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Sucht
14.04.2018

Kleptomanie: Eine Betroffene verliert plötzlich alles

Kleptomanie ist ein häufig unterschätztes Problem. Gerade Frauen leiden unter der Suchterkrankung.
Foto: Anne Wall

Theresia R. erzählt, wie mit einer Packung Käse ihre Sucht begann und sie vor Familie und Freunden ihr Gesicht verlor.

Mit dem Käse fing alles an. Eine Portion, eingeschweißt, billig. So ein „Päckle Käs“ war es, das Theresia R. damals im Discounter einsteckte. Und nicht bezahlte. Warum sie das tat, kann sie sich bis heute nicht recht erklären. Sie weiß nur, dass es ihr damals wegen ihrer Scheidung schlecht ging. „Schlimm war das! Ich dachte, das überlebe ich nicht“, erzählt Theresia, die wie ihre Leidensgenossen anonym bleiben möchte.

Der Ex-Mann habe nicht zahlen wollen, und sie stand mit den Kindern allein da. Obwohl sie eine gute Arbeitsstelle hatte, machte ihr die Situation Angst. Und auf einmal griff sie nach dem Käse. Es war das erste Mal in ihrem Leben, dass sie klaute. Und sie wurde gleich erwischt: Ein Ladendetektiv stellte sie auf dem Kundenparkplatz.

Mit einer Packung gestohlenem Käse fing alles an

„Der hat einen Zirkus gemacht wie ein Rumpelstilzchen!“ Wenn die ältere Dame heute, viele Jahre später, davon berichtet, kann sie über die bizarren Szenen nur ungläubig lachen. Darüber, wie sie fliehen wollte, weil ihr auf einmal ihre üble Lage bewusst wurde. Wie sie den Wagen von innen verriegelte, den Motor startete und langsam losrollte, obwohl der Mann einfach davor stehen blieb.

Wie er auf der Motorhaube lag und sie einige Meter gemeinsam fuhren, bis ihr klar wurde, was sie tat. Bis sie anhielt und die Polizei kam. Bis der gestohlene Käse gefunden wurde. Und Theresia R. ihren Führerschein, ihren Job und ihr Gesicht verlor.

Kleptomanen leiden unter einer extremen Spannung

Sie fand eine andere Arbeit und einen neuen Partner, aber die Probleme blieben. „Immer, wenn es mir schlecht ging, habe ich gedacht: Jetzt muss ich etwas klauen!“, berichtet sie. Jedes Mal baute sich in ihr eine unerklärliche Spannung auf, die sie dazu verleitete, Dinge einzustecken. In Kaufhäusern und anderen großen Geschäften erbeutete sie beliebig „Schmarrn“: Kleinigkeiten wie etwa Pickelstifte, die sie nicht brauchte und an Bekannte verschenkte oder wegwarf.

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Theresia R., eine freundliche Dame, die lebendig erzählen kann, sitzt in der Augsburger „InBeLa – Beratungsstelle für Frauen in besonderen Lebenslagen“ gemütlich am Tisch und trinkt Kaffee. Eine Handvoll Frauen und ein Mann hören zu, lachen, berichten von ihren Erlebnissen. Bei InBeLa, die zum Sozialdienst katholischer Frauen gehört, trifft sich alle zwei Woche die Selbsthilfegruppe „INKA“ für Menschen, die suchtartig stehlen. Es handelt sich um eine der wenigen Gruppen dieser Art in ganz Deutschland.

Dass es so wenige Initiativen gibt, liegt auch daran, dass Kleptomanie ein Tabuthema ist. So selten ist diese Störung nämlich gar nicht. Psychologen schätzen, dass 0,6 Prozent der Bevölkerung betroffen sind, und zwar überwiegend Frauen. Genau weiß es aber niemand. Zu dem Thema gibt es nur wenige, kleine Studien. Das liegt auch daran, dass sich kaum jemand zu dem Problem bekennen möchte.

Zunächst ist den Betroffenen oft gar nicht klar, was mit ihnen los ist: „Viele denken: ,Ich gehe eben klauen‘, ohne darüber zu reflektieren“, sagt Bärbel Marbach-Kliem von „InBeLa“. Aber auch wenn Menschen mit kleptomaner Neigung ihr Problem erkennen, fällt es den meisten schwer, sich anderen anzuvertrauen.

So verheimlichte Theresia R. ihrer Umgebung ihre Kleptomanie jahrelang. „Ich hab mich so geschämt!“, betont sie. Als sie wegen wiederholten Diebstahls ins Gefängnis musste, erzählte sie Verwandten und Bekannten von einer Reise ins Ausland. Zum Beweis ließ sie dort Postkarten einwerfen. Doch während sie hinter Gittern saß, lag ihre Mutter im Sterben. „Ich habe sie nicht mehr sehen können“, sagt sie, und ihre Stimme klingt auf einmal dumpf und traurig. Für die Beerdigung durfte sie sich zwar Hafturlaub nehmen, doch kam die Wahrheit ans Licht. Und Theresia verlor erneut das Gesicht, diesmal vor ihren Verwandten und Bekannten.

Kleptomanie ist seit langem bekannt

Das Phänomen Kleptomanie beschäftigt Wissenschaftler seit langem. Der Begriff, der aus dem Griechischen kommt und so viel wie „Stehl-Besessenheit“ bedeutet, wurde im frühen 19. Jahrhundert eingeführt. Doch taten sich Psychologen lange Zeit schwer, die Störung zu verstehen und einzuordnen. „Es handelt sich um ein rätselhaftes Phänomen, das je nach Zeitgeist anders eingestuft wurde“, sagt Prof. Dr. Fritz Hohagen von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde.

