch getroffen werden. Cline lässt seinen Erzähler rückblickend sagen: „Vielleicht waren wir die letzte Generation, die je unter der Sterblichkeit zu leiden haben würde. Von diesem Moment an hatte der Tod keine Macht mehr. Wir standen am Anfang der posthumanen Ära … Dies war das letzte Geschenk von James Donovan Hallidays brillantem aber geplagtem Gehirn an die Menschheit. Er hatte uns dieses digitale Paradies geschenkt …“ Und: „Wenn wir den Menschen etwas Zeit geben, würden sie sich vielleicht an diese neue Realität gewöhnen. Vielleicht hatten die Menschen der Zukunft kein Problem damit, mit Kopien ihrer toten Freunde und Verwandten zusammenzuleben. Aber vielleicht doch.“ Und? Hätten wir?

Weihbischof Anton Losinger warnt: "Eine dramatische Fehlentwicklung"

Schon heute sagt der US-Forscher Faheem Hussain nämlich: „Technisch gesehen, können wir mit genügend Daten jeden online wiederherstellen.“ Und die von Menschen verfügbaren digitalen Daten werden durch all die gespeicherten Fotos, Videos und Sprachnachrichten ja praktisch täglich mehr. Allein auf Facebook: Nach einer Oxfordstudie sterben heute täglich rund 8000 Nutzer der Plattform, ohne ihre Daten gelöscht zu haben. Bereits im Jahr 2070 könnte so die Zahl der toten User, die der lebenden übertreffen, bis 2100 wären es rund 4,9 Milliarden solcher … – Zombies? Alles auch geliebte Verstorbene. Was spräche also gegen das von Ernest Cline skizzierte Wiedersehen im Paradies? Der Philosoph Thomas Macho jedenfalls sagt dagegen, „eine Weltsimulation, die uns vorgaukelt, dass es nichts gibt, das wir vermissen müssen, die Hölle ist“?

Mit dessen Kollegen Eric Voegelin lässt sich jedenfalls verstehen, wie essenziell dieser Traum ist. Vom deutsch-amerikanischen Philosophen, der selbst bereits 1985 gestorben ist, ist nun ein Vortrag zur „Unsterblichkeit“ veröffentlicht worden. Voegelin sagte darin, dass jede Kultur sich letztlich dadurch charakterisieren lasse, in welchem Verhältnis bei ihr das diesseitige zum jenseitigen Leben stehe. Das Verhältnis zur Unsterblichkeit ist dabei das zentrale Symbol. Nach Voegelin braucht der Mensch den Glauben an ein wirkliches Jenseits: „Die Alternative zum Leben im Paradies seines Traumes ist der Tod in der Hölle der Banalität.“ Aber ist sein Paradiestraum und der von Cline wirklich derselbe? Auch wenn der Vortrag vor über 50 Jahren gehalten wurde, markiert er mit dem Rückgriff in die Kulturgeschichte exakt die Stelle, an der wir heute sind: „Das Zentrum (…) ist die Transformation der Macht des Menschen über die Natur in die Macht des Menschen zur Erlösung. Nietzsche hat das Symbol der Selbsterlösung entwickelt als Ausdruck für das alchemische opus des sich nach seinem eigenen Bilde selbst erschaffenden Menschen. In diesem Traum von der Selbsterlösung übernimmt der Mensch die Rolle Gottes und erlöst sich selbst aus eigener Gnade. Sich selbst erlösen heißt aber, sich selbst unsterblich machen.“ Können wir das also nun? „Ich glaube an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben“, heißt es im christlichen Glaubensbekenntnis, das sich an die göttliche Macht richtet, die zu Ostern durch Jesus den Tod besiegt hat. Glauben wir also nun an die Begegnung mit den Toten und das ewige Nachleben, zu dem sich der im Digitalen göttlich werdende Mensch selbst erlöst?

