Schauspiel-Star Jodie Foster: "Ich bin voller Obsessionen"
In Cannes wird Jodie Foster für ihr Lebenswerk geehrt. Und in „Der Mauretanier“ ist sie nach langem auch wieder zu sehen: Sie spricht über Ruhm, Politik und Zweifel.
In Hollywood-Filmen spielen Moslems oft die bösen Terroristen. Hier geht es um einen unschuldig inhaftierten Mauretanier, was für einen Mainstream-Film der Branche ungewöhnlich ist …
Jodie Foster: Nur dass es sich hierbei nicht um einen richtigen Hollywood-Film handelt. Der wurde von einem Haufen Briten gemacht. Und wir wollten den Film auch nicht von Amerikanern finanzieren lassen, denn die hätten uns bloß dreingeredet. Wir wollten zeigen, wie die USA auf den 11. September reagierten – und zwar aus der Perspektive eines Moslems, der von dieser Welle der Islamophobie erwischt wird.
Wie haben Sie selbst den 11. September erlebt?
Foster: Ich stand damals kurz vor der Geburt meines zweiten Sohnes, musste das Bett hüten. Ich fühlte mich infolgedessen sehr verwundbar, aber ich konnte die Augen nicht vom Fernseher wegbekommen. Und ich hatte schreckliche Schuldgefühle, weil meine ganzen Freunde eine Erfahrung durchmachen mussten, die ich nicht wirklich mit ihnen teilen konnte. Mein Gedanke war: Ich wollte wieder eine Wohnung in New York kaufen, damit ich allen Menschen, die ich dort kannte, nahe sein konnte.
Doch die USA zogen aus diesem Trauma wesentlich brutalere Konsequenzen …
Foster: Das war damals eine große Chance. Uns wurde so viel guter Wille entgegengebracht. Wir hätten die Gründe für diese Anschläge genau analysieren können. Aber wir haben das nicht so wirklich geschafft. Die Regierung hat die rechtsstaatlichen Grundsätze über Bord geworden, die letztlich die Basis unserer Demokratie und Verfassung darstellen, um Rache zu üben. Wir sind da in eine dunkle Phase unserer Geschichte eingetreten. Das ist einerseits eine menschliche Reaktion, aber die gilt es zu hinterfragen, was wir auch mit diesem Film tun.
Die Jahre der Trump-Präsidentschaft waren ja auch eine düstere Phase. Hatten Sie die erwartet?
Foster: Nein, überhaupt nicht. Während der Obama-Administration habe ich in einer Blase gelebt – viele andere auch. Ich habe nicht verstanden, was sich eigentlich in unserem Land abspielt. Und die Wahl Trumps hat mich ordentlich wachgerüttelt. Diese vier Jahre waren schon heftig.
Bei Ihnen dagegen wurde es in diesen Jahren recht ruhig. „Der Mauretanier“ ist Ihre erste größere Filmrolle seit 2014. Vor einiger Zeit meinten Sie, dass Sie ganz mit der Schauspielerei aufhören wollten.
Foster: Ja, dieser Gedanke kommt mir immer wieder in den Kopf. Aber ich hatte auch nie erwartet, dass ich Schauspielerin werden würde. Ja, mit drei habe ich Werbespots gedreht, aber nie gab es den Plan, das mein Leben lang fortzusetzen. Ich kann es selbst kaum glauben, dass ich mit 58 immer noch das Gleiche mache. Als ich größer wurde, fragte mich meine Mutter: „Was willst du werden? Anwältin? Ärztin?“ Irgendwie habe ich mich nie mit der Frage beschäftigt, was ich wirklich mit meinem Leben anfangen wollte.
Mit dieser Unentschiedenheit haben Sie’s trotzdem ziemlich weit gebracht.
