Engländer können keine Elfmeter schießen? Falsch!
Wie eine Studie nun belegt, treffen englische Fußballer bei Strafstößen nicht schlechter als Spieler anderer Nationen. Alles also nur ein Mythos?
„Engländer können keine Elfmeter schießen“ – diese weit verbreitete Annahme und vermeintliche Erklärung für das englische „Elfmeter-Trauma“ ist falsch. Wie eine statistische Auswertung von Forschern der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS) belegt, treffen englische Fußballer bei Strafstößen nicht schlechter als Spieler anderer Nationen. Die Nationalität sei nicht der Grund dafür, dass die englische Nationalmannschaft in der Vergangenheit in vielen hochrangigen Turnieren bei Elfmeterschießen rausflogen, schreiben die Forscher im Fachmagazin „Scientific Reports“.
Ende der 1970er Jahre hatten die Fußballverbände UEFA und FIFA das Elfmeterschießen eingeführt, um Spiele, die nach der regulären Spielzeit unentschieden stehen, in der K.o.-Runde von Turnieren zu entscheiden. 18 EM-Spiele und 30 WM-Spiele wurden nach Angaben der Forscher um Michel Brinkschulte seither auf diese Weise beendet. Frühere Analysen hätten gezeigt, dass dabei nicht alle Nationen gleich gut abschnitten – vor allem englische Fußballer schienen extrem schlecht im Elfmeterschießen. Das Klischee vom englischen Elfmeter-Fluch oder Elfmeter-Trauma sei unter Fußball-Fans, in den Medien und auch unter gestandenen Sportreportern weit verbreitet. Aber stimmt es?
Nur drei von neun Elfmeterschießen in EM- und WM-Spielen gewonnen
Wie so oft bei Stereotypen sei vielleicht ein Körnchen Wahrheit daran, schreiben die DSHS-Wissenschaftler. Seit 1978 habe die englische Nationalmannschaft nur 3 ihrer 9 Elfmeterschießen in EM- und WM-Spielen gewonnen. 1990 verlor England das WM-Halbfinale gegen Deutschland im Elfmeterschießen, 1996 das EM-Halbfinale. Zwei Jahre später mussten sich die Three Lions im WM-Achtelfinale gegen Argentinien geschlagen geben, 2012 scheiterten sie im EM-Viertelfinale an Italien. Eine unvollständige – und aus englischer Sicht deprimierende Aufzählung. Das aber tatsächlich die englische Nationalität für das häufige Scheitern verantwortlich ist, belegt die Statistik nicht.
Sie treffen aber sogar etwas häufiger als der Durchschnitt
Die Wissenschaftler hatten die Ergebnisse aller geschossenen Elfer in EM- und WM-Spielen seit 1976 untersucht, sowohl solcher, die innerhalb der Spiele geschossen wurden, als auch jener, die in den spielentscheidenden Strafstoß-Runden nach Spielende ausgeführt wurden. Insgesamt waren das 696. Zudem prüften sie alle Strafstöße, die in den höchsten Ligen von Deutschland, England, Spanien, Italien und Holland zwischen der Saison 2006/07 und der Saison 2015/16 geschossen wurden – mehr als 4700. Die Ergebnisse brachten sie mit der Nationalität der Schützen in Verbindung. Bei spielentscheidenden WM- und EM-Elfmeterschießen schossen 387 Spieler insgesamt 473 Strafstöße. Durchschnittlich 72 Prozent der Schüsse wurden verwandelt. Innerhalb des Spiels lag die Elfer-Trefferquote bei knapp 79 Prozent. Einen Zusammenhang zur Nationalität fanden die Forscher nicht. Auch bei der Auswertung der Liga-Spiele zeigte sich kein Einfluss der Spieler-Nationalität auf den Erfolg beim Elfmeterschießen. Es sei mithin falsch, das häufige Scheitern der englischen Nationalmannschaft auf die Nationalität zurückzuführen, wie es häufig geschehe, schreiben die Wissenschaftler. Die Auswertung zeige, dass englische Fußballer bei Strafstößen im Spiel sogar etwas häufiger träfen als der Durchschnitt, bei spielentscheidenden Elfmetern allerdings etwas seltener.
Ein verlorenes Elfmeterschießen bleibt länger im Gedächtnis haften
Statistisch bedeutsam war dieser Unterschied nicht, womöglich liege darin dennoch einer der Gründe für das vermeintliche Elfmeter-Trauma der Engländer: Ein verlorenes Elfmeterschießen bei einem WM- oder EM-Spiel sei ein sehr emotionales Ereignis und bleibe länger im Gedächtnis haften als ein während eines Spiels geschossener Strafstoß. So forme sich womöglich das Bild, dass englische Spieler häufiger verschießen als sie es tatsächlich tun. Ganz ausschließen wollen die Forscher aber nicht, dass es gewisse Unterschiede zwischen einzelnen Nationen gibt, wenn es ums Elfmeterschießen geht. So sei etwa denkbar, dass die Furcht vor der als besonders brutal bekannten heimischen Boulevardpresse die englische Nationalmannschaft lähme. Darüber hinaus gebe es auch die Vermutung, dass die Einstellung englischer Trainer, ein Elfmeterschießen sei ohnehin ein Glücksspiel, zu einer schlechteren Vorbereitung der Spieler führe. (dpa)
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