Das Digitale im Sakralen: Die drei von dem Künstler Gerhard Richter gestalteten Chorfenster der Abteikirche Tholey waren und sind nicht unumstritten.
Foto: dpa-Archiv

Höchste Zeit, dass hier der Weihbischof zu Wort kommt: Anton Losinger, der nicht nur in dem Deutschen Ethikrat eine Stellungnahme zu den Fragen von Big Data mit erarbeitete hat, sondern auch in Funktionen bei der TU München und der Max-Planck-Gesellschaft ethische Fragen technischer Fortschritte begleitet. Und entscheidend ist für ihn der eine Unterschied, der auch bei Voegelin anklingt, zwischen Dies- und Jenseits. Denn alles, was die Technik hier erreiche, so Losinger, sei ja eine Projektion, die nur das irdische Leben verlängere: reines Diesseits, eine bloß illusionäre Überschreitung der Schallmauer des Todes – und damit das Gegenteil von dem, was Transzendenz eigentlich meint. Vielmehr noch bestehe die Gefahr, dass dieses „Stück zwischen Esoterik und Science-Fiction“ gerade den Weg zu einer „wahrhaft neuen Wirklichkeit“ verstelle. Der Weihbischof: „Die Eindimensionalisierung des Todes, auch mit den fortgeschrittensten technischen Möglichkeiten, ist ein ultimativer Akt der Selbstentfremdung des Menschen.“ Denn sie reduziere ihn, sein Leben, seine Person, seine Seele auf reproduzierbare Daten. Wenn wir mit dem Sterben immer auch grundsätzlich vor der Frage stehen: Was ist der Mensch? So ist die Antwort der digitalen Realität darauf für Anton Losinger eine „dramatische Fehlentwicklung“.

Und sie sei nicht nur hilflos, sondern bleibe letztlich auch trostlos. Was beim „Dadbot“ oder im koreanischen Fernsehen passiere, sei jedenfalls „das präzise Gegenteil von Trost“. Der Kirchenmann: „Denn erst, wenn wir bereit sind, einen geliebten verstorbenen Menschen loszulassen, dann erst entwickelt sich Trost. So aber binden wir uns an die Illusion einer weiteren Präsenz – und zu meinen, sie auf den Daten fußend auch noch durch eine lernende Künstliche Intelligenz weiterentwickeln zu können, das geht in die Wüste.“ Das ein Leben nach dem Tod zu nennen, wäre, als wollte man das Gefühl, geliebt zu werden, technisch generieren, als könnte man es mit dem Empfangen von zwölf Blumensträußen ersetzen. Und wenn bei Voegelin Nietzsche zu Wort kommt, zitiert Losinger Einstein: „Der Mensch lebt heute technologisch gesehen im Atomzeitalter, aber ethisch in der Steinzeit.“ Gleiches drohe heute für das Quanten- und Digitalzeitalter. Denn mit Projektionen könne uns (siehe im Film „Exit“) auch der Sinn für das, was Wirklichkeit ist, abhandenkommen, und damit die Kontrolle darüber: „Die Kluft zwischen dem, was wir können, und dem, was wir sollen, wird dann zu einer gefährlichen Frage, wenn beides auseinandertritt und nicht mehr beherrscht wird. Dann gnade uns Gott.“

Weihbischof Anton Losinger sieht eine "dramatische Fehlentwicklung".
Foto: Fred Schöllhorn (Archiv)

Es helfe also nur ein ganzheitliches Denken über den Menschen, eines, das ihn angesichts absehbarer Marktangebote zur vermeintlichen Unsterblichkeit auch zum ethischen Handeln als potenzieller Kunde befähige. Das müsse darum, so der Weihbischof, „ein elementares Bildungsprojekt der Zukunft“ sein. Sonst stünden wir vor „einer inneren Zerstörung des Menschenbildes“. Und was die tatsächliche Unsterblichkeit anbetrifft, helfe nur die Einsicht: „Ein Leben nach dem Tod, das gibt es für uns nur geschenkt.“ Schließlich mahnt er mit dem provokanten Wort, das dem Theologen Karl Rahner zugeschrieben wird: „Wer nicht an Gott glaubt, glaubt ja nicht an nichts – er glaubt an alles.“

Bereits erhältlich: Ein Unsterblichkeits-Rundum-sorglos-Paket

Darin würde ihm das Autoren-Duo Rieswieck/Block gar nicht widersprechen. Die beiden würden bloß keinen Unterschied machen. Zur digitalen Seele heißt es bei ihnen nämlich: „Noch ist der Mythos jung genug, um als das enttarnt zu werden, was er ist: die Gründungsgeschichte einer neuen Form von Religion. Wie Glaubensgemeinschaften schon immer wussten, dass sie den Menschen vor allem vor dem Tod befreien und dem drohenden, unvorstellbaren Nichts einen Sinn verleihen müssen, wenn sie sich Gefolgschaft sichern wollen, so werden wir in den kommenden Jahren erleben, wie auch die Jünger aus dem Silicon Valley und Shenzhen alles daransetzen werden, den Glauben an die allmächtige, magisch wirkende Künstliche Intelligenz mit eben diesem Versprechen zu verbinden: Du kannst unsterblich werden, wenn du an mich glaubst und mir folgst.“