Foster: Natürlich. Ich habe in meinem Leben ungeheuer viel Erfüllung gefunden, und ich bin total dankbar für alles, was ich erreicht habe. Aber ich gehe an meine Rollen viel intellektueller und analytischer heran als meine Kollegen. Das macht es mir ziemlich schwierig. Der Job der Schauspielerin fühlt sich für mich nicht natürlich an. Und deshalb muss ich auch noch andere Dinge im Leben ausprobieren, etwa die Regie.
Wie kann man für sich herausfinden, was man im Leben wirklich machen will?
Foster: Eine der entscheidenden Fragen ist: Was habe ich getan, damit mein Leben eine Bedeutung hat? Wie definiere ich den Sinn meines Daseins? Heißt das, dass ich zum Beispiel nach Kalkutta hätte gehen sollen, um für den Orden von Mutter Teresa zu arbeiten? Hätte ich mehr Geld verdienen sollen?
Was ist denn aus Ihrer Sicht das Bedeutendste, das Sie vollbracht haben?
Foster: Dafür gibt es keinen äußeren Beleg, auch wenn wir immer danach suchen.
Sie haben immerhin zwei Oscars …
Foster: Die sind es nicht. Die Dinge, die mir etwas bedeuten, sind wie Staub. Sie vergehen – ohne Beweis. Das sind spontane Erfahrungen, die ich mit jemandem geteilt habe, zum Beispiel in der Beziehung zu meinen Kindern.
Aber Ihre Filme sind doch bleibende Resultate. Wollen Sie mit denen nichts erreichen?
Foster: Doch, auf jeden Fall. Ich möchte, dass mein Publikum meinen Filmen positive moralische Botschaften mitnimmt. Und nach diesen Kriterien suche ich meine Filme aus, zum Beispiel einen Politthriller wie „Der Mauretanier“, wo es ja darum geht, wie sich ein unschuldiger muslimischer Gefangener nicht von Haft und Folter brechen ließ, sondern menschlich reifer wurde und verzeihen konnte. Die Schlüsselfrage ist: Wie tun wir das Richtige? Und darauf gibt es keine einfache Antwort, deshalb wird diese Geschichte auch aus verschiedenen Perspektiven gezeigt.
Hatten Sie Vorbilder, die Ihnen zeigten, was das Richtige ist?
Foster: Da wäre an erster Stelle meine Mutter zu nennen, die 2007 verstarb. Wenn ich mir Fragen zum Leben stelle, dann erinnere ich mich an das, was sie gesagt hat. Auch sie war fehlbar. Und sie konnte auch nicht verstehen, was die Schauspielerei wirklich bedeutet. Das war immer mein eigenes Ding, das ich mit niemand teilen konnte. Aber insgesamt war sie das große Leitbild in meinem Leben. Selbst wenn ich nachdenke, würde mir niemand sonst einfallen.
Versuchen Sie auch so ein Vorbild als starke Frau zu sein?
Foster: Lassen Sie mich das so sagen: Ich versuche, in meinen Filmen immer starke Frauen zu zeigen. Oft sind sie diejenigen, dank denen die Männer überleben. Aber das heißt auch, dass du als Frau deine männliche Seite entwickeln musst. Das habe ich auch persönlich getan, denn nur so konnte ich eine gute Mutter sein.
Und worin bestehen Ihre Schwächen?
Foster: Ich bin voller Obsessionen. Aber ich genieße auch, mich intensiv mit den großen Fragen zu beschäftigen. Ich muss nur schauen, dass bei mir im Kopf nichts durcheinander gerät. Ich brauche klare Strukturen. Wenn ich mich mit einer Sache beschäftige, dann kann ich mich nicht um etwas anderes kümmern. Sobald meine Regeln auf den Kopf gestellt werden, kriege ich Schwierigkeiten. Doch ich gebe trotzdem nicht auf. Denn entscheidend ist, dass du einfach etwas versuchst. Bemühe dich einfach, besser zu werden. Nur darauf kommt es im Leben an, selbst das ist manchmal nicht einfach.
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