Zwar war schon vor 200 Jahren klar, dass kleptomane Menschen aus innerem Zwang handeln und Diebstahl rational ablehnen. Allerdings gab es viele verschiedene Erklärungen für dieses Verhalten, von denen manche aus heutiger Sicht abenteuerlich klingen. So vermuteten Ärzte Anfang des 19. Jahrhunderts den Grund allen Übels in anatomischen Besonderheiten des Gehirns. Später wurde krankhaftes Stehlen gerne als sexuelle Ersatzhandlung interpretiert.

Mitunter wurde den Tätern auch eine masochistische Neigung unterstellt: Angeblich zielten sie darauf ab, erwischt zu werden, um sich an dieser Demütigung lustvoll zu weiden. Andere Wissenschaftler verstanden Kleptomanie als eine Art Frauenleiden: So wurde unter anderem vermutet, dass die Menstruation die Psyche derart durcheinanderbringe, dass manche Frauen während dieser Zeit zu Diebinnen würden.

Mit gewöhnlichem Stehlen hat das nichts zu tun

Inzwischen zählt man Kleptomanie zu den Impuls-Kontrollstörungen: Die Betroffenen können einer Versuchung – in dem Fall: dem Stehlen – nicht widerstehen, obwohl sie sich der negativen Folgen bewusst sind. Oft haben sie weitere psychische Probleme: „An unserer Klinik beobachten wir Kleptomanie vor allem bei Patienten mit einer Borderline-Störung“, sagt Hohagen. Dabei handelt es sich um Menschen mit einer instabilen Persönlichkeit, die oft krankhaft impulsiv sind.

Wenn Kleptomanen zugreifen, hat das mit gewöhnlichem Stehlen nichts zu tun. Sie planen den Diebstahl nicht und wollen sich auch nicht bereichern. Das wird besonders deutlich, wenn Gertrud erzählt – eine alte Dame, die wie eine gutmütige Großmutter wirkt. Tatsächlich hatte sie auch nie gestohlen, bis sie vor vielen Jahren vergewaltigt wurde. Danach musste sie in Supermärkten immer dann etwas einstecken, wenn sie sich von einem Mann beobachtet fühlte. „Der Verstand war wie weg!“, beschreibt sie. Auch Wolfgang, der einzige Mann in der Gruppe, wollte nie etwas Verbotenes tun.

Doch eines Tages, als ihm die Probleme über den Kopf wuchsen, füllten sich seine Hosentaschen beim Einkaufen wie mit Geisterhand: mal ein paar Schrauben, mal Aufnäher, mal eine CD – wahllos eingesammelter Kram. „Der Zwang war einfach da“, sagt er. An der Kasse hatte er jedes Mal Schweißausbrüche: Passiert etwas? Kommt ein Detektiv? Blieb er unentdeckt, machte sich Erleichterung breit. Doch die schlug schon kurz darauf in Ernüchterung um: „Du lieber Gott, was hast du da wieder eingesteckt!“, schoss es Wolfgang dann durch den Kopf.

Eine Therapie für Kleptomanie ist möglich

Gewissensbisse, Ärger, Scham, Selbstzweifel – das sind typische Gefühle, die sich bei kleptomanen Menschen nach der Tat einstellen. Der Psychiater Hohagen nennt sie kurz „Katzenjammer“. Auch Gertrud fühlte sich schlecht, wenn sie wieder gestohlen hatte: „Manches habe ich heimlich wieder zurückgebracht.“

Eine geeignete Therapie zu finden, ist offenbar schwierig. Schon die langen Wartezeiten, die oft bis zum Erstgespräch vergehen, wirken auf die Betroffenen abschreckend. Kommt hinzu, dass sich nicht alle Therapeuten mit Kleptomanie auskennen. Wolfgang etwa erzählt, dass ihn ein Psychologe kurzerhand wieder wegschickte, weil ihn das Problem überforderte. Dabei lässt sich Kleptomanie durchaus gut behandeln, wie der Psychiater Fritz Hohagen sagt.

Die Patienten lernen dazu im Rahmen einer Konfrontationstherapie, ihr Verhalten zu kontrollieren. „Sie gehen zuerst mit einem Therapeuten, später allein einkaufen und üben, ihren Impuls zu stehlen zu überwinden.“ Zudem können sie Strategien einsetzen, um ihre Gefühle zu regulieren. Dem einen Patienten helfen dabei zum Beispiel Sport oder bestimmte Gedanken, dem anderen kalte Kompressen oder der Biss in eine Chilischote. „Auf jeden Fall ist eine Langzeitbehandlung nötig“, sagt Hohagen.

Wolfgang hat sich – wie auch Gertrud und Theresia – schon seit einiger Zeit gut im Griff. Das muss er auch. Wenn er noch mal erwischt wird, kommt er drei Monate ins Gefängnis – eine schlimme Aussicht. „Das vor Augen zu haben, hilft mir!“, sagt er. Auch Theresia darf sich keinen Fehltritt mehr erlauben. Ihre Tochter hat ihr damit gedroht, sie sonst fallen zu lassen. „Ich weiß nicht, was ich täte, wenn ich noch mal erwischt würde. Mich umbringen?“ Sie macht eine kurze Pause. „Ich habe Angst, dass ich dann bei allen untendurch wäre.“

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