Nach ihnen ist Jesus Christus, der „am dritten Tage auferstanden ist von den Toten“, eben keine Offenbarung, sondern nur: eine Geschichte. Noch dazu eine, auf die immer weniger Menschen vertrauen. Rieswieck/Block zitieren Umfragen, nach denen etwa in der westlichen Welt eine deutliche Mehrheit zwar glaube, „eine Seele“ zu haben, aber sich keiner klassischen Religion mehr aufgehoben fühlt. Die Folge: „Hier entsteht gerade ein gewaltiger Markt. Denn wenn eine deutliche Mehrheit von rund 300 Millionen Menschen allein in Westeuropa einen Ersatz für überlieferte Formen des Trauerns und des Umgangs mit den Toten suchen, wenn sie zwar an Himmel und Hölle nicht mehr glauben können, genauso wenig aber sich abfinden wollen damit, dass ein Mensch im Tode einfach verschwindet, dann ist hier das Feld bereitet für eine Industrie, die längst bereitsteht, die Leerstelle mit ihren Angeboten zu füllen.“ Der Oxford-Forscher Carl Öhmann, mit dem sie auf ihrer Weltreise gesprochen haben, weiß jedenfalls bereits von Firmen zu berichten, die eine „Full Package Immortality“ verkauften, die digitale Unsterblichkeit als Rundum-sorglos-Paket. Eine „Afterlife Industry“ sei am Entstehen. Öhmann: „Wir sind von einem rein spirituellen Konzept zu einem wirtschaftlichen Konzept übergegangen, zu einem emotionalen und digitalen Konzept von Unsterblichkeit.“ Der Philosoph Thomas Macho nennt das bereits den Triumph des Neo-Kapitalismus – auch über die letzte Grenze des Lebens hinweg …

"Längst erreichten die Jünger der Künstlichen Intelligenz Gotteshäuser"

Das Fazit von Rieswieck/Block: „Die digitale Seele ist ein Mythos, entstanden aus dem tiefen Bedürfnis der Menschen nach Sinn … Viele von uns können nicht leben mit dem Gedanken, dass unsere Liebsten, die es jederzeit erwischen könnte wie uns selbst, auf einen Schlag ausgelöscht werden.“ Das ist einmal mehr der weite Horizont der gesamten Kulturgeschichte und die Tiefendimension der Existenz. Nun aber heißt es bei den beiden Autoren: „Viele von uns sind deshalb empfänglich für einen Mythos, der ausgerechnet von dort aus in die Welt tritt, wo man sich einbildet, Logik und Ratio könnte alle Formen des Aberglaubens und der Religionen auf alle Zeiten beseitigen: das Silicon Valley. Längst haben die Jünger begonnen, Gotteshäuser für Künstliche Intelligenz zu errichten …“ Wollen wir daran glauben? Denn nur das entscheide über die Gültigkeit einer solchen Geschichte …

Auf ihrer Reise um die Welt haben die beiden auch James Vlahos mit seinem „Dadbot“ besucht – und mit ihm das Haus, in dem sein Vater aufgewachsen ist. Dort erinnerte nichts mehr an ihn außer einem Feigenbaum, von dem er immer wieder aus seiner Kindheit erzählt hatte. Als Vlahos eine Frucht des Baumes in die Hand nahm und daran roch, überwältigte es ihn, er brach in Tränen aus und floh ins Auto. Trotz all der Programmierarbeit und all der Gespräche, so nah war er seinem Vater und dem Bewusstsein, dass er tatsächlich gelebt hat und jetzt tot ist, nie gekommen.

Die Bücher:

  • Moritz Rieswieck und Hans Block: „Die digitale Seele“ (Goldmann, 592 Seiten, 20 Euro)

  • Thea Dorn: „Trost“ (Penguin, 176 Seiten, 16 Euro)

  • Ernest Cline: „Ready Player Two“ (S. Fischer, 464 Seiten, 16,99 Euro)

  • Eric Voegelin: „Unsterblichkeit“ (Matthes & Seitz, 109 Seiten, 12 Euro)

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